Sehr geehrter Herr Biethan,
vielen Dank für Ihre unten stehende Anfrage, die dem Referat StV 22 zuständigkeitshalber zur Beantwortung übergeben wurde.
Bund und Länder haben gemeinsam über die Beurteilung von abweichenden Reifenkombinationen an Krafträdern beraten und sich diesbezüglich auf eine gemeinsame Vorgehensweise verständigt. In seiner 166. Sitzung bat der Bund-Länder Fachausschuss Technisches Kraftfahrwesen (BLFA-TK) das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) diese abgestimmte Vorgehensweise im Verkehrsblatt zu veröffentlichen. Das BMVI hat diese Regelung am 15.08.2019 im Verkehrsblatt (VkBl. 2019, S. 530) im veröffentlicht.
Diese Regelung dient der Sicherstellung der Verkehrssicherheit und der Klarstellung. Mit der Verlautbarung wird klargestellt, in welchen Fällen eine Änderung der Bereifung möglich ist, ohne dass die Betriebserlaubnis des Kraftrads erlischt, und in welchen Fällen ein entsprechender Nachweis gemäß § 19 Absatz 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) erforderlich ist. So wird beispielsweise bei der Verwendung von Reifen, die breiter als die ursprünglich für den Fahrzeugtyp genehmigten Reifen sind, durch einen belastbaren Nachweis sichergestellt, dass der Bereich, in dem sich das betroffene Rad dreht, groß genug ist, damit die Bewegung des Rades und ggf. die Lenkung nicht behindert werden.
Den Inhalt dieses zwischen Bund und Ländern abgestimmten Beurteilungsverfahrens finden Sie auch auf der Internetseite des BMVI:
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artik…
Hintergrund der Unterscheidung zwischen EU-typgenehmigten Fahrzeugen und Fahrzeugen mit einer z.B. nationalen Einzelgenehmigung ist, dass die der Genehmigung der Krafträder zugrundeliegenden Prüfungen jeweils unterschiedlich sind.
Krafträder mit EU Typgenehmigung:
Im Rahmen der EU-Typgenehmigung von Krafträdern wird die Montage der Bereifung gemäß Anhang XV der delegierten Verordnung (EU) Nr. 3/2014 der Kommission vom 24. Oktober 2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die funktionale Sicherheit von Fahrzeugen für die Genehmigung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen bzw. Kapitel 1 Anhang III der vorangegangenen Richtlinie 97/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Bauteile und Merkmale von zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen geprüft. Dabei wird überprüft, ob der Bereich, in dem sich die Rad-/Reifenkombination dreht, groß genug ist, dass bei Verwendung der größten zulässigen Reifen- und Felgenbreiten die Bewegung der Rad-/Reifenkombination im Rahmen der Höchst- und Mindestangaben des Fahrzeug- bzw. Reifenherstellers - auch unter dem Gesichtspunkt der geschwindigkeitsbedingten Ausdehnung - nicht behindert wird.
Die Prüfungen werden dabei nicht mit dem eigentlichen Reifen durchgeführt, sondern mit einer Hüllkurve, die die größtmöglichen Reifenabmessungen der jeweiligen Reifengröße repräsentiert; d.h. inkl. aller gemäß Typgenehmigung nach UN R-75 (Reifentypgenehmigung) zulässiger Toleranzen. Da Diagonalreifen und Gürtelreifen mit Diagonalkarkasse grundsätzlich eine größere dynamische Ausdehnung haben als Radialreifen ist in dieser Hüllkurve auch deren größter dynamischer Ausdehnungsfaktur zu berücksichtigen.
So wird bei unveränderten EU-typgenehmigten Krafträdern sichergestellt, dass alle nach der UN Regelung Nr. 75 typgenehmigten Reifen in der für das Kraftrad freigegebenen Größe mit den freigegebenen Parametern verwendet werden können.
Wird die im Rahmen der EU-Typgenehmigung geprüfte und freigegebene Bereifung nachträglich geändert, beispielsweise durch die Montage eines breiteren Reifens, ist nicht mehr sichergestellt, dass die Reifenfreiraum noch ausreichend ist. Daher wird bei der Überprüfung einer geänderten Bereifung an Krafträdern insbesondere überprüft, ob der Bereich, in dem sich die Rad-/Reifenkombination dreht, groß genug ist, dass die Bewegung der Rad-/Reifenkombination nicht behindert wird.
Krafträder mit nationaler Genehmigung:
Im Falle einer nationalen Genehmigung, beispielsweise einer nationalen Einzelgenehmigung nach § 21 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) wird der Reifenfreiraum des zur Prüfung vorgestellten Fahrzeugs i.d.R. ausschließlich mit der vorgestellten Bereifung geprüft und diese Bereifung in der Genehmigung vermerkt. Wird diese geprüfte und freigegebene Bereifung nachträglich geändert, beispielsweise durch die Montage eines anderen Reifenfabrikats (weil beispielsweise der bislang verwendete Reifen nicht mehr hergestellt wird), ist nicht mehr sichergestellt, dass die Reifenfreiraum noch ausreichend ist. Daher bei einer Abweichung von der freigegebenen Bereifung stets ein Nachweis nach § 19 Absatz 3 StVZO bzw. eine Begutachtung erforderlich.
Ggf. ist zu empfehlen, sich im Vorfeld einer geplanten Änderung der Bereifung an einen technischen Dienst oder eine technische Prüfstelle zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen