2004-protokoll-nr-449
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen“
. 4 whert_beirat_0704.doe Niederschrift 7/04 der 449. Tagung des Wissenschaftlichen Beirats Bun i rium der Fi am 12/13. November 2004 »Hotel Hilton“ Mainz Es wird ausdriicklich — insbesondere im Hinblick auf die Diskussion mit Gasten und die Verteilung von Unterlagen — auf den Vertraulich-Vermerk hingewiesen.
B. Tagesordgung L —_internte Sitzung [GE IL. Diskussion mit aktuellen Fragen der deutschen Finanzpolitik fil. Mitteilungen des Vorsitzenden IV. Feststeliung der Tagesordnung < Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung VL Gutachten ,.Haushaltskrisen im Bundesstaat“ (iberarbeitete Fassung) VIL Tagesordnung der nachsten Sitzung VIH. Verschiedenes In der internen Sitzung informieren sich der Beiratund a Dole =a an Seber mel iB f. 7 tod i ln ue * i — seitig tiber die aktuellen Arbeiten.
-3- Il. Diskussion mit zu aktuellen Fragen der deutschen Finanzpolitik dankt dem Beirat fiir die Méglichkeit, zu aktuellen Fragen der deutschen Finanzpolitik Stellung nehmen zu kénnen, und berichtet tiber die November-Steuerschatzung, die ak- tuelle konyunkturelle Entwicklung, die Perspektiven fiir den Bundeshaushalt sowie tiber die Reform- themen Europdischer Stabilitats- und Wachstumspakt und Féderalismusreform. Die Ergebnisse der aktuellen Steuerschatzung seien insgesamt besser ausgefallen als erwartet. Wah- rend der Bund aufgrund von Schatzkorrekturen und Steuerrechtsinderungen Mindereinnahmen ge- geniiber der Mai-Steuerschatzung zu verkraften habe, seien bei den Kommunen deutliche Mehrein- nahmen zu erwarten. Die Korrekturen in den Steuereinnahmeprognosen lieBen sich durch rechtlich bedingte Anpassungen begriinden (Gewerbesteuerumlage), resultierten aus Verhaltensinderungen (insb. bei der Tabaksteuer) und seien konjunkturell bedingt (Gewerbesteuer/K Grperschaftsteuer); ins- gesamit seien die Entwicklungen aber schwer einer einzeinen Ursache zuzuordnen. Beiratsmitglieder problematisieren - mit Blick auf den EU-Kontext — generell das Prognoseverhalten der Nationalstaaten sowie die Frage der ZweckmaBigkeit der unternehmenssteuerlichen Regelungen zu Verlustvortrigen und -riicktriigen. erléutert im Folgenden die aktuelle konjunkturelle Entwicklung, die von einer Schwache im 3. Quartal geprigt sei. Griinde hierflir lagen insbesondere in der SIpreisbedingten Abschwachung des Exports, der allerdings erstmals cine Verbesserung der Inlandsnachfrage (Ausristungsinvestitionen) gegeniiber stehe. Fiir das Gesamtjahr sei der erwartete BIP-Anstieg von 1,8 % nach wie vor méglich. Die Entwicklung des Euroanstiegs, insbesondere die Geschwindigkeit des Anstiegs, wurde von cini- gen Beiratsmitgliedern mit Sorge betrachtet. Zur Grundausrichtung der Finanzpolitik und des Bundeshaushalts stellt zundchst die zentra- len Eckdaten des Bundeshaushalts 2005 nach Stand Bereinigungssitzung vor. Die Deckungsliicke von gut 8 Mrd. € werde danach geschlossen durch eine zusdtzliche Globale Minderausgabe, durch Kapita- lisierung von Pensionsverpflichtungen der Postnachfolgeunternchmen sowie durch Privatisierungen. Damit liege im Ergebnis die Nettokreditaufnahme leicht unter der Héhe der veranschlagten Investitio- nen (Kreditgrenze). Der Nachtrag 2004 sei etwas positiver ausgefalien als urspriinglich unterstellt. Mit Blick auf Maastricht kann aufgrund der beschlossenen MaSnahmen fiir das Jahr 2005 ein Defizit von 2,9 % gemeldet werden. In der Diskussion wirft ein Beiratsmitglied die Frage nach der dkonomischen Interpretation der 3 %- Grenze auf und betont, dass der konjunkturelle Gesichtspunkt starker in den Blick genommen werden
-4- miisse. erklart hierzu, dass es darum gehe, die 3 %-Grenze unter Vermeidung konjunktur- schwachender MaSnahmen einzuhalten. Auch solle - mit Blick auf den Art. 115 GG - nicht in investi- ve Bereiche eingegriffen werden. Der weitere Abbau von Steuervergiinstigungen sei auch 6konomisch die richtige Strategie, allerdings sei hier ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Landern erforder- lich. Im Weiteren werden die konkreten EinzelmaSnahmen der Bundesregierung zur Einhaltung der 3 %-Grenze diskutiert. erklart zur aktuellen Debatte um die Reform des Stabilitatspaktes, dass man sich hier noch am Anfang der Diskussion befinde, an der sich Deutschland aktiv beteiligen werde. Die von der EU Kommission gemachten Vorschlage seien eine gute Grundlage fiir eine Verbesserung des Regelwer- kes hin zu einem Skonomisch rationaleren und situationsgerechteren Paket. In der Vergangenheit habe es nicht selten eine sehr mechanistische Interpretation gegeben, die eine dkonomisch verninftige Fi- nanzpolitik behindert habe. Neben einer starkeren Gewichtung des Schuldenstandes und der Nachhal- tigkeit der Sffentlichen Finanzen gehe es auch darum, den landerspezifischen Spielraum bei Eréffnung des Defizitverfahrens und bei der Festlegung des jeweiligen Abbaupfades zu erhéhen, gleichzeitig aber auch mdglichst rechtzeitig bei der Korrektur einer falschen Finanzpolitik durch Frdhwarmungen anzusetzen. Mehrere Beiratsmitglieder weisen auf die Reformvorschlige des Wissenschaftlichen Beirats, insb. zur Einrichtung eines wissenschaftlichen Gremiums zur Objektivierung, sowie die Voratige der Regelbin- dung hin. Zum weiteren Meinungsaustausch ist ein Gesprich mit verein- bart, das im Januar den aktuellen Stand der Reformdebatte zum Thema hat. referiert abschlieBend den aktuellen Stand der Féderalismusreformdebatte. Die Abschluss- sitzung der Kommission sei fiir den 17. Dezember vorgesehen. Derzeit bestehe u.a. Bewegung bei den Fragen der Starkung der Effizienz in der Steuerverwaltung (z.B. Steuertausch Kfz-Steuer vs. Versiche- rungssteuer), Fragen der Gemeinschaftsaufgaben/Mischfinanzierungen, hinsichtlich der Mitwirkung der Lander nach Art. 84 GG bei der Gesetzgebung sowie beim Besoldungsrecht. berichtet anschlieBend tiber Ergebnisse einer Anhérung im Finanzausschuss des Bundesta- ges zu Fragen der Bekimpfung des Umsatzsteuerbetrugs. UI, _ Mitteilungen des Vorsitzenden
IV. Feststellung der Tagesordnung Die Tagesordnung wird in der vorliegenden Form gebilligt. Vv. Bemerkungen zum Protokoll Das Protokoll wird ohne Anderungen angenommen. Vi. Gutachten .. Haushaltskrisen im Bundesstaat* Der Beirat berat den iberarbeiteten Entwurf des Gutachtens (Stand November 2004) allgemein und als Textiiberarbeitung bis einschi. Kap. 3.3., S. 31, Z. 14. Einvernchmlich gednderte Formulierungen kon- nen der Anlage entnommen werden. Zunachst wird die Zielrichtung des Gutachtens diskutiert. Es wird angemerkt, dass die diskutierten MaBnahmen fokussiert bewertet werden sollten, um von dort aus einen Vorschlag zu entwickeln. Eine wichtige Orientierung biete die Notwendigkeit, die Fehlanreize bei Hilfen zu verringern, sowie die Unterscheidung zwischen Regelungen vor dem Eintreten der Krise und Verfahren beim Eintreten einer Krise; Beides miisse geklart werden. Wahrend erginzende weitergehende Vorschlige eef auch Ver- im Kern ex ante Regeln sein sollten, innerhalb des bestehenden institutionellen Rahmens der Bundes- republik bewegen. Es wird geklart, inwieweit sich dieses Gutachten von dem vom Wissenschaftlichen Beirat beim BMWA derzeit erarbeiteten Gutachten zur Bail-out-Problematik abgrenzt. Von einigen Beiratsmit- gliedern wird angemerkt, dass es fiir ein ,,No-Bail-Out* klare verfassungsrechtliche Grenzen gebe und dass es sich aufgrund politischer HandlungszwAnge auch nicht ohne weiteres realisieren lasse. Vor diesem Hintergrund analysiere das BMF-Gutachten auch die Haushaltskrise von Beginn bis Ende die- ses Prozesses. Auferdem sei methodisch das ,,No-Bail-Out* auch problembehaftet (passive Sanierung, Problem der deutlichen Spiirbarkeit; Autonomie der Lander erforderlich). Ein Beiratsmitglied stellt
-6- klar, dass das Gutachten den Ansatz institutionalisierter Verhandlungen vertrete. Dabei kénne der F6- deralismus als Chance fiir geeignete Checks und Balances dienen, wenn die Kompetenzen der Akteure geeignet definiert sind. Im Rahmen der Textdiskussion wird von einigen Beiratsmitgliedern vorgeschlagen, bei der Beschrei- bung der Ausgangslage auch die Zinsbelastungen des Bundes zum Vergleich deutlich zu machen. Au- Berdem sei bei der Darstellung des Saarlandes (S. 1, Z. 23-25) eine Relativierung dahingehend not- wendig, dass der Schuldenabbau weitestgehend nur relativ zu den anderen Flachenlandern erreicht wurde, deren Schulden tiberproportional angestiegen seien. Mit Blick auf die kommunale Finanzsitua- tion (S. 3, Z. 13 ff.) sei die Problematik der Kassenkredite klarer zu formulieren, Einige Beiratsmitglieder fordern cine klare Darstellung (S. 4, Z. 10 ff.) der Inhalte der Abschnitte 3 und 4, namlich (1) Auswertung der Erfahrungen in Deutschland, (2) Vorschlage zum Haushaltsnotla- genverfahren, die auf den bestehenden institutionellen Rahmen in Deutschland aufbauen, sowie (3) in der Sache weitergehende und mit starkeren institutionellen Anderungen verbundene Vorschlage. Ins- besondere solle deutlicher gemacht werden, dass in Abschnitt 2 eine theoretische Diskussion geftihrt wird, die nicht auf die Situation und den institutionellen Rahmen Deutschlands zuriickgreift. Im Kontext der Diskussion um Finanzautonomie und Haushaltskrisen (Abschnitt 2.1.) wird von eini- gen Beiratsmitgliedern betont, dass die Frage der Verantwortlichkeit fiir die Haushaltskrise hier bereits anklingt, allerdings in diesem Kapitel keine Bewertung der Haushaltssituation vorgenommen werde. Es sei aber richtig, dass die Frage der Einnahmeautonomie auch fiir eine mégliche Verantwortlichkeit der betrachteten Gebietskérperschaft von Bedeutung sei. Dies solle hier oder an anderer Stelle betont werden (vorgeschlagen wird S. 12ff.). Zum Abschnitt 2.2.1. ,,Versicherung gegen Finanzkrisen“ merken einige Beiratsmitglieder an, dass hier bereits ganz deutlich die Anreizprobleme aufzugreifen seien, die aus einem solidarischen Beistand resultieren, und zwar sinnvoller Weise als eigener Abschnitt 2.2.3. Hierzu werde ein Beiratsmitglied einen Formulierungsvorschlag entwerfen. Dabei solle textlich auch der notwendige Gleichklang zwi- schen Herrschaft und Haftung betont werden (Einschub S. 6, Z. 4). Von einem Beiratsmitglied wird angeregt, bei den Eingriffen im Falle von Finanzkrisen auch die Kre- ditvergabe als mégliche MaBnahme zu nennen (S. 7, Z. 31 ff.). Ein weiteres Beiratsmitglied wies dar- auf hin, dass konjunkturell verursachte Krisen notwendigerweise unverschuldet seien und von daher Hilfeleistung auslésen mtissten. In der Diskussion wird allerdings auf die finanzwirtschaftliche Puffer- funktion des Landerfinanzausgleichs verwiesen.
Zum Abschnitt ,,Beteiligung des Gliedstaates an den Kosten der Haushaltskrise“ (2.3.3., S. 11, Z. 21 ff.) wird einvernehmlich festgestellt, dass nur eine Unterscheidung zwischen den Akteuren Biirger, Politiker und Glaubiger die notwendige Differenzierung ermégliche. Auch hier wiirden sich im Ubri- gen wieder Anreizprobleme (Glaubwiirdigkeit, Abwanderungen bei Steuerfinanzierung) stellen, und der Aspekt der Einnahmeautonomie sei gerade an dieser Stelle vertieft zu thematisieren. Im Weiteren dreht sich die Diskussion um die zusatzliche Anwendung und konkrete Ausgestaltung ei- nes Insolvenzverfahrens (S. 12, Z. 13 ff.). Man verstandigt sich darauf, die jeweiligen Bedingungen und méglichen Mechanismen allgemein im Text anzusprechen. Ein Beiratsmitglied weist darauf hin, dass bei der Bedienung der Schulden eine differenzierte Kirzungsstruktur sinnvoll sei, bspw. durch Beriicksichtigung der Zeitabfolge der Kredite bei den Glaubigern. Problematisch sei dabei nach An- sicht eines anderen Beiratsmitglieds allerdings der darin angelegte Aspekt der Willkiir bzw. die zugrunde liegende Gerechtigkeitsvorstellung. Bei den Rahmenbedingungen seien insb. Aspekte wie der faktische Schutz des Vermégens vor Zugriffen, z.B. durch Lohn- und Pensionsabsicherung oder im Zusammenhang mit Immobilien, zu beriicksichtigen, deren detaillierte Analyse den Rahmen dieses Gutachtens allerdings sprengen wiirde. Bei der Bewertung der Verfahrensregein bei Finanzkrisen (2.3.5., S. 13, Z. 29 ff.) wird darauf hinge- wiesen, dass alle MaBnahmen auch Ex-ante-Wirkungen hatten, dass das Gutachten aber MaBnahmen diskutieren solle, die vor allem ex ante und damit méglichst vor Eintreten der Notlage wirken. Fir den Abschnitt 2.4.2. |,Verschuldungsgrenzen“ (S. 16, Z. 15 ff.) wird von einem Beiratsmitglied vorgeschlagen, ftir die Lander auf die Verschuldungsregeln vor der Haushaltsreform 1969 zuriickzu- kehren. Danach wire flr die Lander grundsatzlich eine Nullverschuldung vorgesehen, lediglich im In- vestitionsbereich sei eine objektorientierte Verschuldung erlaubt. Dagegen wiirde der Bund die Stabi- lisierungsaufgabe im Konjunkturverlauf tibemehmen und hatte vor diesem Hintergrund die Befugnis zur Verschuldung. Details, Ausgestaltung und Verfahren bei Verschuldungsgrenzen seien allerdings starker zu diskutieren, aber auch der empirische Befund zur Wirksamkeit sowie die Frage der Durch- setzung seien im Text weiter zu erértern. Bei der Diskussion der Alternative ,,Steuern“ auf dffentliche Verschuldung (S. 17, Z. 26) mlisse nach Auffassung eines Beiratsmitglieds beriicksichtigt werden, dass diese in Konflikt mit dem dt. Steuer- system treten k6nne, das eine Einheitlichkeit der Besteuerung im Bundesgebiet gebietet. Allerdings wird klargestellt, dass es sich bei dieser Lésung eher um eine Abgabe bzw. Pigou-Steuer handele.
-8- Bei der Frage der Sanktionen (Abschnitt 2.4.6.) wurde angeregt, auch positive Anreize stdrker in den Blick zu nehmen, wahrend die Gesichtspunkte der Umsetzung und der Erfahrungen mit Sanktionen im Rahmen der Bewertung (2.4.7.) zu klaren seien. Dabei sei generell die Méglichkeit der Einordnung der Vorschlage in das jeweilige institutionelle Umfeld zu beriicksichtigen. Klarungsbedarf wird bei den Indikatoren zur Diagnose von Haushaltsnotlagen gesehen hinsichtlich der Interpretation der Gleichung | im Text (S. 25, Z. 1), die im Ergebnis als stabilisierende, langfristige bzw, neutrale Defizitquote interpretiert wird. Hierza wird ein Beiratsmitglied einen Formulierungsvor- schlag (ggf. rein textliche Darstellung ohne Forme! oder Fallunterscheidung) erarbeiten. Im Weiteren (S. 29, Z. 29 ff.) wird gefordert, dass die im Gutachten prasentierten relativen MaBe erganzt werden miissten durch ein absolutes MaB bspw. ein langfristiges Nachhaltigkeitskriterium. Diese sollten ana- log zu den bestehenden Maastricht-Kriterien als absolute Grenzen fungieren. VIL __ Tagesordnung der nichsten Sitzung 1. Mitteilungen des Vorsitzenden I. Feststellung der Tagesordnung IH. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung IV. Gutachten ,,Haushaltskrisen im Bundesstaat* (Uberarbeitung sowie Gesprach mit Fachbeam- ten des Bundesfinanzministeriums) V. Gutachten ,,Bernessungsgrundlage der Einkommensteuer“ (Skizze) VI. Interne Sitzung (Wahlen) VIL Tagesordnung der nachsten Sitzung VI. = Verschiedenes Vil. Verschiedenes Entfallt. Berlin/Miinster, den |. Dezember 2004 Bez. g£ez,