Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Ihren mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 eingelegten Widerspruch ergeht folgender
WIDERSPRUCHSBESCHEID
1. Der Widerspruch gegen den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 12. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
2. Als Widerspruchsführer haben Sie die Kosten des Widerspruchsverfahrens mit Ausnahme der dem Bundesministerium der Verteidigung entstandenen Aufwendungen zu tragen.
3. Für die Bearbeitung Ihres Widerspruchs wird eine Gebühr in Höhe von 30,00 Euro erhoben.
Gründe
I.
Sie haben mit E-Mail vom 20. August 2020 auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gebeten, Ihnen „sämtliche Berichte des BMVg, insbesondere aus dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ in Bezug auf den in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 7/433 genannten Vorfall am 19. Juni 2020, bei dem es offenbar einen Pushback durch die griechische Marine gab (...)“ zu übersenden.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2020 wurde Ihr Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass einer Herausgabe der amtlichen Informationen die Herausgabeverweigerungsgründe des § 3 Nr. 4 und Nr. 1a) IFG entgegenstünden. Die antragsgegenständlichen Informationen seien als „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ (VS-NfD) eingestuft. Bei den Dokumenten handele es sich um Berichte über die NATO-Aktivität in der Ägäis und etwaige Handlungen der griechischen Marine bzw. Küstenwache. Deren Offenlegung ermögliche die Kenntnisnahme von NATO-Verfahren der Operationsführung und Rückschlüsse auf die Informationsgewinnung im Einsatzraum.
Aus den vorgenannten Gründen sei eine Offenlegung der erbetenen Informationen nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Verschlusssachenanweisung (VSA).
Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 7/433 des Herrn MdB Hunko unter Verweis auf die ebenso nach VSA eingestufte Beantwortung der Frage 26 von Frau MdB Amtsberg erfolgt sei (BT-Dr. 19/20347). Zudem sei eine Herausgabe der erbetenen Informationen auch nach § 3 Nr. 1a) IFG ausgeschlossen, da bei einer Offenlegung die Gefahr nachteiliger Auswirkungen auf die deutsche Teilnahme an der NATO Aktivität in der Ägäis und auf die generelle Zusammenarbeit im Rahmen der NATO sowie auf die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland bestünde.
Demzufolge sei eine Herausgabe nach § 3 Nr. 4 und Nr. 1a) IFG nicht möglich.
Gegen den ablehnenden Bescheid legten Sie mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 Widerspruch ein. Darin führen Sie aus, dass nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.10.2009
(BVerwG 7 C 21.08) der Anspruch auf Zugang zu einer Information nicht allein deshalb nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen sei, weil die Information formal als Verschlusssache eingestuft ist.
Darüber hinaus sei nach Ihrer Bewertung ein „Rückschluss auf Informationsgewinnung im Einsatzraum“ tatsächlich zu begrüßen, wenn dadurch bekannt werde, wie Menschenrechtsverletzungen begangen würden. Nach Ihrer Bewertung sei es möglich, dass sich deutsche Einsatzkräfte strafbar gemacht und Menschenrechtsverletzungen begangen hätten. Daher könne nicht von „nachteiligen Auswirkungen“ auf internationale Beziehungen gesprochen werden, wenn der Zugang zu den begehrten Informationen zur Aufklärung derartigen Fehlverhaltens und dessen künftiger Vermeidung beitrage. Vielmehr bestehe ein besonders hohes öffentliches Interesse an den antragsgegenständlichen Informationen.
II.
1. Der zulässige Widerspruch ist unbegründet. Die Ablehnung des Zugangs zu den antragsgegenständlichen Informationen erfolgte zu Recht.
a)
In Ihrem Widerspruch führen Sie richtig aus, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG die bloße formale Einstufung einer Information als Verschlusssache für die Annahme des Her-
ausgabeverweigerungsgrundes des § 3 Nr. 4 IFG nicht ausreichend ist. Vielmehr ist auch die materielle Richtigkeit der Einstufung als Verschlusssache erforderlich.
Vorliegend liegen diese Voraussetzungen entgegen Ihrer Auffassung jedoch vor. In dem von Ihnen angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2020 wurde - wie unter I. bereits ausgeführt — ausführlich und plausibel dargestellt, aus welchen materiellen Erwägungen eine Einstufung der Informationen als „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ (VS-NfD) erfolgte. Diese Gründe bestehen weiterhin fort. Demgemäß könnte eine Offenlegung der Informationen Rückschlüsse auf Operationsführung und Informationsgewinnung im Einsatzraum ermöglichen, folglich nachteilige Auswir-
kungen auf die NATO-Aktivität in der Ägäis sowie für die bilateralen Beziehungen von Deutschland und Griechenland haben und somit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Verschlusssachenanweisung nachteilig sein.
In diesem Zusammenhang weise ich nochmals darauf hin, dass entsprechende parlamentarische Anfragen ebenso nicht öffentlich beantwortet, sondern die diesbezüglichen Fragen als
Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad VS-NfD bereitgestellt wurden. Mithin greift Ihr Einwand, dass vorliegend die Informationen nur formal als Verschlusssache eingestuft worden seien, nicht durch,
b)
Hinzukommt, dass - wie bereits ebenso im Bescheid vom 12. Oktober 2020 dargestellt - einer Offenlegung der Informationen aufgrund möglicher nachteiliger Auswirkungen auf die
Zusammenarbeit im Rahmen der NATO, mit dem NATO-Partner Griechenland und die bilateralen Beziehungen von Herausgabeverweigerungsgrund des Deutschland § 3 Nr. 1a) IFG und
Griechenland entgegensteht. Insbesondere
der das Bekanntwerden der bereits unter II. 2 a) benannten und eingestuften NATO-Einsatzgrundsätze und die Herausgabe diesbezüglicher Informationen sind geeignet, den
Interessen der vorgenannten Institution bzw. des Bündnispartners damit die bestehenden internationalen Beziehungen zu schädigen.
Folglich wurde zu Recht im Ausgangsbescheid das Herausgabeverweigerungsgrundes nach § 3 Nr. 1a) IFG angenommen. Darüber hinaus liegen Widerspruchsverfahren auch nach nochmaliger die Voraussetzungen Überprüfung des der zuwiderzulaufen und Vorliegen des Entscheidung im Herausgabeverweigerungsgrundes des § 3 Nr. 1b) IFG vor.
Schutzgüter der Regelung sind militärische Belange der Bundeswehr, d.h. Angelegenheiten, die die Aufstellung und den Einsatz der Streitkräfte betreffen und sonstige sicherheitsempfindliche Belange, d.h. Informationen aus nichtmilitärischen Bereichen der Bundeswehr, die Rückschlüsse auf schutzwürdige sicherheitsrelevante Sachverhalte zulassen. Nach der Gesetzesbegründung zum IFG erfassen militärische Angelegenheiten der Bundeswehr auch Informationen zu Auslandseinsätzen und zur Bündnisverteidigung, namentlich die NATO und die EU betreffend.
Aus den bereits gemachten Ausführungen ergibt sich, dass eine Offenlegung der Informationen Rückschlüsse auf das Vorgehen der Streitkräfte in derartigen (und vergleichbaren) Einsätzen, die diesbezügliche militärische Zusammenarbeit und NATO-Einsatzgrundsätze auf taktischer Ebene ermöglichen könnte. Eine Kenntnisnahme durch unbefugte Dritte könnte dazu führen, die derzeit noch laufenden bzw. vergleichbare (ggf. auch künftige) Aktivitäten zu erschweren bzw. empfindlich zu stören. In Folge wären nachteilige Auswirkungen auf militärische Belange der Bundeswehr zu besorgen.
Somit liegt damit auch der Herausgabeverweigerungsgrund des § 3 Nr. 1b) IFG vor.
d) In der Gesamtschau liegen somit die Herausgabeverweigerungsgründe des § 3 Nr. 4, Nr. 1a) und Nr. 1b) IFG vor. Auch Ihr Einwand, wonach es Ihrer Ansicht nach durchaus möglich sei, dass sich deutsche Einsatzkräfte strafbar gemacht und Menschenrechtsverletzungen begangen hätten und somit ein besonders hohes zu berücksichtigendes öffentliches Interesse an den antragsgegenständlichen Informationen bestehe, greift nicht durch. Vorliegend stehen Ihrem Antrag die Herausgabeverweigerungsgründe des § 3 Nr. 4, Nr. 1a) und Nr. 1b) IFG entgegen.
In § 3 IFG sind - vom Gesetzgeber selbst in der amtlichen Überschrift des § 3 so bezeichnete - besondere öffentliche Belange normiert, deren Beeinträchtigung zum Ausschluss des An-
spruchs auf Zugang zu amtlichen Informationen führt. Somit handelt es sich um einen absoluten Ausschlusstatbestand, dessen Verweigerungsgründe zwingend zur Versagung des Informationszugangs (hier Nr. 4, Nr..1a) und Nr. 1b)) führen. Eine Abwägung mit den von Ihnen geschilderten Interessenlagen findet daher nicht statt. Ebenso ist der Behörde kein
Ermessen darüber eingeräumt, die geschützten Informationen gleichwohl herauszugeben. Nach alldem wurde Ihnen die Herausgabe der erbetenen Informationen zu Recht verweigert
und wird Ihr Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Für die Dauer der Widerspruchsbearbeitung darf ich nochmals um Entschuldigung bitten. Sie war im Wesentlichen pandemiebedingten
Bearbeitungsverzögerungen und hiesigen Personalausfällen geschuldet.
II
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 Abs. 3 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).
2.
Die Gebührenentscheidung ergibt sich aus § 10 IFG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFGGebV). Entsprechend Nr.
5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 IFGGebV ist bei vollständiger Zurückweisung des Widerspruchs eine Gebühr von mindestens 30,00 Euro zugrunde zu legen.Vorliegend wurde die (Mindest-) Gebühr von 30,00 Euro festgesetzt. Ich bitte Sie, den Betrag innerhalb eines Monats zu überweisen an
Kontoinhaber: Bundeskasse Halle
Bankinstitut: Deutsche Bundesbank, Filiale Leipzig
IBAN: DE38 8600 0000 0086 0010 40
BIC: MARKDEF1860
Bitte geben Sie bei der Zahlung folgenden Verwendungszweck an:
Widerspruchsbescheid BMVg R I 1,
Az: 39-22-17/-1428, Kassenzeichen: 917790500223
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, erhoben werden.
Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand Klage beim des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsa-
chen und Beweismittel sollen angegeben werden. Der Klage nebst Anlagen sollen so viele Abschriften beigefügt werden, dass alle Beteiligten eine Ausfertigung erhalten können.
Mit freundlichen Grüßen