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Newsletter vom 14. Mai 2023

Tödliche Polizeieinsätze

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Hallo!
 

Nur etwa zwei Minuten Zeit nehmen sich die Polizist*innen am 8. August 2022, um Mouhamed Lamine Dramé in einer Jugendhilfeeinrichtung in Dortmund anzusprechen – kurze Zeit später töten ihn fünf Schüsse aus der Maschinenpistole eines Polizisten. Ein Betreuer hatte Mouhamed mit einem Messer gegen sich selbst gerichtet im Hof kauernd entdeckt. Letztlich wurde er von den Menschen getötet, die ihn davon abhalten sollten, sich umzubringen.


Jedes Jahr erschießen Polizist*innen Menschen, die in einer psychischen Ausnahmesituation sind. In einer Kooperation mit ZDF Die Spur ist Aiko aus unseren Investigativ-Team der Frage nachgegangen, wie gut Polizist*innen auf solche Situationen vorbereitet sind. Dafür hat er 38 Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an Innenministerien, Landespolizeien und Polizeischulen gestellt. Schulungsunterlagen, Handlungsanweisungen und interne Vorgaben sowie Statistiken der Polizei hat er so angefordert.


Im Rahmen der Recherche können wir außerdem erstmals das viel besprochene und seit 5 Jahren immer wieder angefragte Geheimpapier der Polizei NRW veröffentlichen.

 

Es fehlt massiv an Wissen

Die Auswertung der nur teilweise beantworteten Anfragen zeigte, dass es schlichtweg an Zahlen fehlte, um das Ausmaß des Problems bewerten zu können. Manche Behörden verwiesen nur darauf, dass sie zu diesem Thema keinerlei Unterlagen hätten.


Zur konkreten Einsatzpraxis, insbesondere mit Bedrohungssituationen, findet sich in den wenigen Unterlagen, die wir aus einzelnen Bundesländern erhalten haben, fast nichts. Auch Nordrhein-Westfalen, wo Mouhamed Dramé erschossen wurde, gab nur wenig Einblick in die polizeiliche Ausbildung. Die dortige  Polizeihochschule schickte eine Liste von potentiell verwendeten  Lehrtexten mit Titeln wie „Psychische Störungen – Erkennen, Verstehen,  Intervenieren“ oder „Die Gefährlichkeit von Begegnungen der Polizei mit  psychisch auffälligen Personen im Einsatz“. Welche Inhalte sich genau aus den Schulungsmaterial für die Ausbildung ergeben und welche Schlüsse daraus für die Praxis gezogen werden, bleibt unklar. Konzepte zur Kommunikation werden als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und bleiben geheim.

Polizei will „gewaltfähiger“ werden

Was jetzt nicht mehr geheim ist, ist das 26-seitige Expertenpapier von 2017 aus dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW. Wie nun alle nachlesen können, wird darin empfohlen, dass die Polizei „gewaltfähiger“ werden muss und „an Robustheit zulegen“. Dies spiegelt sich bereits in der Praxis der letzten Jahre wieder: Die Polizei hat stark aufgerüstet. Maschinenpistolen werden standardmäßig in Streifenwagen mitgeführt. Der Einsatz von Tasern wird vermehrt getestet.

Viel Zeit und Klagen für investigative Recherchen

Das Expertenpapier wurde vom Innenministerium NRW erst nach unserer gemeinsamen Klage mit Janik Besendorf herausgegeben. Auf Antworten vieler Behörden wartet Aiko immer noch. Dennoch zeigt die Recherche sehr gut, wie IFG-Anfragen zur Aufklärung beitragen und Licht auf Versäumnisse in diesem Fall der Polizei scheinen können. Vor allem wenn den Behörden klar wird, dass wir unseren Auskunftsanspruch auch gerichtlich durchsetzen.


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Beste Grüße aus Berlin
Judith und das gesamte FragDenStaat-Team