Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Ihre o.g. Anfrage auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) ergeht folgender
Bescheid:
Ihrem Antrag wird teilweise stattgegeben.
Als Anlage übersende ich Ihnen den Lagebericht Afghanistan in teilgeschwärzter Fassung.
Dieser Bescheid ergeht gebührenpflichtig.
Begründung:
Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu Informationen. Sind jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlusstatbestände §§ 3 - 6 IFG erfüllt, ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen.
Vertraulich erhobene oder übermittelte Information, § 3 Nr. 7 IFG
Nach § 3 Nr. 7 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht. Der Schutz des § 3 Nr. 7 IFG dient sowohl dem Schutz des Informanten als auch dem der Behörde. Der Schutzzweck der Bestimmung hat eine doppelte Zielsetzung: Schutz von Informanten gegenüber der Preisgabe ihrer Identität und Schutz der Behörde hinsichtlich ihrer Aufgabenwahrnehmung.
Die Seite 2, Ziff. 6, sowie Seite 22 enthalten schutzbedürftige Informationen zu Informationsquellen. Die Bekanntgabe dieser Informationen an Dritte würde die Sicherheit und die Vertraulichkeit der Quellen sowie die Arbeit der Botschaft gefährden.
Das objektiv schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse der Dritten besteht weiterhin fort.
Ein Informationszugang ist gem. § 3 Nr. 7 IFG nicht möglich.
Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, § 3 Nr. 1 a) IFG
Die vorliegend einschlägige Nr. 1 a) des § 3 IFG sieht eine Ausnahme von der oben beschriebenen Regel vor, wenn das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.
Unter internationalen Beziehungen versteht man die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 - Juris-Rn. 14; die Begründung des Gesetzentwurfs BTDrucks 15/4493 S. 9).
Vorliegend geht es mit Afghanistan um einen Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält. Im Falle eines Bekanntwerdens der geschwärzten Textpassagen in dem angeforderten Lagebericht besteht das Risiko nachteiliger Auswirkungen für eben diese Beziehungen.
Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob solche negativen Auswirkungen zu befürchten sind, ein. Maßgeblich ist allerdings, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik zu dem jeweiligen Staat verfolgt (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 — Juris-Rn. 15).
Im Hinblick auf Afghanistan gilt, dass die Bundesrepublik Deutschland versucht, eine vertrauensvolle auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu unterhalten. Das Erreichen dieses Ziels wäre durch das Bekanntwerden der geschwärzten Informationen gefährdet. Im Einzelnen beruht dies auf folgenden Überlegungen:
Auf den Seiten 4, 5, 6 und 26 werden wertende Aussagen zur behördlichen Funktionsfähigkeit und Einschätzungen zu konkreten Leistungsfähigkeiten und -defiziten getroffen, die einer Einordnung in regierungsinternen oder vertraulichen zwischenstaatlichen Abstimmungsprozessen dienen.
Auf der Seite 7 werden wertende Aussagen zur behördlichen Funktionsfähigkeit und Einschätzungen zu internen Vorgängen der Verwaltung und Regierung getroffen. Eine Veröffentlichung dieser Wertung könnte zu einer Beeinträchtigung des vertrauensvollen Dialogs der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung in diesem Bereich führen.
Auf der Seite 10 werden wertende Aussagen zur behördlichen Funktionsfähigkeit und Repressionen und zur Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis getroffen. Eine Veröffentlichung dieser Wertung könnte zu einer Beeinträchtigung des vertrauensvollen Dialogs der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung in diesem Bereich führen.
Auf den Seiten 11 und 12 werden wertende Aussagen zu Handlungen gegen Kinder und deren Verfolgung getroffen. Eine Veröffentlichung dieser Wertung könnte zu einer Beeinträchtigung des vertrauensvollen Dialogs der Bundesregierung mit der afghanischen Regierung in diesem Bereich führen.
Da die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein kann, kann das Dokument nicht komplett herausgegeben werden.
Schutz von Verschlusssachen, § 3 Nr. 4 IFG
Der Bekanntgabe des als VS-NfD eingestuften Berichts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan des Auswärtigen Amts (Stand Mai 2021) steht 83 Nr. 4IFG i. V.m. § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung — VSA) entgegen (vormals Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen).
Die Unterlage unterfällt einer Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 VSA. Gem. §2 Abs. 2 Nr. 4 VSA werden Inhalte als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft, bei denen die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass Aspekte, welche aufgrund eben dieser Vorschriften der Geheimhaltung unterliegen, auch weiterhin unter Verschluss bleiben sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 - Juris-Rn. 46).
Aus Anlass Ihrer IFG-Anfrage wurde die Einstufung überprüft. Eine teilweise Herausgabe des Berichts mit Schwärzungen ist möglich. Bei den geschwärzten Passagen handelt es sich um Tatsachen bzw. Erkenntnisse i. S.d. §2 VSA. Die Passagen beinhalten insbesondere wertende Aussagen zur Menschenrechtslage, zur Situation der Minderheiten, zur Lage der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie zur Arbeitsweise bestimmter Behörden.
Die Geheimhaltungsbedürftigkeit ergibt sich vor allem daraus, dass es im Falle des Bekanntwerdens der Informationen zu einer Erschütterung des Vertrauensverhältnisses der bilateralen Beziehungen zu Afghanistan kommen kann und damit das angestrebte Ziel, vertrauensvolle auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu unterhalten, untergräbt. Die bilateralen Beziehungen müssen auf einem Vertrauenstatbestand aufgebaut werden, sonst können sie nicht zielgerichtet genutzt werden — gerade auch um Verbesserungen in den genannten Gebieten zu Gunsten der besonders schützenswerten Personen zu erreichen. Außerdem wurden auf Seite 22 Informationen zum Schutz eines Projektpartners geschwärzt, um die Sicherheit der Mitarbeiter/-innen nicht zu gefährden.
Dem uneingeschränkten Informationszugang steht § 3 Nr. 4 IFG entgegen.
Kostenentscheidung:
Für den Informationszugang wird eine Gebühr von 131,25 € erhoben.
Gemäß § 10 Abs. 1 IFG werden für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz Gebühren erhoben. Die Höhe dieser Kosten orientiert sich am entstandenen Verwaltungsaufwand; die Gebühren sind zudem so zu bemessen, dass der Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden kann. Die Gebühr darf zudem nach allgemeinen Gebührengrundsätzen nicht unangemessen sein.
Die Gebühren und Auslagen richten sich im Einzelnen nach Nr. 2.2 Teil des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses der Informationsgebührenverordnung (IFGGebV) vom 2. Januar 2006. Danach ist für die Herausgabe von Abschriften, wenn im Einzelfall ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand zur Zusammenstellung von Unterlagen entsteht, insbesondere, wenn zum Schutz öffentlicher und privater Belange Daten ausgesondert werden müssen, ein Gebührenrahmen von 30,00 bis 500,00 € vorgesehen. Die Bearbeitung Ihres Antrags hat einen Aufwand von 10 Minuten für Mitarbeiter/-innen des mittleren Dienstes, 35 Minuten für Mitarbeiter/-innen des gehobenen Dienstes und 100 Minuten für Mitarbeiter/-innen des höheren Dienstes für das Heraussuchen und das Zusammenstellen sowie Schwärzen der gewünschten Informationen verursacht. Bei Zugrundelegung von pauschalierten Stundensätzen pro Arbeitsstunde von 30,00 Euro für Mitarbeiter/-innen des mittleren Dienstes, 45,00 Euro für Mitarbeiter/-innen des gehobenen Dienstes und 60,00 Euro für Mitarbeiter/-innen des höheren Dienstes sind daher Gebühren in Höhe von 131,25 Euro angefallen. Die Höhe der Gebühr steht in einem angemessenen Verhältnis zu der gewährten Auskunft.
Bitte überweisen Sie den Gesamtbetrag i. H. v. 131,25 EUR innerhalb von 4 Wochen auf das Konto der Bundeskasse
Deutsche Bundesbank, Filiale Leipzig
BLZ 86000000
Konto Nr. 86001040
BIC: MARKDEF1860
IBAN: DE38 8600 0000 0086 0010 40
Unter Verwendungszweck geben Sie bitte das Kassenzeichen "880801013834, 505-IFG 202-2021' an.
Mit freundlichen Grüßen