Bezirksamt Neukölln von Berlin
Abteilung Finanzen und Wirtschaft
Ordnungsamt / Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung
Bezirksamt Neukölln von Berlin, 12040 Berlin Mit Zustellungsurkunde
Herrn
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Geschäftszeichen: (bitte immer angeben) Ord VetLebL - VIG-143/2019
Bearbeiter/in: ### ###
Dienstgebäude:
### ###, 12051 Berlin
Zimmer: ### ###
Tel: (030) 90239 - 3443 intern: ### ###
Fax: (030) 90239 - 53732
<<E-Mail-Adresse>>
(bei Nutzung der E-Mail Adresse erfolgt keine elektronische Zugangsöffnung gem. & 3a Abs. 2 Satz 1 VwVfG)
Datum: 22.05.2019
Ablehnung Ihres Antrages auf Informationserteilung gem. Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
Sehr geehrter Herr ###,
Ihrem Antrag vom 22.05.2019 auf Informationserteilung nach dem Gesetz zur Verbesserung
der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (VIG), eingereicht über das
Internetportal der Organisation „Foodwatch“ mit der Bezeichnung „Frag-den-Staat.de“, wird nicht entsprochen.
Ihr Ersuchen bezog sich auf den Betrieb: „Marin“,
Ziegrastraße 1, 12057 Berlin
Bei der Herausgabe von Daten ist zu befürchten, dass die angeforderten Informationen durch Sie rechtswidrig auf der Internetplattform „Topf Secret“ (foodwatch/FragDenStaat) veröffentlicht werden.
Das VIG sieht eine Veröffentlichung der behördlichen Informationen über das Internet durch die Verbraucher bzw. durch foodwatch/FragDenStaat aber gerade nicht vor.
Auf Grundlage des VIG erlangte behördliche Informationen sind ausschließlich für den
Antragsteller bestimmt und dürfen nicht über das Internet veröffentlicht werden. Zudem ermächtigt $ 40 Abs. 1 a LFGB ausschließlich die zuständige Behörde zur Veröffentlichung von Hygienemängeln unter den dort genannten Voraussetzungen. Dabei müssen die hohen verfassungsrechtlichen Hürden beachtet werden, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 21. März 2018 aufgezeigt hat. Weder bei Ihnen noch bei foodwatch/FragDenStaat handelt es sich um die gesetzlich ermächtigten Behörden.
Ich muss davon ausgehen,dass die zur Verfügung gestellten Informationen über den Betrieb über dieses Portal an die Öffentlichkeit gelangen werden und über das Internet abrufbar sein werden.
Ein solches Vorgehen ist als missbräuchlich gemäß 8 4 Absatz 4 VIG einzustufen.
Von hier sind Maßnahmen zu ergreifen, um Veröffentlichungen über „Topf Secret“ zu unterbinden.
Ihr Antrag wird daher abgelehnt.
Die vorgesehene Veröffentlichung ist als unzulässige Umgehung des $ 40 Abs. 1a LFGB und der \Verfassungsmäßigkeit des Verbraucherinformationsgesetzes im Lichte der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.März 2018, 1 BvF 1/13 zu sehen. Zwar handelt es sich vorliegend um kein staatliches Informationshandeln im Sinne einer
unmittelbaren Veröffentlichung. Staatliches Handeln liegt jedoch auch grundsätzlich bereits in der behördlichen Herausgabe der Informationen an die antragstellenden Privatpersonen. Amtliche Informationen kommen einem Eingriff in die Berufsfreiheit aber jedenfalls dann gleich, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielen, indem sie die Grundlagen von Konsumentscheidungen zweckgerichtet beeinflussen und die Markt- und Wettbewerbssituation zum Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 -, juris).
Das Schutzbedürfnis eines Unternehmens vor einer aktiven staatlichen Veröffentlichung
unrichtiger Informationen ist ungleich größer als in den Fällen der antragsveranlassten individuellen Einsichtsgewähr.
Denn die Öffentlichkeitsinformation, die - wie etwa eine produktbezogene Warnung - auf Initiative des Staates erfolgt, ist ihrer Intention nach auf eine unmittelbare Unterrichtung des Marktes gerichtet. Der Staat nimmt in diesem Fall selbst am öffentlichen Kommunikationsprozess teil und wirkt unmittelbar auf ihn ein. Er selbst wählt dabei die Informationen aus, die er bekannt geben will. Die Informationen sollen für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich dargestellt werden (8 6 Abs. 1 Satz 4 VIG). Informationen, die der Staat in einem solchen Sinne direkt an alle Markteilnehmer richtet, finden eine breite Beachtung. Sie wirken sich auf die Wettbewerbsposition eines am Markt tätigen Unternehmens mit einer deutlich größeren Intensität aus als die
Informationsgewährung an einen einzelnen Antragsteller (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 15.6.2015 - 7 B 22.14 - juris Rn. 12 und BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - 20 BV 15.2208 -, Rn. 54, juris).
Bei einer staatlichen Informationsweitergabe an einen Antragsteller, der seinen Antrag über die Plattform „Topf Secret“ stellt, die aufgrund der zu erwartenden Veröffentlichung auf der Plattform in ihren Auswirkungen einer unmittelbaren staatlichen Information sehr nahe kommt, kann hierdurch beim Leser der Eindruck eines behördlichen Informationshandelns entstehen. Weiterhin ist zu berücksichtigen ist, dass der Staat - im Gegensatz zu einer eigenen Veröffentlichung der Informationen im Internet, vgl. & 6 Abs. 1 Satz 3 VIG - nach Herausgabe der Informationen an den Antragsteller auf den öffentlichen Kommunikationsprozess auf der von foodwatch/FragDenStaat betriebenen Plattform gerade nicht mehr einwirken kann.
Da der Behörde eine Entfernung von Informationen aus dem Internet eben dann nicht mehr
möglich ist, wäre die Veröffentlichung von Informationen über (inzwischen beseitigte) Mängel im betroffenen Betrieb auch eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 -, juris und VG Würzburg, Beschluss vom 08. Januar 2018 - W8S 17.1396 -, juris).
Eine Abwägung der gegenläufigen Interessen des Antragstellers und des Betriebes fällt
vorliegend zugunsten des Betriebes aus. Nach Auffassung der Behörde überwiegt hier das Interesse des Betriebes an einer Nichtherausgabe der Informationen, insbesondere da eine
Herausgabe der Kontrollberichte an den Antragsteller und damit die entsprechende Kenntnisnahme durch den Antragsteller und ggf. die Veröffentlichung nicht mehr rückgängig
gemacht werden könnte und der Informationszugang für den betroffenen Betrieb zu erheblichen Nachteilen führen kann. Eine Herausgabe würde somit vollendete Tatsachen
schaffen. Demgegenüber ist kein vorrangiges Interesse des Antragstellers an der der beantragten Informationen ersichtlich.
Schwere und unzumutbare Nachteile aufgrund der Nicht-Zugänglichmachung der Informationen drohen für den Antragsteller damit gerade nicht.
Dieser Bescheid ist gemäß 8 7 VIG gebührenfrei.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Bezirksamt Neukölln von Berlin -Ordnungsamt-, Karl-Marx-Str. 83, 12040 Berlin oder auf elektronischem
Weg durch E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur an die Email-Adresse neukoelln.berlin.de zu erheben. Es wird darauf hingewiesen, dass bei schriftlicher Einlegung des Widerspruchs die Widerspruchsfrist nur dann gewahrt ist, wenn der Widerspruch innerhalb dieser Frist eingegangen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag