Betreff: Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) - Ihr Antrag vom 09.10.2016
Bezug: Ihr Widerspruch vom 12.11.2016
Aktenzeichen: ZI3/2618.6/2-331 IFG
Datum: Bonn, 14.02.2017
Widerspruchsbescheid
Sehr
geehrtAntragsteller/in
Ihren Widerspruch vom 12.11.2016, hier eingegangen am 17.11.2016, gegen meinen Bescheid vom 31.10.2016 weise ich zurück.
Die Kosten des Verfahrens sind von Ihnen zu tragen. Es wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 30 EUR erhoben.
Begründung:
Mit Antrag vom 09.10.2016 beantragten Sie gemäß Informationsfreiheitsgesetz (IFG) die Übersendung eines in einem Artikel des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL" erwähnten Gutachtens der Bundesanstalt für Straßenwesen betreffend das vom Fahrzeughersteller Tesla als „Autopilot" bezeichnete System in Tesla-Fahrzeugen.
Ihr Informationszugangsbegehren habe ich mit Schreiben vom 31.10.2016 mit der Begründung zurückgewiesen, Ihrem Anspruch auf Informationszugang stehe der Ausschlussgrund des § 4 IFG (Schutz des behördlichen EntScheidungsprozesses) sowie der ungeschriebene verfassungsrechtliche Ausschlussgrund des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen.
Hiergegen haben Sie am 12.11.2016 Widerspruch erhoben, mit dem Sie geltend machen, der Ausschlussgrund des § 4 IFG sei nicht einschlägig. Da das Gutachten von einer anderen Behörde verfasst wurde, sei § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG einschlägig. Danach dienen Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung. Dieser Satz umfasse Behörden-externe Dritte und nicht etwa Verwaltungsexterne Dritte. Ob die Behörde im Geschäftsbereich des Ministeriums liegt, sei dabei unerheblich. Ferner führen Sie aus, auf den Ausschlussgrund des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung sei ebenfalls nicht zurückzugreifen. Hierzu verweisen Sie ohne nähere Begründung auf einen internen Vermerk des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, der unter
https://fragdenstaat.de/files/foi/559... abrufbar ist.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, so dass es bei meiner rechtlichen Beurteilung Ihres Informationszugangsbegehrens vom 31.10.2016 bleibt.
Ich bin gemäß § 73 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO auch für die Entscheidung über Ihren Widerspruch zuständig. Ihr Widerspruch ist zulässig, aber unbegründet.
1. Wie bereits in meinem Schreiben vom 31.10.2016 mitgeteilt, steht Ihrem Informationszugangsbegehren der Ausschlussgrund des § 4 IFG entgegen. Danach soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlichen Maßnahmen vereitelt würde. Diese Voraussetzungen liegen immer noch vor.
Das Gutachten der Bundesanstalt für Straßenwesen zum PKW Tesla Model S ist als entscheidungsvorbereitende Maßnahme unmittelbar wesentlich für den behördlichen Entscheidungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Derzeit wird durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geprüft, ob und ggf. welche Entscheidungen oder behördliche Maßnahmen in dieser Sache erfolgen werden. Der Erfolg dieser Entscheidung würde bei einer vorzeitigen Bekanntgabe des genannten Gutachtens vereitelt werden. Die Öffentlichkeit könnte sich dadurch bereits vorab eine bestimmte Meinung bilden und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wäre somit dem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt. Eine objektive und unabhängige Entscheidungsfindung innerhalb der Behörde wäre infolgedessen nicht länger gewährleistet.
Entgegen Ihrer Auffassung steht dem auch § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG nicht entgegen. Danach dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung. Ihrer Auslegung, § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG umfasse „Behörden-externe Dritte und nicht etwa Verwaltungs-externe Dritte", kann nicht gefolgt werden. Jedenfalls ist bei der Auslegung des Begriffes der „Behörde" ein weites Verständnis zugrunde zu legen. Auch die Behörden im Geschäftsbereich eines Ministeriums sind nicht Dritte im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen verfügt über eine besondere Fachexpertise, die im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur selbst nicht vorhanden, für dessen Arbeit aber essentiell ist. Dies war teils auch der Grund für die Einrichtung dieser Behörde im Geschäftsbereich dieses Bundeministeriums. Aufgrund der besonderen Fachexpertise sowie der technischen Ausstattung der Bundesanstalt für Straßenwesen war die Erstellung des genannten Gutachtens alleine dieser Behörde und nicht etwa dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur selbst möglich. Folgte man Ihrer Auslegung des § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG, so würde diese Vorschrift den Bundesministerien in der Praxis keinen Schutz ihres Entscheidungsprozesses bieten, da die Erstellung eigener Gutachten durch die Bundesministerien - eben aufgrund des Vorhandenseins nachgeordneter Behörden mit besonderen Fachexpertisen - ein Ausnahmefall ist. Aus diesem Grund findet § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG lediglich auf Gutachten privater Dritter Anwendung (vgl. Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, § 4, Rn. 25). Dieser Auslegung folgt auch die Rechtsprechung, die den Schutz des § 4 IFG selbst auf Gutachten der Länderbehörden (Innenministerien der Länder), deren Herausgabe aus dem Aktenbestand des Bundesministeriums des Innern beantragt wurde, erstreckt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.05.2013 - 12 S 23/13).
Darüber hinaus ist die von § 4 Absatz 1 Satz 2 IFG statuierte Herausgabepflicht nicht absolut. Danach dienen Gutachten Dritter nur „regelmäßig" nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung einer Behörde. Laut Gesetzesbegründung soll diese Vorschrift abgrenzbare Erkenntnisse erfassen, die die Verfahrensherrschaft der Behörde „typischerweise" nicht beeinträchtigen (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 12). Im Einzelfall kann somit eine abweichende Beurteilung gerechtfertigt sein. Wie bereits dargelegt, ist das genannte Gutachten der Bundesanstalt für Straßenwesen für die Vorbereitung der Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur aufgrund der darin zum Ausdruck gebrachten Fachexpertise essentiell. Die Bundesanstalt für Straßenwesen erforscht darin ein System, das neu auf den Markt der Straßenfahrzeuge eingebracht wurde. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur macht sich somit die Fachexpertise der Bundesanstalt für Straßenwesen im Bereich der Forschung zu neuen Lenk- und Fahrassistenzsystemen zunutze. Insbesondere im Bereich der Erforschung neuer Technologien ist es aber laut Gesetzesbegründung geboten, den Informationszugang erst nach Abschluss des Verfahrens zu eröffnen (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 12). Zudem würde, wie oben dargelegt, die vorzeitige Bekanntgabe des Gutachtens die Verfahrensherrschaft des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur beeinträchtigen.
2. Ferner steht Ihrem Informationszugangsbegehren auch § 3 Nummer 3 lit. b) IFG entgegen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. § 3 Nummer 3 lit. b) IFG schützt einen unbefangenen und freien Meinungsaustausch innerhalb der Behörde, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Wie bereits oben dargelegt, wird derzeit durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geprüft, ob und ggf. welche Entscheidungen oder behördliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem genannten Gutachten der Bundesanstalt für Straßenwesen erfolgen werden. Die Vertraulichkeit der Beratungen innerhalb des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur würde bei einer vorzeitigen Bekanntgabe dieses Gutachtens beeinträchtigt werden, da eine objektive und unabhängige Entscheidungsfindung nicht länger gewährleistet wäre.
§ 3 Nummer 3 lit. b) IFG bietet somit neben dem § 4 IFG einen ergänzenden Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses, auch wenn § 4 IFG nicht einschlägig wäre (vgl. Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, § 4, Rn. 26).
3. Schließlich steht Ihrem Informationszugangsbegehren auch der ungeschriebene Ausschlussgrund des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Dieser Ausschlussgrund schützt die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und ressortinternen Abstimmungsprozessen vollzieht. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich auch auf laufende Verfahren (vgl. BVerfGE, 67, 100 = NJW 1984, 2271, 2275).
Der von Ihnen zitierte Vermerk des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz geht schwerpunktmäßig der Frage nach, ob ein Informationszugangsbegehren nach dem IFG unter Berufung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung abgelehnt werden kann, soweit der Antrag abgeschlossene Vorgänge betrifft. Im Hinblick auf nicht abgeschlossene Vorgänge enthält der Vermerk lediglich den Hinweis, dass es wegen § 4 IFG keines Rückgriffes auf den Ausschlussgrund des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung bedarf. Allerdings besagt der Vermerk keinesfalls, dass dieser ungeschriebene Ausschlussgrund in den laufenden Verfahren nicht zum Tragen kommt.
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das im Jahr 2009 erneut bestätigt hat, dass laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen der Regierung zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung vom Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geschützt werden. Dies soll ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen verhindern (vgl. BVerfGE 124, 78 = NVwZ 2009,
1353, 1356).
4. Die Kostenentscheidung nach § 73 Absatz 3 Satz 2 VwGO ergeht gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 IFG in Verbindung mit § 10 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesgebührengesetzes in Verbindung mit § 1 Absatz 1 der Informationsgebührenverordnung (IFGGebV).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Widerspruchsbescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin erheben.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag