Sehr geehrter Herr Semsrott,
mit E-Mail vom 14. Dezember 2020 beantragen Sie u.a. auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) die Übersendung sämtlicher Aufzeichnungen, die im Zusammenhang mit Karenzzeitregelungen des früheren Regierungsmitglieds Ole Schröder stehen (Korrespondenzen, Vermerke, Notizen etc.).
Mit der Schwärzung personenbezogener Daten sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erklären Sie sich einverstanden.
Auf Ihren Antrag ergehen folgende Entscheidungen:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Bescheid ergeht kostenfrei.
Gründe
1. Sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit der Karenzzeitregelung nach § 6a, 6b und 6c des Bundesministergesetzes (BMinG) im Zusammenhang mit Anzeigen des ehem. Parlamentarischen Staatssekretärs im BMI Dr. Ole Schröder sind personenbezogene Daten. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich entsprechende Unterlagen nur auf das Verfahren zur beruflichen Lebensplanung von Herrn Dr. Schröder beziehen können. Auch eine Schwärzung oder Teilschwärzung kann diesen Umstand nicht beheben.
Da Sie ausdrücklich auf den Zugang zu personenbezogenen Daten verzichtet haben, sind diese Dokumente nicht von Ihrem Antrag umfasst.
Im Übrigen wäre der Informationszugang auch gem. § 5 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1,83 Nr. 3b und § 4 IFG sowie § 6b Abs. 3 BMinG i. V. m. § 3 Nr. 4 IFG zu versagen.
Im Einzelnen:
1. § 6b Abs. 3 BMinG i. V.m. § 3 Nr. 4 IFG
Gem. § 3 Nr. 4 IFG besteht der Informationsanspruch unter anderem dann nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungspflicht unterliegt.
Gem. § 6b Abs. 3 Satz 3 BMinG gibt das Karenzzeitgremium seine Empfehlung nicht öffentlich ab. Gem. § 6b Abs. 4 BMinG ist lediglich die Entscheidung der Bundesregierung unter Mitteilung der Empfehlung des beratenden Gremiums zu veröffentlichen (im Fall von Herrn Dr. Schröder ist die Bundesregierung dem mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger (amtlicher Teil) vom 24. Oktober 2018 nachgekommen).
Würde der Beratungsgang im konkreten Einzelfall einschließlich der vorbereitenden Unterlagen der Geschäftsstelle des beratenden Gremiums öffentlich, würde dies der Zielsetzung des § 6b Abs. 3 Satz 3 sowie Abs. 4 BMinG zuwiderlaufen. Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich dafür entschieden, die auf persönliche Umstände eines ehemaligen Amtsträgers zurückzuführenden Entscheidungen des beratenden Gremiums nach § 6b BMinG nicht öffentlich zu machen. Es würde dem Schutzzweck der Vorschriften im BMinG zuwiderlaufen, würden diese Entscheidungen und die mit ihnen in Verbindung stehenden Unterlagen jederzeit auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes öffentlich bekannt werden können. Auch die Umstände, wer konkret mit wem zu einem Antrag nach § 6a BMinG/§ 7 ParlStG korrespondiert hat, lässt Rückschlüsse auf die Beratung und Entscheidungsfindung zu.
Die Dokumente unterliegen somit einer gesetzlich geregelten Geheimhaltungsvorschrift. Der Informationszugang zu den Dokumenten wäre daher zu versagen.
2. § 5 Abs.2 i.V.m. Abs. 1 IFG
Gem. § 5 Abs. 1 IFG darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Gem. § 5 Abs. 2 IFG überwiegt das Informationsinteresse des Antragstellers nicht bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit dem
Dienst- oder Amtsverhältnis oder einem Mandat des Dritten in Zusammenhang stehen.
Die einschlägigen Unterlagen sind infolge des Amtsverhältnisses von Herrn Dr. Schröder als Parlamentarischer Staatssekretär entstanden und bilden den aktuellen beruflichen Status sowie die mögliche weitere berufliche Entwicklung ab. Es handelt sich mithin um Dokumente, die personenbezogene Daten enthalten und dem Schutz von § 5 Abs. 2 IFG unterliegen. Damit kommt dem Schutzinteresse des Betroffenen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG vorbehaltlich einer Abwägung im Einzelfall - grundsätzlich der Vorrang vor einem gegenläufigen Informationsinteresse des Antragstellers zu (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 26).
Gemäß § 6a BMinG i. V. m. § 7 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG) sind amtierende und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung sowie Parlamentarische Staatssekretäre - die beide nach § 1 BMinG bzw. § 1 Abs. 3 ParlStG zum Bund in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen — verpflichtet, der Bundesregierung anzuzeigen, wenn sie beabsichtigen, innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes nachzugehen. Folglich können nur diese (amtierenden und ehemaligen) Amtsträger das sog. Karenzzeit-Verfahren auslösen und betreiben.
Des Weiteren nimmt die Prüfung des beratenden Gremiums nach § 6b BMinG sowie die darauf aufbauende Entscheidung der Bundesregierung, ob und inwieweit eine Karenzzeit ausgesprochen wird, nach § 6b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BMinG ausdrücklich auf die Tätigkeit während der Amtszeit Bezug.
Alle Unterlagen, die im Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit einer Anzeige nach § 6a BMinG entstehen, stehen damit in direktem Zusammenhang mit dem Dienst- oder Amtsverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 2 IFG. Damit ist das Vertraulichkeitsinteresse der betroffenen Person auch im Rahmen einer Abwägung nicht überwindbar. Stattdessen kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen hier der Vorrang im Sinne eines abwägungsresistenten Versagungsgrundes zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.6.2017 - 7 C 24/15 Rn. 27).
Folglich kann gem. § 5 IFG eine Freigabe nur erfolgen, soweit der Dritte seine Zustimmung erteilt. Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 hat das Bundeskanzleramt Herrn Dr. Schröder gem. § 8 Abs. 1 IFG beteiligt, der uns mit Schreiben vom 13. Februar 2021 mitteilte, dass er mit einer Herausgabe der Dokumente nicht einverstanden ist.
Der Informationszugang wäre somit auch gem. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 IFG vollständig zu versagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 10 Abs. 1 und 3 IFG in Verbindung mit der Informationsgebührenverordnung (IFGGebV).
Mit freundlichen Grüßen