1999-protokoll-nr-405
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen“
| A Zigerh-Beirat-405 Vertraulich*) Niederschrif 4/9t9 5. T. des Wi ichen Beirats im B inisterium der Finanzen am 7./Mai 8199 .9 in Mi i Svenpick Hotel“ *) Es wird ausdricklich - insbeson dere im Hinblick auf die Diskussion Unterlagen - auf den Vertraulic mit Gasten und die Verteilung von h-Vermerk hingewiesen. ih
Mitteilungen der Vorsitzenden / Feststellung der Tagesordnung ih. Verschiedenes Mt. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung WV. Diskussion Uber aktuelle Probleme Gutachten: ,Freiztigigkeit und Soziale Sicherung in Europa" Tagesordnung der nachsten Sitzung / Verschiedenes tt
ll. Verschiedenes Der Beirat diskutiert den Inhalt der ,Brahier Empfehlungen*. Ergebnis der Beratungen ist, da der Beirat das von abgegebene Sondervoturmn nachdricklich unter- stitzt. Der Beirat beschlie@t- auch vor dem Hintergrund, da& sich der Bundesfinanzhof karzlichin einem ahnlichen Sinn geaufert hat- seine Positionin einem Schreiben an ez bekraftigen. iil. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung Das Protokoll wird chne Anderungswinsche angenommen. IV. Diskussion liber aktuelle Probleme Entfailt.
-4- V. Gutachten: ..Freiziigigkeit und Soziale Sicherung in Europa“ (1) Vortrag Freiziigigkeit und Soziale Sicherheit‘ Der Vortrag behandelt in einem ersten Teil die Bedeutung der vier Grundfreiheiten im Gemeinschaftsrecht. In einem zweiten Teil werden die fur das Sozialrecht bedeutsamen Neuerungen des in Kraft getretenen Vertrags von Amsterdam skizziert. Bei der Bedeutung der Grundfreiheiten im Gemeinschaftsrecht sind folgende Ge- sichtspunkte zu beriicksichtigen: Freiztigigkeit ist eine der vier Grundfreiheiten, die die Grundlage des Binnenmarktes bil- den. Hierbei handelt es sich primar um ein wirtschaftspolitisches, nicht um ein sozial- politisches Antiegen. Der Aspekt der sozialen Sicherheit ist nur als Teilaspekt der Frei- zigigkeit der Arbeitnehmer zu sehen. Ausgehend von dem in Art 14 (ex Art. 7 a) EGV definierten Binnenmarkt-Ziel miissen die Grundfreiheiten als konstitutive Elemente des europaischen Binnenmarkts und darUber hinaus als Grundiage der Wirtschafts- und Wahrungsunion gesehen werden: ,Die Grundfreiheiten sind der Kem des Binnenmarkts, der Binnenmarkt ist der Kem der Europdischen Gemeinschaft, die Europaische Gemein- schaft ist der Kem der Europaischen Union.“ Die Tragweite der Grundfreiheiten ergibt sich daraus, da sie e ,unmittelbare Wirkung“ zugunsten der MarkiteiInehmer haben, so daf diese sich auf sie vor Gerichten und BehGérden der Mitgliedstaaten berufen kénnen; « am ,Vorrang des Gemeinschaftsrechts" teilhaben, so da entgegenstehende Rege- iungen der Mitgliedstaaten unanwendbar sind. e das die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot enthalten, den grenztiberschreitenden Wirt- schaftsverkehr in der Gemeinschaft in ungerechtfertigter Weise zu beschranken; « nicht nur Diskriminierungen, sondern auch nicht-diskriminierende Beschrankungen des innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehrs verbieten, soweit sie nicht gerecht- fertigt und unverhdaltnismaRig sind: fi
-5§- e Ziele fur die Rechtsangleichung zur Sicherung des Funktionierens des Binnenmarktes und somit objektive WertmaBstabe fir das sekundare Gemeinschaftsrecht und die Gemeinschaftspolitiken bilden. Zur Durchsetzung der Grundfreiheiten stellt das Gemeinschaftsrecht verschiedene Méglichkeiten zur Verfigung: « Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zum Zweck der Auslegung der Grundfreiheiten im Rahmen von Klageverfahren vor den nationalen Gerichten; e Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat gema@ Art. 226 (ex Art. 169) EGV aufgrund einer Beschwerde an die Europaische Kommission. Seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht stent der Gemeinschaft das Instru- ment des Zwangsgelds fir den Fail zur Verfigung, da& ein Mitgliedstaat ein zweites Mal wegen desseiben VertragsverstoBes vom EuGH verurteilt wird. Bislang ist es allerdings noch nicht zur Anwendung dieser Vorschrift durch den EuGH gekommen. AuBerdem kann ein Schadensersatzanspruch gegen einen Mitgliedstaat aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsgrundsatzes bestehen, der vor den nationalen Gerichten geltend zu machen ist. Die Bestimmungen des EGV tber die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer stehen in engem Zusammenhang mit der Freizigigkeit. Art. 42 (ex Art. 51) EGV sieht ei- ne Koordinierung der mitgliedstaatlichen Sozialversicherungssysteme vor, nicht jedoch ihre Harmonisierung. Sie sind daher grundsatzlich in der Verantwortung der Mitglied- staaten verblieben. Die dazu ergangenen sekunddarrechtlichen Regelungen - insbeson- dere die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 sowie ihre Folgeregelungen - sollen es den Arbeitnehmerm erméglichen, vom Freizigigkeitsrecht Gebrauch zu machen. Sie werden daher vom EuGH konsequent im Lichte dieser Grundfreiheit ausge- legt. Im zweiten Teil seiner Ausfuhrungen weist auf die sozialrechtlich be- deutsamen Neuverungen des Vertrags von Amsterdam hin. be
-6- Bestimmungen uber die Sozialpolitik in der EG finden sich in den Artikeln 136 bis 145 (ex Art. 117-122) EGV. In ihrer urspriinglichen Fassung hatten diese Vorschriften ledig- lich programmatischen Charakter und boten keine Rechtsgrundlage fur eine Harmonisie - fung sozialrechtlicher Bestimmungen der Mitgliedstaaten. Durch den Vertrag von Maastricht hat sich dies geandert. Gestiitzt auf das ,Protokoll Uber die Sozialpolitik” sah das ,Abkommen dber die Sozialpolitik“ in Art. 2 eine Befugnis des Rates vor, Ma&nahmen zumindest fiir 14 der 15 Mitgliedstaaten zu beschlieRen, die die soziale Sicherheit und den sozialen Schutz der Arbeitnehmer betreffen und somit auch der Harmonisierung in diesem Bereich dienen kénnen. Der am 1. Mai 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam hat das Abkommen in den EG-Vertrag integriert, so da8 diese Bestimmungen nunmehr fir alle 15 Mitgliedstaaten gelten (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst.j und Art. 136 bis 145 EGV), In Art. 136 (ex Art. 117) EGV werden neben der Verbesserung der Lebens- und Arbeits- bedingungen der Arbeitnehmer und der Entwicklung des Arbeitskraftepotentials weitere Ziele genannt, zu denen auch ein angemessener sozialer Schutz gehort. Dabei wird auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte von 1989 Bezug genommen. So- zialpolitik wird somit nicht mehr allein als Instrument zur Férderung der Wirtschaftspolitik, sondem als eigenstandiger Politikbereich der Gemeinschaft begriffen. Es ist nicht aus- geschlossen, da& der als Programmsatz formulierte Art. 136 (ex Art. 117) EGV im Zu- sammenhang mit anderen Vorschriften des EGV weitere Bedeutung erlangen wird. Im Hinblick auf die Harmonisierungsvorschriften schreibt Art. 137 EGV eine Reihe neuer Kompetenzen der Gemeinschaft fest, z.B. kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit durch Richtlinien Mindestvorschriften in bestimmten Bereichen (Arbeitsbedingungen, Unterrichtung und Anhérung der Arbeitnehmer, berufliche Eingliederung und Chancen- gleichheit) erlassen. Ausdricklich von der Ermachtigung zum Erla& von Mindestvorschrif- ten ausgenommen bleiben weiterhin das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streik- recht sowie das Aussperrungsrecht. Regelungen zur Rolle der Sozialpartner finden sich in den Art. 138 und 139 EGV (ex Art. 118b EGV und Art. 4 Sozialabkommen). Die Kommission wird verpflichtet, den Dia- log mit den Sozialpartnern zu fordern; daruber hinaus mUssen die Sozialpartner stets konsultiert werden, bevor die Kommission einen Vorschlag auf dem Gebiet der Sozial-
ayn politik voriegt. Der Dialog kann unter bestimmten Voraussetzungen zum Abschlu& von Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf EG-Ebene fiihren. Der EG-Vertrag beschrankte sich urspriinglich, die Freiziigigkeit der Arbeitnehmer zu gew&hrieisten und damit diesen die Vorteile des Binnenmarktes (Gemeinsamen Marktes) zu sicher. Der Vertrag von Maastricht hat eine sog. , Unionsbirgerschaft’ eingefunhrt, die ein allgemeines Aufenthaltsrecht fir die Staatsangehérigen der Mitgliedstaaten in allen anderen Mitgliedstaaten umfa&t (Art. 18 EGV). Damit genieRen auch diejenigen Ange- hérigen der Mitgliedstaaten ,Freiziigigkeit", die nicht Arbeitnehmer ist. Inhaltlich sind aber Arbeitnehmertfreiziigigkeit und Aufenthaitsrecht klar zu trennen, weil letzteres zwar dem aligemeinen Diskriminierungsverbot unterliegt, jedoch nicht die spezielilen Rechte um- fafit, die die Art. 39 ff. EGV vorsehen. In einer abschlieBenden Bewertung weist:- darauf hin, da& der Vertrag von Amsterdam fur das Sozialrecht mit der Uberfithrung des Sozialabkommensin den EGV eine wesentliche Neuerung gebracht habe, die sich allerdings auf den formalen Aspekt beschrankt. Das bisherige System der Grundfreiheiten - insbesondere die Frei- zugigkeit und die Niederlassungsfreiheit - wird davon nicht berthrt und bleibt grundie- gend fur die weitere Entwicklung der Integration. Dies gilt auch fiir die Rechtsvorschriften fur die Soziairechtskoordinierung (VO (EWG) 1408/71 und (EWG) 574/72 sowie Folge- verordnungen). Die Rechtsprechung des EuGH wird auch in Zukunft nichts von ihrer wegweisenden Bedeutung fur die Verwirklichung der Grundfreiheiten verlieren. (2) Diskussion Auf die Frage nach einer kritischen wissenschaftlichen Aufarbeitung zur Rechtsprechung des EuGH verweist ' auf den von Schulte/Zacher herausgegebenen Band: Wechselwirkungen zwischen Europdischem Sozialrecht und dem Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1991. Hinzuweisen ist ferner auf das Buch von Ei- chenhofer. Intemationales Soziatrecht, Minchen 1994, und das neue Werk von Giesen: Die Vorgaben des EG-Vertrages fiir das Internationale Sozialrecht, Kéin etc. 1999. Ein Beiratsmitglied halt die in dem Vortrag vorgenommene Zweiteilung zwischen wirt- schaftlichen Binnenmarkt und Koordinierung der Sozialpolitik fir nicht haltbar (Bsp. Ge- sundheitsmarkt), da hier unmittelbare sachliche Zusammenhange bestehen. _ stimmt der Auffassung zu, da& diese Bereiche der Sache nach nicht klar vonein-
-8- ander zu trennen seien. Rechtlich verfiige die EG aber nicht uber eine ,Allkompetenz’, sondem nur Uber zugewiesene Einzelkompetenzen. Sie schiitze die Grundfreiheiten (Freier Waren- und Dienstleistungsverkehr in der EG) im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarktziels, dagegen seien fir die inhaltlichen Aspekte der Gesundheits- und Sozialpolitik vorwiegend die Mitgliedstaaten zustandig. Die in dem Vortrag gezogene Trennung sei daher unter dem Blickwinkel unterschiedlicher Kompetenzen zu sehen. Ein Beiratsmitglied wirft im Hinblick auf das Untersuchungsthema die Frage auf, inwie- weit der Begriff ,Freizgigkeit nicht besser durch den Begriff ,Mobilitat" ersetzt werden sollte, weist darauf hin, da& ,Freizigigkeit* an den Arbeitnehmer an- knupft, der in Europa grenztiberschreitend tatig wird, und ein europarechtlich festumris- sener Begriff sei. Seit Maastricht gebe es aber auch ein aligemeines Aufenthaltsrecht der Unionsbirger. Sofern das Untersuchungsthema sich nicht auf die Gruppe der Ar- beitnehmer beschranken soll, knne es daher durchaus sinnvoll sein, den Begriff »Mobilitat zu verwenden. Ein Beiratsmitglied weist darauf hin, da® sich der Freiztigig- keitsbegriff prinzipiell auch in einem umfassenden Sinne verwendet lieSe; allerdings kénnte die unterschiedliche Verwendung dieses Begriffs im Gutachten zu Mi&verstand- nissen fuhren und sei daher problematisch. Auf die Frage eines Beiratsmitglieds, inwieweit der Begriff ,europaisches Sozialrecht* prazisiert werden kann, weist zunachst darauf hin, da& sich die europa- rechtliche Begriffsbildung bisher von der in Deutschiand Ublichen juristischen Begriffsbil- dung unterscheidet. Wahrend diese sich auf die rechtliche Ausformung Sozialpolitik be- ziehe, wurden im EG-Recht darunter die Koordinierungsregelungen flr Wanderarbeit- nehmer in den auf Art. 42 (ex Art. 51) EGV gestiitzten Verordnungen sowie die auf die Freizugigkeit gestiitzte VO 1612/68 verstanden, die der Freiziigigkeit der Arbeitnehmer ‘dienten. Ob aufgrund der neuen Regelungen des Vertrags von Amsterdam (bisher. So- Zialabkommen) im Titel Sozialpolitik erlassene Bestimmungen ebenfalls unter diesen Begriff subsumiert werden k6nnten, sei offen. Ein Beiratsmitglied fragt, inwieweit sich in den im Vertrag von Amsterdamer unterschied- lich geregelten Abstimmungsmodalitaten auf dem Gebiet der Soziaipolitik eine bestimmte Philosophie bzw. ,Wertigkeitsdiskussion” widerspiegelt. _ meint, da& man insoweit von einer bestimmen Wertigkeit sprechen kann, als der ,harte Kern“ des Sozial- rechts bzw. der Sozialpolitik immer Einstimmigkeit erfordert.
-9- Ein Beiratsmitglied weist im Verlauf der Diskussion darauf hin, daB es seiner Auffassung nach im Gutachten darauf ankommen wird, aus 6konomischer Sicht nach den effizienten Maf&nahmen zur Verwirklichung von Freiztigigkeit zu fragen. In der Sichtweise von Juri- Sten dominiert die Vorstellung, politisch gewollte Freiztigigkeit durch ,Nicht-Diskriminie- rung® zu erreichen. Bei einer 6konomischen Betrachtung ist das Effizienzkriterium als Ma&stab fur Nicht-Diskriminierung heranzuziehen. In diesem Zusammenhang wird dar- auf hingewiesen, da& sich z.B. vor dem Hintergrund aktueller Urteile des EUGH die Fra- ge stellt, inwieweit die im Gesundheitswesen erreichte ,,Nicht-Diskriminierung* gleich- zeitig effizient ist. (3) Diskussion der Kommissionsvoriage .Freizigigkeit und soziale Sicherheit in Europa’ Der Beirat diskutiert die Abschnitte A. bis D. der iberarbeiteten Fassung von Kapitel | (Kommissionsvoriage vom 30. April). Neben einigen vorgeschlagenen redaktionellen An- derungen sind aus der Diskussion folgende Aspekte festzuhalten: im Abschnitt A der Kommissionsvorlage diskutiert der Beirat zunachst ausfGhrlich das Verhdaltnis zwischen Freiztigigkeit, Freiheit und Solidaritat sowie das damit zusammen- hangende Spannungsverhdaltnis zwischen Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit. Ein Beiratsmitglied verweist in diesem Zusammenhang auf die Dilemmathese aus dem Wettbewerbsrecht, da& Freiheit aliein nicht Wohistand begriindet. Ein Beiratsmitglied halt die auf S. 2 (Z. 17ff.) gezogene Schlu&folgerung, ein landeriiber- greifendes, europaisches Sicherungssystem sei die gebotene Antwort auf zunehmende Mobilitat, fur Zu einseitig. Ein Beiratsmitglied weist darauf hin, da& auch bei Immobilitat kollektive Sicherungssysteme erforderlich sind. Der Beirat diskutiert an dem auf S. 5f. geschilderten Beispiel die Problematik von Mobili- tatshemmnissen, die sich fr beamtete Hochschullehrer in Form von Nachteilen bei Al- tersversorgung und Krankenversicherung ergeben kénnen. Es besteht vermutlich eine Relevanz fur den Bereich der éffentlich Beschaftigten, ailerdings stellt sich die Frage nach der Bedeutung dieses Falls fir das Untersuchungsthema. Es wird angeregt, nach noch treffenderen Beispielen zu suchen. im Hinblick auf die prinzipielle Exportfahigkeit von Geldleistungen stellt ein Beiratsmit- glied die Frage nach der dahinterstehenden é6konomischen Ratio: Warum werden man-
-10- che Leistungen als exportfahig angesehen und manche nicht? In diesem Zusammen- hang wird die These aufgestellt, da& es sich bei den Sachleistungen um Leistungen handelt, die relativ starke ,Umverteilungselemente® beinhalten, die man méglicherweise nicht exportieren méchite. In dem Kontext weist darauf hin, da& es in der EuGH-Entscheidung Kohil/Decker nicht um die Freiztigigkeit von Personen, sonderm um die Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ging. Ein Bezug zur sozialen Sicherheit bestehe insoweit, als der EUGH das ,finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicher- heit" als Rechtfertigungsgrund fir Beschraénkungen der genannten Grundfreiheiten aner- kannt habe. Offen sei, ob sich dieses Urteil nur auf Falle einer Kostenerstattung oder auch auf Sachleistungen beziehen lat. Dazu sei in absehbarer Zeit eine Entscheidung des EUGH zu erwarten. Zur Frage eines Beiratsmitglieds, ob z.B. flr deutsche Rentner bei einer Wohnsitzverla- gerung die Méglichkeit besteht, Leistungen der Pflegeversicherung in Frankreich zu be- ziehen, weist darauf hin, da& die Pflegeversicherung nicht ausdriicklich Gegenstand der VO 1408/71 ist. Aufgrund einer Entscheidung des EuGH seien die Re- geln anzuwenden, die fur die Krankenversicherung gelten. Danach sei zwar die deut- sche Regelung fur Pflegegeld exportfahig, andere Leistungen seien dagegen nur nach dem Prinzip der ,aushelfenden Sachieistung* exportfahig. Sie k6nnten daher im Ausland nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie zum Katalog der dortigen Soziallei- stungen gehdrien. Da in Frankreich eine Pflegeversicherung nicht existiere (nur in den Niederianden und in Osterreich), hatten deutsche Sozialversicherte dort keinen An- spruch auf diese Leistungen. Ein Beiratsmitglied verweist am Beispiel des Pflegegelds auf die Einordnungsschwierigkeiten, die sich ergeben kénnen, wenn der Gesetzgeber neue Sozialieistungen einfuhrt, die bislang nicht durch die Verordnungen erfa&t wurden. Erforderlich sei ein detaillierter Uberblick, der z.B. durch Vertreter des BMA gegeben werden k6nnte. Ein Beiratsmitglied interpretiert das 0.9. Beispiel als ein ,Durchbrechen des Portabili- fatsprinzips” und ein Koordinierungsdefizit, da durch die Wanderung in ein Land mit ei- nem niedrigeren Sozialleistungsniveau unter Umstanden keine Anspriiche Ubertragen werden, die man durch Einzahlungen erworben hat. Ein Beiratsmitglied ist der Auffas- sung, daf hier das Portabiliatsprinzip nicht durchbrochen wird, da es kein Sekundarrecht gibt.