6 K 924/21.WI
06.05.2022
VERWALTUNGSGERICHT WIESBADEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Verwaltungsstreitverfahren
Andre Meister,
<< Adresse entfernt >>, << Adresse entfernt >>
Kläger
bevollmächtigt:
Rechtsanwalt Nico Sander,
Sternstraße 102, 20357 Hamburg
- AM ./. BKA-21-I -
gegen
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundeskriminalamt Wiesbaden,
dieses vertreten durch den Präsidenten,
Thaerstraße 11, 65193 Wiesbaden
- ZV 14-3 0527.04-5/21 Beklagte -
beigeladen:
Firma Elaman GmbH,
Baiersbrunnerstraße 15, 81379 München
bevollmächtigt:
CUROS Rechtsanwälte PartmbB,
Englschalkinger Straße 12, 81925 München,
- 00065/22 FB / Z / FB -
wegen
Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz
hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden - 6. Kammer - durch
Richter am VG Dr. Buus als Einzelrichter
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2022 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung der Ziff. 1 des Bescheides vom 14.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2021 verpflichtet, dem Kläger die Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag über die Erstellung eines Gesamtsystems vom 13./14.03.2013 ohne die Schwärzungen der Angaben in den jeweiligen Kopfzeilen der Vertragsseiten und des Deckblatts, des Namens der Auftragnehmerin und deren Geschäftsführers im Vertragsrubrum, des Pauschalfestpreises unter Ziffer 1.2 (Vergütung) und der Anlagenbezeichnungen in der Anlagenliste zu Ziffer 1.3.1 (Vertragsbestandteile) zur Verfügung zu stellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers haben die Beklagte und der Beigeladene jeweils zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Erteilung von Auskünften nach dem Informationsfreiheitsgesetz in Bezug auf eine Ergänzungsvereinbarung zwischen der Beklagten und deren Auftragnehmerin über die Erstellung des sogenannten Staatstrojaners geltend. Hierbei handelt es sich um eine Software, die das BKA beschafft hat, um eine sog. Quellen-TKÜ im Bereich der Terrorismusbekämpfung vornehmen zu können. Dabei erfolgt eine vom Verdächtigen unbemerkte Infiltration seines Rechners oder sonstigen Endgeräts mit dem Ziel, Kommunikationsinhalte zu überwachen und zu sichern und auf Server des BKA zu überspielen.
Zu dem Hauptvertrag von 2013, der die ursprüngliche Beschaffung dieser Software durch das BKA betrifft, war bereits 2015 eine Auskunftsklage nach dem IFG unter dem Aktenzeichen 6 K 687/15.WI beim Verwaltungsgericht Wiesbaden anhängig. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Auf den Entscheidungstext wird Bezug genommen.
Mit E-Mail vom 08.08.2019 beantragte der Kläger über
www.fragdenstaat.de gegenüber der Beklagten die Auskunft bezüglich "aller Änderungen des Vertrags zwischen BRD/BMI/BKA und Elaman/Gamma über Technologie zur Quellen-TKÜ/Online-Durchsuchung (Vertragsnummer B3.10-1839/12/VV:1) einschließlich aber nicht beschränkt auf eventuelle Änderungen, Verlängerungen, Kündigungen sowie eventuelle weitere damit zusammenhängende Verträge für Upgrade, Support etc.".
Mit Bescheid vom 14.10.2020 gewährte die Beklagte dem Kläger Einsicht in eine geschwärzte Abschrift des Vertrags unbekannten Datums und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Sie erhob Gebühren in Höhe von 97,50 EUR. Die Schwärzung sei nach § 7 Abs. 2 S. 1 IFG wegen geheimhaltungsbedürftiger Informationen erforderlich. Der Anspruch sei insoweit nach § 3 Nr. 1 lit. c i.V.m. § 3 Nr. 2 IFG ausgeschlossen, weil die Einsichtnahme in die geschwärzten Passagen des Vertrags Rückschlüsse auf das Gesamtsystem, die Hardware, eventuelle Schwachstellen sowie polizeiliche Methoden/Einsatztaktik ermöglicht würden. Das hindere die Wirksamkeit der Quellen-TKÜ und ermögliche Hackerangriffe auf das System. Das habe Auswirkungen auf die vom Vertragspartner weiterentwickelten und gepflegten Systeme beim BKA. Zudem habe die Elaman GmbH nur eingeschränkt in die Veröffentlichung des Vertrags eingewilligt, was im Rahmen des § 6 IFG zu berücksichtigen sei. Für den bei der Bearbeitung des Antrags entstandenen Aufwand für 1,5 Stunden eines Mitarbeiters im gehobenen Dienst sei die Gebühr von 97,50 EUR zu erheben.
Per Mail über
www.fragdenstaat.de legte der Kläger am 02.11.2020 Widerspruch ein. Die Schwärzungen seien zu weitreichend, die Ausschlussgründe seien zu weitgehend ausgelegt. Die Vorgaben der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vom 4. September 2015 (6 K 687/15.WI) würden nicht umgesetzt. Eine Begründung einzelner Schwärzungen fehle. Das BKA habe sich daran zu orientieren, welche Informationen es bereits infolge des Urteils von 2015 herausgegeben habe. Die Schwärzung des Auftragnehmers sei unsinnig, da dieser bereits bekannt sei. Was im Hauptvertrag ungeschwärzt sei (wie Datum, Vertragsnummer, etc.), müsse auch im vorliegenden Ergänzungsvertrag ungeschwärzt sein. Da die Schwärzungen rechtswidrig seien, dürfe auch keine Gebühr für den hierdurch entstandenen Aufwand erhoben werden. Außerdem rechtfertige ein hohes öffentliches Interesse die Gebührenfreiheit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2021 hielt die Beklagte an ihrer Entscheidung fest und wies den Widerspruch unter Bezug auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid zurück.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Juli 2021 hat der Kläger Klage erhoben. Er gab als Adresse "c/o
Netzpolitik.org, Schönhäuser Allee 6/7,
<< Adresse entfernt >>" an. Er trägt vor, die Beklagte sei ihrer Pflicht, jede einzelne Schwärzung individuell zu begründen, nicht nachgekommen. Ihr Vortrag sei pauschal und floskelhaft. Die Vorgaben aus der Entscheidung des VG Wiesbaden von 2015 würden missachtet. Der Pauschalfestpreis sei kein Betriebsgeheimnis. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die Vertragsangaben hard- und softwareseitige Komponenten der Beklagten enthielten. Es sei fernliegend, dass aus den vom Kläger begehrten Informationen eine wirksame Abwehr gegen eine Quellen-TKÜ ermöglicht werde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundeskriminalamtes vom 14. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bundeskriminalamtes vom 9. Juni 2021 zu verpflichten, dem Kläger die Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag über die Erstellung eines Gesamtsystems vom 13./14.03.2013 ohne die Schwärzungen der Vertragsüberschrift und der Vertragsnummer in den jeweiligen Kopfzeilen der Vertragsseiten und des Deckblatts, des Namens des Vertragspartners und dessen Geschäftsführers im Vertragsrubrum und des Pauschalfestpreises unter Ziffer 1.2 (Vergütung), der Anlagenbezeichnungen in der Anlagenliste zu Ziffer 1.3 (Vertragsbestandteile), sowie der Angabe auf der letzten Vertragsseite oberhalb des Unterschriftenfeldes der Auftragsgeberin zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Schwärzungen seien durch § 6 IFG und § 3 Nr. 1 lit. c, Nr. 2 IFG gerechtfertigt. Die konkrete Vertragsgestaltung sei Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Elaman GmbH, weil Rückschlüsse auf die konkrete Preisgestaltung der Firma und ihre Umsätze möglich seien, wenn man die diesbezüglichen Vertragsbestandteile nicht schwärze. Im Vertragswerk würden die hard- und softwareseitig vom BKA genutzten Komponenten aufgelistet. Mit entsprechenden Fachkenntnissen ließen sich Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit bzw. Schwachstellen dieser Komponenten ziehen. Folglich könnten Verdächtige durch Schutzmaßnahmen eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Komponenten herbeiführen und sich der Quellen-TKÜ entziehen. Durch die Veröffentlichung der Zahl an nutzbaren Lizenzen im Vertrag könnten die Überwachungskapazitäten des BKA offengelegt werden. Die Quellen-TKÜ komme nach § 20k Abs. 1 BKAG nur bei eklatanten Gefahrenlagen in Betracht; in solchen Situationen müsse eine geminderte Wirksamkeit wegen veröffentlichter Details der Software verhindert werden. Schließlich sei der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG erfüllt, weil die Vertragsbestandteile als Verschlusssache eingestuft seien.
Sämtliche vorenthaltene Vertragsbestandteile ließen sich unter diese Ausschlussgründe subsumieren, sodass eine Trennung nicht sinnvoll sei.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 82 Abs. 1 S. 2 VwGO keine Adresse angegeben habe. Er erwarte aber von der Beklagten Transparenz. Die Beigeladene schließe sich den Ausführungen der Beklagten an und verweise auf das seit 2019 geltende Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Anlagen sowie die Akte im Verfahren 6 K 687/15.WI Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
Die Klage ist statthaft als Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO, denn über die Herausgabe der begehrten Informationen, die als solche ein Realakt ist, hat die Beklagte eine rechtsgebundene Entscheidung zu treffen, die eine Prüfung der Verweigerungsgründe des Informationsfreiheitsgesetzes (im Folgenden: IFG) beinhaltet und teilweise abwägenden Charakter hat. Die Beklagte trifft damit eine rechtliche Regelung im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG, sodass das Klagebegehren auf einen stattgebenden Verwaltungsakt gerichtet ist (BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 7 C 23/17 -, juris Rn. 10). Das entspricht auch der Rechtsauffassung des Gesetzgebers, der in § 9 Abs. 4 IFG ausdrücklich die Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage anordnet.
Die Klage ist nicht unzulässig, weil der Kläger statt seiner Wohnanschrift nur die Anschrift seines Arbeitsplatzes angegeben hat. Nach § 82 Abs. 1 S. 1, 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift den Kläger bezeichnen, wozu nach allgemeiner Auffassung auch die Adresse gehört (Schoch/Schneider, VwGO/Riese, 41. EL Juli 2021, § 82 Rn. 7 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 14.02.2012 - 9 B 79/11 -, juris Rn. 7). Hierauf kann nur in besonderen Fällen verzichtet werden. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dient der Identifizierung und der Herstellung der Erreichbarkeit etwa auch im Fall der Vollstreckung einer Entscheidung.
Über die Arbeitsanschrift ist der Kläger ausreichend eindeutig identifiziert und auch ladungsfähig, wenn diese sowie der Zustellungsempfänger und dessen dortige Funktion so konkret und genau bezeichnet werden, dass von einer ernsthaften Möglichkeit ausgegangen werden kann, die Zustellung durch Übergabe werde gelingen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2016 - OVG 11 S 28.16 -, juris unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH). Der Kläger kann dort, wie er glaubhaft gemacht hat, regelmäßig angetroffen werden, sodass ihm dort Schriftstücke übergeben werden können (§ 177 ZPO). Er tritt, wie der Beigeladene in der Anlage zum Schriftsatz vom 20.04.2022 dargestellt hat, öffentlich für
Netzpolitik.org und damit unter der im Rubrum angegebenen Adresse auf. Er ist dort seit 10 Jahren festangestellt. Für das Gericht bestehen vor diesem Hintergrund keine Zweifel, dass eine Zustellung an den Kläger auch an seiner Arbeitsstelle gelingen wird.
Der Bescheid der Beklagten vom 14.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2021 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Herausgabe der Informationen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus § 1 Abs. 1 IFG.
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG hat jedermann nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, soweit nicht Verweigerungsründe nach §§ 3-6 IFG vorliegen. Amtliche Information ist jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung (§ 2 Nr. 1 IFG; hierzu s. auch VG Wiesbaden, Urt. v. 17.01.2022 - 6 K 784/21.WI).
Bei dem Kläger handelt es sich im eine natürliche Person und damit jedermann. Die begehrten, geschwärzten Vertragsinhalte sind auch amtlichen Zwecken, nämlich der Vertragserfüllung, dienende Aufzeichnungen.
Verweigerungsgründe bestehen nur insoweit, als der Kläger die Entschwärzung der Namensangabe oberhalb des Unterschriftenfeldes auf der letzten Seite des Ergänzungsvertrags begehrt. Da es sich um den Namen eines Amtsträgers der Beklagten handelt, steht der Herausgabe § 5 Abs. 4 IFG entgegen. Danach sind Name, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um den Namen des Unterzeichners und damit eines in den Verwaltungsvorgang einbezogenen "Bearbeiters" im Sinne des § 5 Abs. 4 IFG. Die Unterschriftsleistung ist Ergebnis der Vertretungsbefugnis und ist damit Folge der amtlichen Tätigkeit.
Allerdings gilt ein Ausnahmetatbestand.
Zu den Ausnahmetatbeständen des § 5 Abs. 4 IFG gehören jedenfalls die Verweigerungsgründe des § 3 IFG (BeckOK InfoMedienR/Guckelberger, IFG, 35. Ed. 1.2.2022, § 5 Rn. 29 m.w.N.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 110, der zurecht auf den deklaratorischen Charakter hinweist), weil diese auch für alle anderen amtlichen Informationen gelten und nicht erkennbar ist, dass der Gesetzgeber gerade die personenbezogenen Daten von Mitarbeitern in den von § 3 IFG erfassten Bereichen von dem Ausnahmetatbestand ausnehmen wollte, jedenfalls sofern ein Konnex der der Identifikation der Person mit amtlichen Aufgaben, die Grundlage für eine Verweigerung nach § 3 IFG sind, besteht.
Die innere und äußere Sicherheit im Sinne des § 3 Nr. 1 lit. c IFG umfasst den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder (BT-Drs. 15/4493, 9) unter Einschluss des Schutzes der Funktionsfähigkeit insbesondere der nichtmilitärischen Einrichtungen des Staates im Sicherheitsbereich (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.03.2012 - OVG 12 B 27.11 -, juris Rn. 34; BeckOK InfoMedienR/Schirmer, IFG, 35. Ed. 1.2.2022, § 3 Rn. 61ff). Hiervon abzugrenzen ist die in § 3 Nr. 2 IFG genannte öffentliche Sicherheit.
Nach § 3 Nr. 2 IFG besteht ein Auskunftsanspruch nicht, soweit das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Unter der öffentlichen Sicherheit werden nach allgemeiner Auffassung die Individualrechtsgüter, die geschriebene Rechtsordnung und die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen verstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 - 7 C 20/15 -, juris Rn. 13).
Im vorliegenden Fall ist § 3 Nr. 1 IFG als lex specialis für den Bereich der Sicherheitsbehörden des Bundes und damit hier des BKA einschlägig.
Nachteilige Auswirkungen auf die innere und äußere Sicherheit im Sinne des § 3 Nr. 1 lit. c) IFG liegen vor, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beeinträchtigt. Die Feststellung der konkreten Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen setzt voraus, dass die informationspflichtige Stelle Tatsachen darlegt, aus denen sich im jeweiligen Fall eine Beeinträchtigung des Schutzgutes ergeben kann. Diese Einschätzung kann insbesondere bei Vorgängen, die eine typisierende Betrachtungsweise ermöglichen, auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen (BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 - 7 C 20/15 -, juris Rn. 18 m.w.N. zum Gefahrenbegriff). Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes hängt dabei nicht von der Person des konkreten Antragstellers ab; maßgeblich ist, ob das Bekanntwerden der Information objektiv geeignet ist, sich nachteilig auf das Schutzgut auszuwirken (BVerwG, Urteil vom 27.01.2014 - 7 C 12/13 -, juris Rn. 37 zum Gefahrenbegriff).
Darlegungsbelastet für das Vorliegen von Verweigerungsgründen ist der Anspruchsgegner, dem hierbei ein gewisser Einschätzungsspielraum zur Seite steht, soweit er die Behauptung nachteiliger Auswirkungen auf Erkenntnisquellen stützt, die er wiederum mit Blick auf die innere und äußere Sicherheit nicht preisgeben kann (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.03.2012 - OVG 12 B 27.11 -, juris Rn. 35 m.w.N.).
Die Darlegungen der Beklagten sind insoweit zwar oberflächlich geblieben. Es liegt für das Gericht aber insoweit auf der Hand und bedarf im vorliegenden Einzelfall keiner weitergehenden Vertiefung, als dass Namen von Mitarbeitern des BKA oftmals einem anerkennenswerten Geheimhaltungsbedürfnis im Sinne des § 3 Nr. 1 lit. c IFG unterliegen. Das BKA ist eine zentrale Polizei- und Sicherheitsbehörde; ihre Mitarbeiter sind im Bereich der Staatssicherheit und der Organisierten Kriminalität sowie dem Extremismus und Terrorismus und damit Bereichen mit hochgradig gefährlichen und gewaltbereiten Akteuren eingesetzt. Auf die Offenlegung von personenbezogenen Daten - und sei es auch nur Namen - von Mitarbeitern des BKA ist im hier betroffenen Bereich der Beschaffung von Software zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (§ 51 Abs. 1 BKAG i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 2 BKAG i.V.m. § 129a StGB) zum Erhalt der Funktionsfähigkeit des BKA und zum Schutz der in der Terrorismusbekämpfung und der Beschaffung von Software zur Terrorismusbekämpfung eingesetzten Mitarbeiter zu verzichten, deren Individualrechtsgüter im Sinne des § 3 Nr. 2 IFG betroffen sind. Das gilt jedenfalls für die Mitarbeiter außerhalb der in der Öffentlichkeit auftretenden Behördenleitung.
Im Übrigen stehen dem Auskunftsanspruch des Klägers keine Geheimhaltungsgründe entgegen.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten steht §§ 3 Nr. 1 lit c. i.V.m. § 3 Nr. 2, Nr. 4, § 6 IFG der Auskunft nicht entgegen.
Die Schwärzungen der Vertragsüberschrift und der Vertragsnummer in den jeweiligen Kopfzeilen der Vertragsseiten und des Deckblatts sind bereits deshalb aufzudecken, weil der Beklagte in der Verhandlung angegeben hat, dort stehe nur "Verschlusssache - Nur für den dienstlichen Gebrauch (VS-NfD)". Ein Geheimhaltungsbedürfnis ist insoweit nicht zu erkennen und wurde in der Verhandlung auch nicht mehr behauptet.
Ebenso ist der Name des Vertragspartners und dessen Geschäftsführers im Vertragsrubrum bereits bekannt; es handelt sich um die Beigeladene, deren Unternehmensdaten aus dem Handelsregister und dem Unternehmensregister öffentlich einsehbar sind.
Hinsichtlich des Pauschalfestpreises unter Ziffer 1.2 (Vergütung) gilt der Ausschlusstatbestand des § 6 IFG nicht. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Die Vorschrift ist im Kontext mit dem 2019 in Kraft getretenen Geschäftsgeheimnisgesetz (Gesetz vom 18.04.2019, BGBl I 2019, 466, im Folgenden GeschGehG) zu lesen.
Eine Einwilligung der Beigeladenen liegt nicht vor. Gleichwohl kann das Fehlen der Einwilligung hintanstehen, wenn eine Prüfung des Tatbestandsmerkmals "Betriebs- und Geschäftsgeheimnis" ergibt, dass es sich nicht um ein solches handelt.
Ein solches Geheimnis liegt nach § 2 Nr. 1 GeschGehG vor, wenn es sich um eine Information handelt, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist (a) und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist (b) und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht (c).
Es fehlt hier am berechtigten Geheimhaltungsinteresse.
Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ist ein objektives wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung der Informationen, was insbesondere dann gegeben ist, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BeckOK InfoMedienR/Guckelberger, IFG, 35. Ed. 1.2.2022, § 6 Rn. 26 m.w.N.). Dies lässt sich insbesondere anhand der Frage beurteilen, ob die Kenntnis bestimmter Daten Rückschlüsse auf die Betriebsführung, die Wirtschafts- und Marktstrategie und/oder die Kostenkalkulation und Entgeltgestaltung des Unternehmens zulässt (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.10.2007 - OVG 12 B 11.07 -, juris Rn. 29).
Ein Rückschluss auf die Betriebsführung der Beigeladenen oder ihre Kostenkalkulation ist hier nicht möglich und eine wettbewerbliche Beeinträchtigung nicht ersichtlich.
In Rede steht im vorliegenden Fall ein Pauschal(fest)preis, also ein Preis, der nicht aus einer Summe offengelegter einzeln kalkulierter Posten für Einzelleistungen besteht, und daher aufgeschlüsselt werden kann. Das geschwärzte Feld im Ergänzungsvertrags ist groß genug für eine mehrstellige Summe, nicht für eine Aufsummierung von bezeichneten Einzelposten. Ein Rückschluss auf die Betriebsführung der Beigeladenen oder ihre Kostenkalkulation ist in diesem Fall nur möglich, wenn ein mit Einzelpreisen hinterlegtes Leistungsverzeichnis offengelegt wird. Das ist hier nicht der Fall. Ein solches Leistungsverzeichnis ist im Vertrag selbst nicht enthalten; sofern die Vertragsanlagen eine Aufschlüsselung der Einzelposten anhand des Leistungsumfangs ermöglichen, sind sie nicht Gegenstand des Auskunftsanspruchs und auch nicht bekannt. Es ist daher nicht möglich, aus dem Pauschalpreis zu ersehen, wie die Beigeladene kalkuliert. Dazu kommt, dass es sich bei der Staatstrojaner-Software um ein Unikat handeln dürfte, das passgenau auf die Bedürfnisse des Auftraggebers zugeschnitten ist. Ein Vergleich mit Konkurrenzprodukten verspricht daher wenig Aussagekraft, weil diese über andere Beschaffenheiten verfügen dürften (so im Ergebnis auch die Kammer im Urteil vom 04.09.2015 - 6 K 687/15.WI -, juris Rn. 44).
Für das Vorliegen eines Verweigerungsgrundes nach § 3 Nr. 1 lit. c) i.V.m. § Nr. 2 IFG hinsichtlich der Anlagenbezeichnungen in der Anlagenliste zu Ziffer 1.3 (Vertragsbestandteile) ist die Beklagte darlegungsbelastet (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 04.09.2015 - 6 K 687/15.WI -, juris). Eine solche Darlegung ist nicht in substantiierter Weise erfolgt. Lediglich für Nr. 7 wurde erklärt, dass die Schwärzung rückgängig gemacht werden kann. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte die Beklagte nicht in für das Gericht nachvollziehbarer Weise darlegen, inwieweit eine Kenntnis der bloßen Anlagenbezeichnung (von deren Inhalt ist nicht die Rede) bereits eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Software bzw. der Tätigkeit des BKA in diesem Bereich erfolgen kann.
Nur ergänzend ist auszuführen, dass die bloße Kennzeichnung des Vertrags als Verschlusssache nicht ausreichend für die Annahme eines Verweigerungsgrunds im Sinne des § 3 Nr. 4 IFG ist. Abzustellen ist, ob die Sache materiell geheimhaltungsbedürftig ist, nicht bloß formell (BVerwG, Urteil vom 29.10.2009 - 7 C 21/08 -, juris Rn. 19 m.w.N.; VG Wiesbaden, Urteil vom 04.09.2015 - 6 K 687/15.WI -, juris Rn. 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Das Unterliegen des Klägers hinsichtlich des geschwärzten Namens am Ende des Vertrags ist gering. Die Kostenbeteiligung der Beigeladenen folgt aus § 154 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat in der Verhandlung einen Abweisungsantrag gestellt.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Hessische Verwaltungsgerichtshof.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Antrag ist bei dem
Verwaltungsgericht Wiesbaden
Mainzer Straße 124
65189 Wiesbaden
zu stellen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung erfolgt, beim
Hessischen Verwaltungsgerichtshof
Goethestraße 41 + 43
34119 Kassel
einzureichen.
Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof besteht Vertretungszwang (§ 67 Abs. 4 VwGO). Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird.
Der Antrag kann als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO sowie der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV -) in der jeweils gültigen Fassung eingereicht werden. Das elektronische Dokument muss entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 55a Abs. 3 VwGO).
Seit dem 1. Januar 2022 gilt nach § 55d VwGO ergänzend:
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach der VwGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 55a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 zur Verfügung steht. Ist eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.
DR. BUUS
Beglaubigt:
Wiesbaden, den 24.05.2022
Schilling
Justizbeschäftigte