Sehr << Antragsteller:in >>
Ihr Einwand ist berechtigt. Nach interner Rücksprache mit der Lebensmittelüberwachung des Fachdienstes Veterinärwesen wurden dort seit 2019 100 Anfragen nach dem VIG gestellt.
Dabei wurde immer gefragt, wann die letzten beiden lebensmittelrechtlichen Kontrollen stattgefunden hätten. Dies wurde in allen Fällen beantwortet, alle Anfragen wurden also zumindest zum Teil positiv beschieden.
Lediglich die Bitte, die Kontrollbögen der letzten beiden Kontrollen mitzusenden, wurde abgelehnt. Dies beruht auf folgender Begründung, die in Schleswig-Holstein durch das Justizministerium ausgearbeitet wurde und im gesamten Land umgesetzt wird (Auszug aus einem entsprechenden Bescheid):
"Die Stattgabe Ihres Antrages als auch dessen teilweise Ablehnung beruhen auf § 5 Abs. 2 und 3 VIG.
Für die Entscheidung bin ich gem. § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 VIG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 14 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden auf dem Gebiet des Lebensmittel-, Wein-, und Futtermittelrechts (LWFZVO) i.V.m. § 6 Abs. 2 VIG zuständig.
Den nach § 4 Abs. 1 VIG erforderlichen Antrag auf Information haben Sie in hinreichend bestimmter Form gestellt.
Von einer Anhörung des in Rede stehenden Betriebes nach § 87 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (LVwG) konnte gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VIG abgesehen werden, da die zu gewährenden Informationen solche i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG darstellen und den Betrieb nicht übermäßig belasten.
Die Entscheidung über Ihren Antrag erfolgt fristgerecht. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VIG muss die Behörde über einen Antrag auf Informationsgewährung grundsätzlich innerhalb einer einmonatigen Regelfrist entscheiden. Die Frist verlängert sich jedoch „bei Beteiligung Dritter“ nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VIG auf zwei Monate. Der Begriff des Beteiligten ist hierbei über den Verweis in § 5 Abs. 1 VIG entsprechend der Regelung in § 78 LVwG auszulegen. Aufgrund der Dreieckskonstellation sind Dritte im Sinne der Vorschrift die betroffenen Lebensmittelunternehmer, die materiell durch den Auskunftsanspruch belastet werden, da Daten, die sie betreffen, nachgefragt werden (vgl. Heinicke in Zipfel/Rathke Lebensmittelrecht, 171. EL Juli 2018, VIG § 5 Rd. 7). Da der in Rede stehende Betrieb somit als Dritter i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 VIG anzusehen ist, gilt eine zweimonatige Frist. Die Frist beginnt mit dem Eingang des vollständigen und vorbehaltslosen Antrags. Ihr Antrag ist bei uns derart am * eingegangen, d.h. dass die Entscheidungsfrist erst am * abgelaufen wäre.
Der Umfang dieses Bescheides richtet sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) VIG. Danach hat jeder nach Maßgabe des VIG Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den Abweichungen getroffen worden sind. Darunter fallen grundsätzlich konkrete Kontrollmaßnahmen und mögliche Verstöße einzelner Betriebe (sog. „Verstoß-Daten“, vgl. BeckOK InfoMedienR/Rossi, 22. Ed. 1.5.2018, VIG § 2 Rn. 32).
Für Ihren Antrag bedeutet dies konkret, dass ich ihm insoweit stattgebe, als dass ich Ihnen Zugang zu Informationen über die Termine der letzten beiden amtlichen lebensmittelrechtlichen Kontrollen des in Rede stehenden Betriebes gewähren werde.
Soweit Sie eine Auskunft über etwaige Beanstandungen im Rahmen dieser Kontrollen sowie eine Herausgabe entsprechender Kontrollberichte für den Fall, dass Beanstandungen vorlagen, begehren, lehne ich Ihren Antrag hingegen ab.
Dies begründet sich in dem Umstand, dass Sie Ihren Antrag über die Internetplattform Topf Secret gestellt haben. Intention der dort standardisiert erstellten VIG-Anträge ist nicht allein die Erfüllung des individuellen Auskunftsbegehrens des Antragsstellers, sondern vielmehr und maßgeblich die anschließende Veröffentlichung der Informationen auf der Internetplattform. Dies wird sowohl aus den eingangs zitierten Hinweisen als auch durch den Umstand, dass in der Vergangenheit schon zahlreiche Korrespondenzen mit den für die Informationsgewährung zuständigen Behörden veröffentlicht worden sind, zweifelsohne deutlich. So wurden durch die Internetplattform sogar extra die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass eine Veröffentlichung automatisiert erfolgen kann.
Ein staatliches Informationshandeln, dass zu einer unbegrenzten Veröffentlichung von sämtlichen Verstößen eines Unternehmens gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften beiträgt, ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungswidrig. Dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 40 Abs. 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Nach dieser Norm sind Lebensmittelüberwachungsbehörden bei bedeutsamen Verstößen gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften dazu verpflichtet, diese von Amts wegen zu veröffentlichen. Das BVerfG hat diesbezüglich in seinem Beschluss vom 21.03.2018 (Az. 1 BvF 1/13) festgestellt, dass an eine tatsächliche Grundlage für den Verdacht eines Verstoßes, der veröffentlicht werden muss, hohe Anforderungen zu stellen sind. Ferner hat es festgestellt, dass die Informationsinteressen der Öffentlichkeit hinter den durch die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Grundgesetz (GG) geschützten Interessen des Betriebes zurücktreten, wenn Verstöße gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften zeitlich unbegrenzt durch Lebensmittelüberwachungsbehörden veröffentlicht werden. Begründet wird dies damit, dass die zeitlich unbegrenzte Vorhaltung teilweise nicht endgültig festgestellter oder bereits behobener Rechtsverstöße zu einem erheblichen Verlust des Ansehens führen können, der bei zunehmendem zeitlichen Abstand nicht mehr von einem legitimen Informationsinteresse gedeckt wird (sog. Pranger-Wirkung).
Das bedeutet, dass Beanstandungen, die derart schwerwiegend sind, dass sie unter Berücksichtigung der angeführten Rechtsprechung veröffentlicht werden dürfen, bereits nach der heutigen Rechtslage veröffentlicht werden müssen. Dies geschieht in Schleswig-Holstein für alle Kreise und kreisfreien Städte zentral auf der Homepage des Verbraucherschutzministeriums.
Da der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei der verfassungsgemäßen Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) VIG gilt, kommt die Rechtsprechung des BVerfG zu § 40 Abs. 1a LFGB auch insoweit zum Tragen. Die beschriebene Pranger-Wirkung einer vollumfänglichen Beantwortung sämtlicher VIG-Anfragen über das Internetportal Topf Secret wäre im Hinblick auf die eindeutige Intention des Portals letzten Endes die gleiche als wenn die Behörde die Informationen selbst veröffentlichen würde. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies: Die Behörde darf nur weitergeben, was sie selbst veröffentlichen darf. Auskünfte über Beanstandungen oder die Herausgabe von Kontrollberichte dürften auf Anfragen über das Internetportal Topf Secret also theoretisch nur dann erfolgen, wenn sie derart schwerwiegende Beanstandungen betreffen, dass die Informationen ohnehin durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden veröffentlicht werden müssen. Da im Falle der Nutzung des Internetportals „Topf Secret“ jedoch nicht gewährleistet werden kann, dass derartige Beanstandungen entsprechend der angeführten Entscheidung des BVerfG nur zeitlich begrenzt veröffentlicht werden, kommt selbst dann eine Auskunft über Beanstandungen oder eine Herausgabe von Kontrollberichten nicht in Betracht.
Im Übrigen dürfen wir Sie auch dann, wenn in Bezug auf den von Ihnen angefragten Betrieb keine Beanstandungen vorlagen, nicht darüber informieren. Denn wenn wir in Beantwortung einer der standardisierten Anträge, die uns über das Portal „Topf Secret“ erreichen, konkret darüber informieren würden, dass in dem jeweiligen Einzelfall keine Beanstandungen vorlagen, würde dies in weiteren Antragsverfahren über das Internetportal „Topf Secret“ den eindeutigen Rückschluss ermöglichen, dass immer dann eine Beanstandung vorlag, wenn wir nicht derart konkret informiert haben.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG sind Ort, Zeit und Art des Informationszugangs mitzuteilen, soweit dem Antrag stattgegeben wird. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs begehrt, so darf dieser gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Sie haben in Ihrem Antrag ausdrücklich um eine Antwort in elektronischer Form (E-Mail) gebeten. Dem werde ich entsprechen.
Zu beachten sind überdies § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 VIG. Danach darf - auch wenn von der Anhörung Dritter abgesehen wird - der Informationszugang erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem oder der Dritten bekannt gegeben worden ist und diesem ein ausreichender Zeitraum zur Einlegung von Rechtsbehelfen eingeräumt worden ist, wobei dieser Zeitraum 14 Tage nicht überschreiten soll. Aus diesem Grund werden Ihnen die begehrten Informationen noch nicht in diesem Bescheid gewährt, sondern frühestens 10 Tage nach seiner Bekanntgabe gegenüber dem Betrieb."
Für Rückfragen steht Ihnen die Leitung der Lebensmittelüberwachung, Frau Karoline Kock (<<E-Mail-Adresse>>), zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß