Sehr
geehrteAntragsteller/in
zu Ihrer Anfrage per E-Mail-Nachricht vom 02.11.2020 über die Plattform ‚FragDenStaat‘ nehmen wir wie folgt Stellung:
Entgegen Ihrer Auffassung und Ihrer Hinweise auf Vorgänge der Universität Bremen und der Universität Hamburg, lehnen wir der Antrag auf Informationszugang im vorliegenden Fall gemäß § 8 IFG NRW zum berechtigten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ab.
Begründung:
1) Rechtliche Grundlage
Nach § 8 Satz 1 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Nach § 8 Satz 3 IFG NRW gilt Satz 1 nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre.
2) Rechtliche Würdigung des Sachverhalts:
a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnis
Der Antrag auf Übermittlung einer Übersicht über die Zahlungen, die die Hochschule im Jahr 2020 an Zoom Video Communications Inc. geleistet hat, betrifft ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nach § 8 Satz 1 des IFG NRW.
Der Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses ist im IFG NRW selbst nicht legaldefiniert, sondern wird von diesem so vorausgesetzt, wie er in der Rechtsprechung entwickelt ist (Entwurf eines Gesetzes über die Freiheit des Zuganges zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, LT-Drs. 13/1311 vom 12.6.2011, 13). Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis werden allgemein alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2009 – 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113). In diesem Sinne findet sich auch eine Definition in § 2 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG). Ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht dann, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 – 7 C 2/09, NVwZ 2010, 189). Das schutzwürdige Interesse bemisst sich danach, ob ein verständiger Unternehmer Informationen der betreffenden Art geheimhalten würde. Davon ist insbesondere bei solchen Informationen auszugehen, die den Kernbereich der betrieblichen Informationssphäre betreffen. Schutzwürdig sind in erster Linie Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Kalkulationsunterlagen etc. Auch konkrete Vertragsgestaltungen können geschützt sein (vgl. Seidel, in: Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 8, Rz. 878 ff.).
Nach Maßgabe dieser rechtlichen Grundsätze stellt die Information über den Preis bzw. die Zahlungen für die Zoom-Software ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis dar. Der Preis ist das Ergebnis von Kalkulationen und von anschließenden Vertragsverhandlungen, die in hohem Maße die genannten schutzwürdigen Parameter in Bezug nehmen. Die Kenntnis hierüber betrifft in höchstem Maße die betriebliche Informationssphäre und die wettbewerbliche Position insbesondere gegenüber anderen Marktteilnehmer mit Konkurrenzprodukten.
b) Wirtschaftlicher Schaden
Durch die Offenbarung dieser Information droht auch ein wirtschaftlicher Schaden im Sinne des Ausschlusstatbestands des § 8 Satz 1 IFG NRW.
Ein Schaden ist jede Einbuße an einem Recht oder Rechtsgut. Wirtschaftlich ist der Schaden, wenn letztlich das Vermögen eine Einbuße erleidet bzw. die Gefahr für eine solche Einbuße droht. Die Offenbarung eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses kann dabei auch in der Schwächung der Wettbewerbssituation bestehen, die sich auch nur mittelbar auswirken kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.08.2015 – 15 A 97/13, Rz. 99 ff., abrufbar unter
www.justiz.nrw.de). Durch die Offenbarung des endgültigen Preises für die Zoom-Videosoftware, also einer individuell ausgehandelten Vertragskondition, ließe sich – insbesondere für Konkurrenten, aber auch für andere anfragende Einrichtungen – erkennen, unter welchen Bedingungen die Beteiligten offenbar bereit sind, miteinander Geschäftsbedingungen einzugehen, die derartige Produkte betreffen. Für die FH Bielefeld droht als nachfragende Stelle die Gefahr, dass die Voraussetzung für die – haushaltsrechtlich gebotene – wirtschaftliche Beschaffung von derartigen Produkten erheblich nachteilig beeinflusst werden könnte. Für das Unternehmen Zoom Video Communications entstünde durch die Offenlegung des Preises ein wirtschaftlicher Schaden dahingehend, dass ihre Marktsituation absehbar nachhaltig verschlechtert würde. Konkurrenten des Unternehmens würde durch die Kenntnis der Informationen in die Lage versetzt, die erkennbare Preispolitik des Unternehmens zu durchkreuzen oder ihr bei Abschluss gleichgelagerter Verträge zuvorzukommen, indem sie bessere Preisbedingungen anbieten können als das Unternehmen Zoom Communications. Das führt zu einem substantiellen Marktnachteil im Sinne des § 8 IFG NRW, mithin also zu einem wirtschaftlichen Schaden.
c) Interessenabwägung nach § 8 Satz 3 IFG NRW
Der Ablehnungsgrund des § 8 Satz 1 IFG NRW ist vorliegend nicht gemäß § 8 Satz 3 IFG NRW ausgeschlossen.
Nach dieser Vorschrift gilt § 8 Satz 1 IFG NRW nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre. Das Interesse der Allgemeinheit ist entsprechend dem Zweck des Gesetzes ‑ interessierten Personen Zugang zu einer bestimmten amtlichen Information zu verschaffen - anhand des Kreises der von einem Verwaltungshandeln im weitesten Sinne Betroffenen zu bestimmen. Ist ein Interesse der Allgemeinheit festzustellen und der zu erwartende wirtschaftliche Schaden geringfügig, fällt die Abwägung regelmäßig zugunsten der Informationsfreiheit aus. Ob ein Schaden geringfügig ist, ist jedoch im Lichte des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG zu beurteilen, unter dessen Schutz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen. Dieser verfassungsrechtliche Schutz indiziert wiederum, dass die Geringfügigkeit eines wirtschaftlichen Schadens grundsätzlich nur ausnahmsweise anzunehmen ist und ein Informationszugang demgegenüber nur in Frage kommt, wenn er zum Schutz eindeutig höherrangiger Rechtsgüter der Allgemeinheit erforderlich ist (vgl. zu den vorgenannten Rechtsausführungen insgesamt: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.08.2015 – 15 A 97/13, Rz. 99 ff., abrufbar unter
www.justiz.nrw.de.)
Im vorliegenden Fall sind derartige höherrangige Rechtsgüter der Allgemeinheit weder ersichtlich, noch wurden sie bislang von Ihnen vorgetragen.
3) Ergebnis
Im Ergebnis ist die Ablehnung des Antrags auf Informationszugang auf Grundlage des § 8 IFG NRW rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit freundlichen Grüßen