Zur unionsrechtlichen Bewertung der Beschaffung von Impfstoffen durch Mitgliedstaaten nach Mandatierung derKommission zur Impfstoffbeschaffung

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Fachbereich Europa

 

Sachstand

Zur unionsrechtlichen Bewertung der Beschaffung von Impfstoffen
durch Mitgliedstaaten nach Mandatierung derKommission zur
Impfstoffbeschaffung

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© 2021 Deutscher Bundestag PE 6 - 3000 - 008/21
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Zur unionsrechtlichen Bewertung der Beschaffung von Impfstoffen durch Mitgliedstaaten nach
Mandatierung der Kommission zur Impfstoffbeschaffung

Aktenzeichen: PE 6 - 3000 - 008/21
Abschluss der Arbeit: 22.01.2021
Fachbereich: Fachbereich PE 6: Europa

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1. Fragestellung

Der Fachbereich soll zu der Frage Stellung beziehen, ob es mit dem Recht der Europäischen Uni-
on vereinbarist, wenn Deutschland nach Mandatierung derEU zur Beschaffung vom Impfstoffen
von solchen pharmazeutischen Herstellern einen Impfstoffbeschafft bzw. mit diesen entspre-
chende Verhandlungen führt, mit denen die EU Beschaffungsverträge bereits abgeschlossen hat.

Aufgrund der engen zeitlichen Vorgaben können die damit verbundenen europarechtlichen Fra-
gen nur summarisch erörtert werden.

2. Europarechtliche Grundlage der Mandatierung der Kommission

Die Verträge zwischen Europäischer Kommission und den Pharmaunternehmen basieren auf der
Verordnung (EU) 2016/369, dem sog. Europäischen Soforthilfeinstrument (nachfolgend: ESI).'
Das Soforthilfeinstrument wurde durch die Verordnung (EU) 2020/521 aktualisiert und an die
Gegebenheiten der COVID-19-Pandemie angepasst.

Nach Art. 4 Abs. 5 ESI kann eine Auftragsvergabe durch die Kommission im Namen der Mit-
gliedstaaten auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaa-
ten erfolgen. Eine der hierin vorgesehenen Optionen, von der vorliegend Gebrauch gemacht wor-

den ist, ist die Auftragsvergabe aufder Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Kommission
und den Mitgliedstaaten.

Die Auftragsvergabe durch die Kommission erfolgt im Namen der Mitgliedstaaten aufGrundlage
einer gemeinsamen Vereinbarung nach Art. 4 Abs. 5 lit. b) ESI. Mit Beschluss vom 18.06.2020?

befürwortet die Kommission einen mit den Mitgliedstaaten ausgehandelten Entwurf einer ge-
meinsamen Vereinbarung zur Beschaffung von Impfstoffen gegen COVID-19.

Am 12. Juni 2020 wurde die Kommission beauftragt, entsprechende Verhandlungen für alle 27
EU-Mitgliedstaaten zu führen.’

3. Mögliche Bindungswirkung eines Mitgliedstaates nach Mandatierung der Kommission

Aus der wirksamen Mandatierung der Kommission, entsprechende Beschaffungsverträge abzu-
schließen, folgt allerdings noch nicht ohne Weiteres, dass mandatierende Mitgliedstaaten daran
gehindert wären, mit den gleichen Unternehmen, mit denen die Kommission auf dieser Grundla-
ge Lieferverträge abschließt, ihrerseits Lieferverträge abzuschließen.

Eine solche Schlussfolgerung legt allerdings Art. 7 ESI-Agreement im Anhang zum Kommissi-
onsbeschluss vom 18.6.2020 nahe.

 

Commission Decision of 18.6.2020 approving the agreement with member States on procuring on behalfof the
Member States and related procedures, C (2020) 4192 final mit der Vereinbarung im Anhang.

’ BMG Fragen zum Thema Impfstoff 0.D.
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By signing the present Agreement, the Participating Member States confirm their participation in
the procedure and agree not to launch their own procedures for advance purchase of that vac-
cine with the same manufacturers.

In case an APA containing an obligation to acquire vaccine doses has been concluded with a
specific manufacturer, the Member States having made use ofthe opt-out provided underthe
present Agreement can enter into separate negotiations with the same manufacturer afterthe
APA underthe present Agreement has been signed.

Hiernach verpflichten sich diemandatierenden Mitgliedstaaten, keine eigenen Verhandlungen

zum Vorabkauf des gleichen Impfstoffes der gleichen Hersteller zu führen, die bereits vom Be-
schaffungsmandat der Kommission umfasst sind.

Der Kommissions-Beschluss C(2020) 4192 final hebt in seinem Erwägungsgrund 3 hervor, dass
ein einziges zentrales Beschaffungsverfahren im Namen aller Mitgliedstaaten durchgeführt wer-
den soll, um auf EU-Ebene Vorabkaufvereinbarungen - "AP As" - mit Impfstoffherstellern zu un-
terzeichnen. Im Gegenzuge sollen die hieran teilnehmenden Mitgliedstaaten das Recht erhalten
und dazu verpflichtet sein, eine bestimmte Anzahl von Impfstoffdosen innerhalb eines bestimm-
ten Zeitrahmens und zu einem bestimmten Preis zu kaufen.

In orderto implement such action, the Commission has offered to run a single central procure-
ment procedure on behalf of all Member States, with a view to signing EUlevel Advance Purchase
Agreements (“APAs”) with vaccine manufacturers. Those APAs would include up-front EU fi-
nancing to de-risk essential investments in order to increase the speed and scale of manufactur-
ing successful vaccines (“Vaccine Instrument”). In return, the APAs would provide the right - or
under specific circumstances the obligation - to Participating Member States to buy a specific
number of vaccine doses within a given timeframe and at a given price.

Art. 7 ESI-Agreementist mithin so zu verstehen, dass teilnehmende Mitgliedstaaten sich dazu
verpflichten, keine Verhandlungen mit Impfstoffherstellern zu solchen Impfstoffen zu führen, die
vom Beschaffungsmandat der Kommission umfasst sind.

Von einer solchen Verpflichtung geht auch das Papier des BMG Fragen zum Thema Impfstoff auf
Seite 2 aus:

Das Mandat (Emergency Support Instrument- Agreement (ESI)-Agreement), das im Anschluss an
den Ministerrat vom 12. Juni 2020 schriftlich von allen EU-Mitgliedstaaten unterstützt wurde, sah
ausdrücklich vor, dass die teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten keine eigenen Abschlüsse einer
Abnahmegarantie für den Impfstoff mit demselben Hersteller einleiten (Art. 7 ESI-Agreement).

Art. 4 ESI-Agreement eröffnet teilnehmenden Mitgliedstaaten die Option, sich aus den Verpflich-
tungen der von der Kommission abgeschlossenen Vorkaufsverträgen (APA) zu befreien, wenn
diese innerhalb von fünf Tagen, nachdem die Kommission ihre Absicht zum Abschluss des APA
mitgeteilt hat, dies der Kommission ausdrücklich mitteilen.

Nach Art. 7 Abs. 2 ESI- Agreement sollen die Mitgliedstaaten dann berechtigt sein, getrennte Ver-
handlungen mit demselben Hersteller aufzunehmen. Von dieser Option. hatte Deutschland offen-
bar keinen Gebrauch gemacht.
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Gleichwohl gab es deutsche Bemühungen, von BionTech bilateral Impfstoffe zu beschaffen, wie
dem Papier des BMG Fragen zum Thema Impfstoff auf Seite 10 zu entnehmen ist.

Deshalb hat das BMG am 8. September 2020 eine vorvertragliche Absichtserklärung in Form ei-
nes Memorandum of Understanding mit der Firma geschlossen, in der BioNTech sich zur Liefe-
rung von 30 Mio. Impfdosen für Deutschland zusätzlich zur geplanten EU-Lieferung verpflichtet.
Die Umsetzung dieser Absichtserklärung in eine verbindliche Bestellung inklusive der Lieferter-
mine ist Gegenstand laufender Verhandlungen.

Die Kommission hatte zwar nicht mit BioNTech sondern BioNTech-Pfizer Beschaffungsverträge
abgeschlossen.‘

Dies dürfte weder dem Inhalt noch dem Grundgedanken des Art. 7 Abs. 2 ESI-Agreement ent-
sprechen, da diese Vereinbarung den Vorabkauf des gleichen Impfstoffes der gleichen Hersteller
durch mandatierende Mitgliedstaateri ausschließt. Dafür dürfte nicht relevant sein, dass BioN-
Tech und BioNTech-Pfizer möglicherweise unterschiedliche Unternehmen sind, soweit es sich
bzgl. des von der Kommission zu beschaffenden Impfstoffes nicht auch um verschiedene Herstel-
ler handelte.

Es bestehen aber begründete Zweifel, ob Vereinbarungen nach Art. 7 Abs. 2 ESI-Agreementrecht-
lich verbindlich sind.

Art. 4 Abs. 5 lit. b) VO 2016/369 beschränkt sich darauf, für die Auftragsvergabe durch die Kom-
mission im Namen der Mitgliedstaaten das Erfordernis einer Vereinbarungzwischen der Kom-
mission und den Mitgliedstaaten vorzugeben, ohne die in Art. 7 Abs. 2 ESI- Agreement vorgese-
hene Vereinbarung als Option bereits vorzusehen. Ob eine auf Art. 122 Abs. 1 AEUV gestützte
Verordnung so etwas überhaupt regeln könnte, wäre mit Blick daraufproblematisch, dass die
Beschaffung von Impfstoffen prinzipiell in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt.
Nach Art.6S. 2 lit. a AEUV steht derEU lediglich die Kompetenz für Unterstützungs-, Koordi-
nierungs- und Ergänzungsmaßnahmen zu. Die Gesundheitspolitik fällt bis aufwenige Ausnah-
men in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten (Art. 168 Abs. 7 AEUV).’ Die Reichweite
der auf Grundlage des Art. 122 Abs. 1 AEUV im Falle gravierender Versorgungsschwierigkeiten
eröffneten Beschaffungskompetenz der EU dürfte maßgebend mit Blick auf die ihr Grenzen set-
zenden prinzipiellen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nach Art. 168 Abs. 7 AEUV zu bestim-
men sein. Es wäre mithin sehr fraglich, ob eine Regelung auf Grundlage des Art. 122 Abs. 1
AEUV getroffen werden könnte, nach der Mitgliedstaaten von ihren Zuständigkeiten nach Art.
168 Abs. 7 AEUV - insb. für die medizinische Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereit-

gestellten Mittel’ - keinen Gebrauch machen dürften, falls die.-EU im Bereich des Gesundheitswe
sens tätig wird.

Rat Informal video conference of European affairs ministers, Monday 18 January 2021 Dok 6/2021 S. 3;
COM(2021) 35 final A united front to beat COVID-19 S. 1.

Dazu besonders im Hinblickauf die COVID-19-Pandemie Seitz, Schutz vor Epidemien und Pandemien in der
Europäischen Union, EuZW 2020, S. 449 ff.

6 Art. 168 Abs. 7 S. 2 AEUV.
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Auch der Kommissions-Beschluss C(2020) 4192 bildet keine sekundärrechtliche Grundlage für
Vereinbarungen nach Art. 7 Abs. 2 ESI-Agreement, da über Maßnahmen nach Art. 122 Abs. 1

AEUV derRat in der Rechtsform von Entscheidungen, Beschlüssen, Richtlinien oder Verordnun-
gen’ beschließt.

Es dürfte daher viel dafür sprechen, dass die in Art. 7 Abs. 2 ESI-Agreement vorgesehenen Ver-
einbarungen sekundärrechtlich nicht (wirksam) geregelt sind. Mit Blick darauf könnte eine recht-

liche Verbindlichkeit einer Vereinbarung nach Art. 7 Abs. 2 ESI- Agreement erst durch die ge-
troffene Vereinbarung selbst entstehen.

Die Rechtswirksamkeit einer Vereinbarungi.S.d. Art. 7 Abs. 2 ESI-Agreement setzte voraus, dass
die Kommission als Unionsorgan mit einer Regierung eines Mitgliedstaates bilateral Verträge
schließen könnte.

Das bilaterale Verhältnis von EU und Mitgliedstaaten außerhalb der Unionsrechtsordnung ist
völkerrechtlicher Natur. Die durch Art. 47 EUV derEU eröffnete Möglichkeit, völkerrechtliche
Verträge einzugehen, kann nur innerhalb des Kompetenzrahmens der EU wahrgenommen wer-
den. Da das Verhältnis zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten durch das EU-Recht abschlie-
Bend geregelt ist, bleibt außer in Fällen, in denen Rechtsfragen Sachgebiete betreffen, zu denen
die Mitgliedstaaten Sonderrechte - etwain Gestalt von opt-out-Regelungen - für sich in An-
spruch nehmen können, kein Raum für vertragliche Beziehungen der EU mit einzelnen oder
allen Mitgliedstaaten.’

Demgemäß eröffnet Art. 216 AEUV der EUnur dieMöglichkeit, mit einem oder mehreren Dritt-

ländern oder einer oder mehreren internationalen Organisationen eine Übereinkunft zu schlie-
Ben.

Die Beschaffungsmöglichkeiten von Impfstoffen sind aber unionsrechtlich geregelt, indem
Art. 122 Abs. 1 AEUV derEU Handlungsoptionen bei gravierenden Versorgungsschwierigkeiten

auf Grundlage eines Ratsbeschusses hierzu eröffnet, zugleich hierfür aber eine Regelzuständigkeit
der Mitgliedstaatenin 168 Abs. 7 AEUV besteht.

‘Abkommen mit einem (Dritt-)Land schließt die Union zudem in dem durch Art. 218 AEUV vor-
gegebenen Verfahren. Vereinbarungen zwischen einem Unionsorgan und einem Verfassungsor-

Bandilla, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 122 AEUV Rn.14.

Dies sind Bereiche, in denen einzelne Mitgliedstaaten bestimmte Integrationsfortschritte, durch als sog. Opt-
outs charakterisierte Politikbereiche, insbesondere in Bezug auf die Wirtschafts- und Währungsunion und den
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, nicht mitvollzogen haben. Auf opt-out Politikfelder be-
schränkt sollen auch völkerrechtliche Verträge zwischen EU und Mitgliedstaaten möglich sein; vgl. Giegerich,
in: Pechstein/Nowak/Häde, FrankfurterKommentar EUV/GRC/AEUV (2017) Art. 216 Rn. 57. So dürfte z.B, auch
das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Französischen Republik über die Anwendung der
Rechtsvorschriften der Union über die Besteuerung von Zinserträgen und die Zusammenarbeit der Verwal-
tungsbehörden im Bereich der Besteuerung auf die Gebietskörperschaft von Saint-Barthelemy, ABlL 330, 10 zu
deuten sein. - \

Giegerich, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRG/AEUV (2017) Art. 216 AEUV Rn. 57.
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gan eines Staates— der Kommission und der Regierung eines Staates — erfüllen diese Anforde-
rungen naturgemäß nicht."

4, Verletzung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV)

Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet die EU und die Mitgliedstaaten zu ge-
genseitigen Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten. Die Mitgliedstaaten sind hiernach um-
fassend zur Unterstützung der Union bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen
ergeben (Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 EUV), sowie die Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den
Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, verpflichtet und gehalten, eine
Gefährdung der Verwirklichung der Ziele der Union zu vermeiden." Dies kann etwa dadurch
geschehen, dass Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Durchsetzung des Unionsrechts hintertreiben’
bzw. Unionsorganebei der Erfüllung ihrer Aufgaben behindern." Die Mitgliedstaaten sindauch
bei der Ausübung ihrer Kompetenzen - soweit Ziele der Union und deren Zuständigkeit berührt
sind - gehalten, es zu unterlassen, die Verwirklichung der Ziele der Union zu gefährden oderin
ihrer Wirksamkeit zu beeinträchtigen (Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 EUV).“

Ob Deutschland den Grundsatz derloyalen Zusammenarbeit dadurch verletzt hat, dass esnach
Mandatierung derEU zur Beschaffung von Impfstoffen parallel zu der darauf gestützten Beschaf-
fungsinitiative der EU mit einem pharmazeutischen Hersteller Vertragsverhandlungen zum Be-
zug eines Impfstoffes führt, obgleich die EU bereits mit diesem Hersteller und zum gleichen
Impfstoff vertragliche Lieferpflichten vereinbart hatte, hängt davon ab, ob dies Auswirkungen hat
auf die Vertragsbeziehung der Kommission zu BioNTech-Pfizer, etwa dergestalt, dass dieser Her-
steller seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Union deshalb nicht mehr (im vollen
Umfang) nachkommen würde, insb. weniger Impfdosen oder später als vertraglich vereinbart
liefern würde, oder wenn infolge bilateraler Verhandlungen die Kommission mit höheren Preis-
forderungen oder ungünstigeren sonstigen Vertragsbedingungen wie Lieferfristen bei künftigen
Bestellungen konfrontiert würde bzw. dieser Hersteller mit ihr keine weiteren Verträge abschlie-
Ben würde, weil Mitgliedstaaten günstigere Konditionen anbieten. Ob die deutschen Beschaf-
fungsbemühungen (künftig) entsprechende Marktmachtpositionen der EU bzw. von BioNTech-
Pfizer verändern, dürfte maßgebend auch davon abhängen, in welchem Umfang von anderen
Herstellern zugelassene Impfstoffe angeboten werden. Dazu liegen diesseits keine Erkenntnisse
vor. Eine abschließenderechtliche Bewertung kann daher nicht vorgenommen werden.

- Fachbereich Europa -

 

10 Vgl. EuG, Beschluss v. 28.2.2017, Rs. T-192/16 Rn. 56 mit dem Hinweis, dass ein Abkommen des Europäischen
Rates mit der Republik Türkei außerhalb des in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahrens stehe.

n Dazu näher Franziuüs, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (2017) Art. 4 EuV
Rn. 105 ff.

12 Franzius, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (2017) Art. 4EuV Rn. 109.
13 EuGH, Urt. v. 7.5.1987, Rs. 186/85 Rn. 39.

14 Vgl. dazu Schill/Krenn, in; Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rn. 69.
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