Beratungstätigkeit der Consultingfirma KCW GmbH für den Senat von Berlin in Fragen des Öffentlichen Nahverkehrs
Informationen über die Beteiligung von KCW am Center Nahverkehr Berlin (CNB).
Der Internetdienst „neukoellnisch.net“ schrieb am 30. März 2020: „Seit Jahren läßt sich der Berliner Senat in Sachen öffentlicher Nahverkehr von der Consultingfirma KCW beraten. Das kostet Millionen – und pusht die Wettbewerbsagenda. Auch bei der drohenden S-Bahn-Zerschlagung mischt KCW mit.“ (https://neukoellnisch.net/artikel/2020-04/wer-ist-eigentlich-kcw-s-bahn-berlin-lobby-wettbewerb/)
Das Center Nahverkehr Berlin (CNB) übernimmt laut eigener Auskunft (www.cnb-online.de) hoheitliche Aufgaben des Senats. Das CNB bezeichnet sich als ARGE, wird aber faktisch von der KCW GmbH gesteuert. Von zwölf auf der Website gelisteten Teammitgliedern der CNB sind neun gleichzeitig Mitarbeiter der KCW, darunter KCW-Geschäftsführer Dr. Jan Werner, der als CNB-Teamleiter auftritt.
Handelt es sich bei der CNB um eine aus dem Senat in die private Wirtschaft ausgelagerte zentrale Steuerungsabteilung? Mit welcher Begründung und auf welcher Rechtsgrundlage läßt der Senat hier hoheitliche Aufgaben durch eine Privatfirma erledigen? Wurde alternativ eine Aufgabenbearbeitung innerhalb der Verwaltung erwogen?
Bitte senden Sie mir Unterlagen, aus denen sich die Höhe der in den Haushaltsjahren 2019 und 2020 durch den Auftrag an KCW angefallenen Kosten ergeben?
Welche weiteren Senatsaufträge konnte KCW durch die Tätigkeit in der CNB generieren (beispielhaft) oder ist dies auszuschließen?
Ergebnis der Anfrage
Versuch einer Einordnung:
Da Anfragen wie die vorliegende, nicht dem Sachverhalt nach, sondern politisch beantwortet werden, lohnt sich immer eine Interpretation aus verschiedenen Blickwinkeln: Wie wird geantwortet; was wird nicht beantwortet; welche Kontexte werden ausgeblendet. So fällt etwa auf, dass Behauptungen (es finde keine Auslagerung hoheitlicher Aufgaben statt; Frage 1) entweder nicht hinreichend hergeleitet oder durch parallele Argumentation nur vermeintlich begründet werden. Wäre der Auftrag von KCW, wie angeben, wirklich eine „Unterstützung“ der verkehrsplanerischen Arbeit des Senats, so stellten sich automatisch weitere Fragen, die selbstverständlich nicht adressiert sind: Warum ist eine mit zahlreichen Mitarbeitern ausgestattete Behörde wirklich auf Zuarbeit von Außen angewiesen? Eine mögliche Antwort: Aufgrund des massiven Personalabbaus in den letzten rund 20 Jahren. Macht eine „Unterstützung“ von außen, die nach internen „Vorgaben und Weisungen“ erfolgt, nicht mehr Arbeit, als wenn man die Aufgaben „Inhouse“ erledigen ließe? Wie erfolgt die Gegenprüfung, ob die „Vorgaben und Weisungen“ eingehalten wurden? Usf.
Ruft man solche Fragen auf, so liegt der Schluss nahe: Die Gemengelage der Zusammenarbeit zwischen Senat und KCW ist tendenziell verworren, kompliziert und unkontrollierbar. Wessen Interressen das dient, darüber läßt sich allenfalls mutmaßen. Dass es indes sicherlich die Kosten treibt kann man an den nicht unerheblichen Beträgen sehen, die im Zuge der Anfrage offengelegt wurden.
Im Kontext dieser Anfrage ist es wichtig zu wissen, dass der Akteur KCW einer der führenden Anbieter planerischer Beratungsdienstleistung im Verkehrssegment in Deutschland ist. Seit Ende der 1990er Jahre – im Zuge der von der SPD vorangetriebenen Privatisierung öffentlicher Daseinsfürsorge – wird er regelmäßig vom Berliner Senat bestellt und hat maßgeblichen Einfluß auf das Planungsgeschehen der Stadt.
Im Interesse externer Anbieter liegt das Generieren von Folgeaufträgen. Dienstleister wie KCW sind daher nicht zwingend an einer forcierten zielorientierten Abwicklung von Problemen interessiert, da Verkomplizierung von Vorgängen und Zerlegung von Prozessen das Abrechnungsvolumen erhöhen und Folgeaufträge notwendig machen kann.
Für diejenigen unter uns, die an den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Berliner Verkehrspolitik interessiert sind, dürfte sich daher eine nähere Analyse der Arbeit von KCW – aufgrund ihres beispielhaften Charakters für die Politik insgesamt – als sehr ergiebig erweisen. Ich hoffe, diese Anfrage weckt dazu die Neugier – und wir alle arbeiten im Interesse der Bürger daran, die Verflechtungen zwischen Politik, Verwaltung und Privatwirtschaft zu thematisieren.
Zusammenfassung und Ausblick
Die ausgebliebene Verkehrswende in der Hauptstast sowie die unter dem derzeit amtierenden Rot-Rot-Grünen Senat vollkommen mut- und perspektivlose Verkehrspolitik insgesamt ist sicher nicht zuletzt auf KCW zurückzuführen. Das liegt jedoch weniger an diesem einen Player als an den oben angedeuteten strukturellen und wirtschaftlichen Folgen der von der politischen Verwaltung verfolgten Ausschreibungs- und Vergabepolitik. Die Verantwortung für die Fehlentwicklung liegt damit eindeutig in der Politik selbst, namentlich bei der derzeitigen Verkehrssenatorin Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen). Für die Zukunft ist daher auf Senatorenebene mehr umfassende konzeptionelle Kompetenz angezeigt, gepaart mit Führungswille und einem besseren Geschick bei der Ausverhandlung von besserer personeller und finanzieller Ausstattung. Verkehrspolitik ist in einer Stadt wie Berlin ein Pfund, mit dem jeder talentierte Politiker wuchern könnte. Mehr Experimente, beherzte Beteiligung von Initiativen und Beteiligung, Implementierung anderswo erprobter Konzepte (Kiezblocks, Superblocks, ticketfreier ÖPNV, Radinfrastruktur nach niederländischem Vorbild, Reduktion von Parkplätzen, Spielstraßen, Autofreie Zonen, etc.), wissenschaftliche Evaluationen sind hier Stichworte. Verkehrspolitik macht aus einer feinstaubgeplagten, lauten Metropole eine lebenswerte, vernetze City. Im September wird in Berlin erneut gewählt!
Über Kommentare und Hinweise freue ich mich.
20.05.2021, Christian Welzbacher für die Klimaliste Berlin, christian.welzbacher@klimaliste-berlin.… https://www.klimaliste-berlin.de
Anfrage erfolgreich
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Datum20. März 2021
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24. April 2021
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