1999-protokoll-nr-403
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen“
, S t w lA ?/gerh-B eirat-403 Vertraulich a) ‘Niederschri E L ft 2/99 oI der 403. Ta ung des Wissen scha ftlichan Be irats beim Bundes mini sterium der Finanzen am 12./73. a Februar 19 r 99 1999 in Berlin im ..Westin Grand Hote l A. Teilne hme r ) Es wird ausd rilczlich - in Unteriagen sbesondara - aur den Ve im Hinblick rtraulicb-Ve auf die Disk rmerk hingew ussion mt Gdsten un iesen, g die
tei lun gen der Vor sit zen den / Fes tst ell ung der Ta ge sordnung lt. Mit n Sitzung ll. Bemerkungen zum Protokoll der letzte ung in der EU" (Vv. Gut ach ten : .Fr eiz tig igk eit un d soz ial e Sic her V. Tagesordnung der nachsten Sitzung / Verschiedenes
-3- im Anschiu& an den Jubilaumsfestakt am 12. Februa r 1999 fand eine Diskussion mit Uber aktuelle finanz- und wirtschaftspolitische Theme n statt. Der Tagesordnungspunkt IV. wurde deshalb vorgezogen, I Diskussion Uber aktuelle Probleme mit Einflihrung durch Nach der Begriiung durch die gibt zunachst einen Uberblick zu aktuellen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. 1. Mit dem Organisationserla& des Bundeskanzlers vom Oktober 1998 hat das Bundes- finanzministerium eine erweiterte Aufgabenstellung erhalte n (Makro- und Europapolitik). . Der erste Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregier ung unter der Federfuhrung des BMF dokumentiert die mit der Anderung der Zustandigkeit einhergehend e Neuaus- richtung des Berichts. Er enthalt - wie im Stabilitatsges etz vorgesehen - zum ersten Mal seit 1983 wieder ein eigenstandiges Kapitel mit einer Stellungnahme zum Jahresgut- achten des Sachverstandigenrates. Hierdurch wird eine zusammenhdangende Wiirdigung des Gutachtens ermdglicht und der wirtschaftspolitische Diskurs mit dem Sach- verstandigenrat transparenter gemacht. Im Jahreswirtschaftsbericht finden sich dezidierte Aussag en zur Konzeption der Wirt- schafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung: Angebo ts- und Nachfragepolitik sind keine Gegensdatze. Verla@lichkeit und Kalkulierbarkeit der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind Voraussetzung fiir unternehmeri sches Handein. In der Okonomie ist allerdings auch unstreitig, da& durch Steigerung der Gesamtnachfrage ein Teil der Arbeitslosigkeit beseitigt werden kann. Ein ausge wogener Mix aus Nachfrage- und Angebotspolitik weist Wege aus der Arbeitslosigke it. interstreicht die Bedeutung von Politikberatung fiir das Bundes- finanzministerium und weist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit von direkten Kontakten zwischen Wissenschaft und Politik hin. Fur eine effiziente Politikberatung sei gerade die raumliche Nahe an Entscheidungsstruk turen eine wichtige Voraussetzung, da hierdurch unmittelbare Kontakte mégiich sind. Der Beratu ngsbedarf von Politik laRt sich an zwei akutellen Problemfeldern verdeutliche n:
* Am Beispiel von Steuerschatzmodellen lt sich zeigen, da u.a. durch die EinfGhrung neuer Begrifflichkeiten, unterschiedlicher Steuersatzvariationen oder Gestaltun gsrechte die Frage der Validitat von erheblicher Bedeutung ist: »Kostenfolgeschatzungen‘ sind derzeit nur auf einer sehr unsicheren Basis mdglich. Von besonderer Bedeutun g ist in diesem Zusammenhang neben der unsicheren Datenbasis deshalb auch die Offen- legung von Modellannahmen. Gerade im Hinblick auf die Problematik von ex post Simulationen bietet sich fir wissenschaftliche Forschung ein Feld, um praxeologische Modelle bereitzustellen. In den USA arbeiten Universitaten in enger Kooperat ion mit Verwaltungen gezielt an Verbesserungen. Die den Beiratsmitgliedern in der Sitzung verteilten drei Grafiken wurden in der .State of the Union". Rede und in der Senat Budget Committee-Anhérung verwendet, um einen Vergleich der Steuerbelastungen von Kapitalinvestitionen in den G 7 - Staaten zu Steuern in den USA zu ermdéglichen. Es liegt die Vermutung nahe, da durch interessen - geleitete Darstellungen von Steuverbelastungen im internationaten Vergleich die nachste Runde des intemnationalen Steuersenkungswettbewerbs eingelautet wird. Zu bertick- Sichtigen ist, da& derzeit allerdings kein Modell existiert, das einen fundierten inter- nationalen Vergleich der Unternehmensteuerbelastung mit allgemeingilltiger Aussage- kraft erméglichen wurde. Je nach Interessenlage und Wahi der Methode zur Ermittlung der Steuerbelastung lassen sich immer wieder Steuerbelastungsvergleiche finden, die die eigene Aussage unterstdtzen. Diskussion Die. dankt fur die einieitenden Ausfiihrungen und weist darauf hin, da sich der Beirat einen regelmaBigen Kontakt mit Leitungsvertretern des BMF wiinscht; u.a. deshalb wurde beschlossen, in den Jahren 2000 und 2001 jeweils drei von acht Sitzungen am Regierungssitz Berlin abzuhalten. Aufgrund der raumliche n Verteilung der. Wohnorte der Beiratsmitglieder wurden regelmaBige Tagungen in Berlin allerdings zu ungleich starkeren Belastungen einiger Beiratsmitglieder fuhren. In der anschlieRenden Diskussion weist ein Beiratsmitalied neben der Unterschiedlichkeit von Mikredaten (u.a. Einkommens- und Verbrauchsstichproben, DIW-Panel) auf das Problem des Datenschutzes hin. Zudem seien Daten haufig zu alt bzw. nicht reprasentativ,
neist erganzend auf das Problem der ungewissen Verhaltensreak tionen auf Anderungen in der Steuergesetzgebung hin (z.B. Veranderung Teilwertabschrei bung, Einfihrung Teilkosten). Auch sei 2.B. nicht exakt zu quantifizieren, in welcher H6éhe Divi- denden uber Schachtelbeteiligungen geflossen sind (,belgi sches Modell"). Ein Beiratsmitglied kritisiert, da® sich im Jahreswirtschaftsberi cht keine Aussagen zur Nach- ftageorientierung der Finanzpolitik finden, vielmehr lieRe sich auf eine eher prozyklische Politik schlieRen, Mit dem geplanten Unternehmensteuersatz von 35% wurden zudermn Gewinneinkommen massiv begiinstigt, veist darauf hin, da& die Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt eine schwierige Finanzlage fur den Bundeshaushalt vorgefunden hat (mittelfri stige Finanzie- rungsluicke von 20 Mrd. DM). Es habe sich gezeigt, dat die noch mit den Petersberger Beschilissen angekiindigte Nettoentlastung nicht zur realisieren gewesen ware. Ins- besondere bei den angenommenen Wachstumszahlen war eine Kortektu r bewuBter und gewollter Uberschatzungen notwendig. Der Rahmen fir einen starker nachfrag esttitzenden Kurs der Finanzpolitik ist in der derzeitigen Situation Uberaus eng gezogen. Ein Beiratsmitglied weist darauf hin, da& es bei gegebenen effektive n Steuersdtzen darauf ankommt, wie Belastungswirkungen zustande kommen. erinnert daran, dali von Seiten der Wirtschaft oft eine deutliche Netto- entlastung der Unternehmen durch Reduzierung der nominalen Steuersatze gefordert wird, gleichzeitig jedoch eine Beibehaltung der Abschreibungsméglichkeit en als erforderlich angesehen wird. Im laufenden Gesetzgebungsverfahren wurde durch Anderungen ins- besondere der Mittelstand weiter entlastet. Ein Beiratsmitalied fragt - unter Hinweis auf Berechnungen des ZEW - nach dem Aus- Sagewert der vorliegenden Grafiken, da das ZEW zu genau entgegengesetzten Ergeb- nissen kommt (Deutschland mit zweithéchster Steuerbelastung). veist darauf hin, da& die Wahi der Methode zur Berechnung von Effektivsteuersatzen entscheidend ist. Die Grafiken demonstrieren zudem, daf& neben der Validitat van derartigen Modellen, auch die Wah! der Daten entschei dend ist. Im vorliegen-
agk den Fall (OECD-Daten aus 1994) war in Deutschland eine sehr gro&e Inanspruchnahme von AfA-Méglichkeiten zu verzeichnen. Beiratsmitalieder verweisen in der weiteren Diskussion auf die Bedeutung von Ordnungs- palitik und auf das Problem einer Neuordnung des internationalen Wahrungssystems. Nach Auffassung von sind wissenschaftliche Empfehlungen oft nicht falsifizierbar, wenn z.B. der alleinige Hinweis auf eine ,gute Ordnung spolitik" vorgebracht wird. Grundlage fir politische Entscheidungen sollten quantifi zierbare Aussagen sein. (n diesem Zusammenhang sind Fehlentwicklungen in der Lohn-, Geld- bzw. Haushalts- und Konsolidierungspolitik der alten Bundesregierung zu bericksichtigen. Eine permanent sinkende Lohnquote bzw. gesamtwirtschaftlich stagnierende Lohnsummen fiihren im Ergebnis dazu, da& Wachstumseffekte fiir die Binnennachfrage fehlen. im Maastricht- Proze& ist zudem eine kontraktive Geidpolitik mit einer kontrakt iven Fiskalpolitik zusammen- gekommen. Zudem war - vor dem Hintergrund des Entstehens von deflationaren Poten- tialen - eine Diskussionsanderung im Hinblick auf die Geldpoli tik erforderiich. Im Hinblick auf die Frage nach der Realisierbarkeit real stabilerer Wechselkurse sei es in der momentanen Situation wichtig gewesen, eine dffentliche Diskussion dber offensichtliche Fehlentwick- lungen anzustoBen. in der Diskussion zur Rolle der Geldpolitik wird von einem Beiratsm itglied auf die besondere Verantwortung der Deutschen Bundesbank hinsichtlich ihrer vertrauensbildenden Funktion fur den Euro hingewiesen. Zudem habe der deutsche Geldmar kt in der Vergangenheit nicht an Liquiditatsproblemen gelitten. _ weist in diesem Zusammenhang darauf hin, da& es unterschiedliche Wege gibt, um das Stabilitatsziel zu erreichen (USA vs. Deutschiand). Die Bundesbank hat den Boden fiir einen erfolgreichen Start in die Wahrungsunio n bereitet. Das Beispiel USA zeigt allerdings auch, da& ein besseres Zusammenspiel zwischen Geldpolitik und Wirt- schaitspolitik mdglich ist.
ii. Bemerkungen zum Protokoll der letzte n Sitzung Das Protokoll wird ohne Anderungswiinsche angen ommen. IV. Gutachten: ..Freiztigiqkeit und Soziale Sicherung in der EU“ gibt in einem Einstiegsreferat einen Uberblick zu den Koordinierungsregein in der EU. In diesem Zusammenhang wird insbe sondere auf die Publikation von Schulte/Barwig ,Freiziigigkeit und soziale Sicher heit" hingewiesen: 1. Ausgangspunkt der Darstellung ist ein Oberbl ick freizugigkeitshemmender Aspekte der Sozialen Sicherung (z.B. wanderungsbedin gte Sicherungsiticken bzw. Anspruchsver- luste) und Méglickeiten zur Abhilfe (2.8. durch Zusammenfassung von Versicherungs- zeiten verschiedener Lander bzw. Mitnahme alter Leistungsanspriche bei Wande- fungen). Durch Wanderungen kénnen u.U. auch , Sondervorteile“ entstehen, so da neben der Verhinderung von Leistungsverlusten auch die Verhinderung von Leistungs- kumulationen notwendig ist.
-8- 2. Fur die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherung in der EU sind die Bestimmungen des EG-Vertrages (Art. 48 und 51) von grundlegender Bedeutung. Historischer Ausgangspunkt fur die Koordinierungsverordnungen sind die 1958 erlassenen Verordnungen (EWG) Nr. 3 und Nr. 4. Diese Verordnungen wurden 1971 durch die Verordnungen (EWG) Nr. 1498/71 und die Durchfihrungsverordnung Nr. 574/72 abgeldst. Die Kommission hat 1998 einen Vorschiag fur eine Verordnung des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgelegt. (Vorschlag wurde bereits von BMF an alle Beiratsmitglieder versandt; Kommissionsdokument KOM in Art. 3, 4 und 8 Aus- (98) 779 endg.). In dem letztgenannten Dokument finden sich z.B. sagen zum betroffenen Personenkreis sowie zur Behandlung der Zusammenrechnung von Zeiten. In der VO (EWG) Nr. 1408/1 findet sich in Art. 4 Abs. 1 eine Aufzahlung der Leistungsarten (Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft etc.). 3.:In dem weiteren Uberblick wird jeweils kurz auf die jeweiligen Leistungsarten unter den drei Aspekten ,allgemeine Uberlegungen", ,Koordinierung nach EG-Recht* und »Probieme der Koordinierungspraxis® eingegangen. Im Ergebnis zeigt sich, da ein vielfaltiges und beeindruckendes Netz von Koordinierungsmafinahmen in der EU existiert. Grundlegende Prinzipien sind der Gleichstellungsgrundsatz, die primare Zustandigkeit des Beschaftigungslandes sowie die Wahrung von Leistungsanspruchen (erweitertes Territorialitatsprinzip). in der anschlieRenden Diskussion werden folgende Anregungen bzw. Fragen behandelt: Ein Beiratsmitglied regt an, das Thema unter den folgenden Gesichtspunkten zu gliedern: 2 Trennung von versicherungs- und steuerfinanzierten Leistungen; Berticksichtigung nicht nur freizligigkeitshemmender Faktoren, sondern auch der den ,Sozialtourismus* férdernden Faktoren; Frage des Finanzausgleichs (Versicherungsprinzip vs. steuerfinanzierte Leistungen). Ein Beiratsmitglied vertritt die Auffassung, da@ im Bereich der steuverfinanzierten Leistungen und der Sozialversicherung eine Koordinierung méglich sei. Ein Beiratsmitglied weist in diesem Zusammenhang auf die Pflegeversicherung als ,private" Versicherung hin. Ein Beiratsmitglied weist auf existierende Verzahnungen zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung hin.
Ein Beiratsmitglied pladiert fir folgende Herangehensweise an das Untersuchungsthema . Ausgehend von ékonomischen Prinzipien, nach denen sich staatliches Handein ausrichten sollte, ist folgende - stufenweise - Bearbeitung denkbar Darstellung von Wanderungsanreizen fiir den Faktor Arbeit in einer idealen Weit. * Welche Probieme entstehen durch staatliche Ma@nahmen? Frage des Marktversagens: Wie ist die raumliche Auswirkung von Marktversagen? * Frage der Umverteilung (Umlage- vs. Kapitaldeckung) e Fiskalische Betroffenheit (Finanzierbarkeitsproblem) Bei der Frage, ob in der Untersuchung Sozialleistungen im weiten Sinne behandelt werden sollen, spricht sich der Beirat gegen die Beschrankung auf Sozialversicherungsaspekte aus, Der Beirat ist sich weiterhin einig, da& im Mittelpunkt der Untersuchung die Offentlichen Haushalte im weiten Sinne stehen. Allerdings sind auch mégliche Wechselwirkungen mit den privaten Systemen zu beriicksichtigen. Die Freiztigigkeit als Tatbestand ist nicht zu hinterfragen (,keine Renationalisierung’). Im Hinblick auf die weitere Vorgehensweise stimmen sich die Kommissionsmitglieder auf einen Arbeitsplan fur den Zeitraum bis zur ndchsten Beiratssitzung im April ab. Vorgesehen ist, far die nachsten Sitzungen Referenten einzuladen.
-10- V. Tagesordnung der nachsten Sitzung / Verschiedenes Die nachste Beiratssitzung findet am 16./17. April 1999 in Baden-B aden im Hotel »Europdischer Hof" statt. Voraussichtliche Tagesordnung ist: I. Mitteilungen der Vorsitzenden i. Feststellung der Tagesordnung lil. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung IV. Diskussion Gber aktuelle Probleme V. Gutachten: ,Freizigigkeit und Soziale Sicherung in Europa‘ Geplante Vortrage: 16. April, 11.00 Uhr, .Reformbedarf der sozialen Sicherung im europdischen Binnenmarkt 17. April, 9.00 Uhr »Rechtliche Aspekte sowie sozialpolitische Konsequenzen der Freiztigigkeit® Vi. Tagesordnung der nachsten Sitzung VIL Verschiedenes Bonn/Géttingen, den 30. Marz 1999 gez. gez.