Sehr
[geschwärzt], [geschwärzt],
meine Informationsfreiheitsanfrage „Treffen und Gespräche zwischen dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und der Abteilung II und III des BWMi“ vom 30.09.2021 (#230253) wurde von Ihnen mit Beschluss vom 8. November 2021 abgelehnt.
Gegen den von Ihnen erlassenen Beschluss vom 8. November 2021 erhebe ich hiermit Widerspruch.
Begründung:
Der Antrag ist bereits nicht im Rahmen der Kampagne „Lobbyregister selbstgemacht“ gestellt worden (sogleich unter 1.). Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen (§ 2 Nr. 1 IFG) nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG kann nur durch zulässige Gründe ausgeschlossen werden. Der Antrag ist aber auch bestimmt und damit zulässig (sodann unter 2.). Der konkrete Lebenssachverhalt ergibt sich aus konkreten Problemen hinsichtlich der Energiegesetzgebung (unter 3.). Vorliegende IFG Anfrage wird nur deswegen als Globalantrag gewertet, weil Ihr Ministerium gerade kein Register betreibt, welches eine den sachlichen Umständen entsprechende Abfrage erlaubt (unter 4.). Das in diesem Antrag enthaltene Anliegen, nämlich die Nachverfolgung der Entscheidungsprozesse von Beamten und Politikern ist aber nicht nur durch den Zweck des IFG gedeckt, sondern fällt auch in Ihren Arbeitsbereich (unter 5.).
Zu 1.
Der Feststellung, meine Anfrage sei Teil der Crowd-Kampagne "Lobbyregister selbstgemacht", oder durch diese motiviert, ist umfassend zu widersprechen. Ungeachtet der Tatsache, dass es für diesen IFG Antrag, wie im Übrigen auch für die Kampagne, sehr gute Gründe gibt (die zwar rechtlich unbeachtlich sind, aber dennoch unter Punkt 3. ausgeführt werden), legen Sie keinerlei Beweise für diese Behauptung vor.
In der von mir gewählten Formulierung des Antrags treten keinerlei Textbausteine zutage, die mit den angebotenen von "Lobbyregister selbstgemacht" übereinstimmen. Eine Anfrage auf der Plattform „Lobbyregister selbstgemacht“ an Ihr Haus würde unter dem von Ihnen angegebenen Link wie folgt aussehen:
„
Sehr geehrte Damen und Herren, bitte senden Sie mir Folgendes zu:
- sämtliche Dokumente (u.a. Vorlagen, Protokolle, Vermerke, Vorbereitungsunterlagen) im Zusammenhang mit Treffen von Vertretern von bdi im Jahr 2019 in Ihrem Haus. Ich bitte ausdrücklich um elektronische Zusendung der Dokumente, ggf. zusätzlich zu einer postalischen Benachrichtigung. Mit der Schwärzung personenbezogener Daten erkläre ich mich einverstanden.
“
Ebenso fällt schon der Unterschied auf, dass auf der Plattform jeweils nur ein Jahr und das ab 2018 angefragt werden kann, während meine Anfrage einen Zeitraum ab 2017 betrifft. Der von Ihnen zitierte Hinweis zu Textbausteinen ist anlasslos. Meine Anfrage ist von mir formuliert worden.
Meine Anfrage ist aber auch nicht auf der Plattform „Lobbyregister selbstgemacht“ eingestellt. Unter Filterung nach „bdi“ auf
https://fragdenstaat.de/kampagnen/lob... werden nämlich durchweg Fragen eingestellt, die nicht mit meinem IFG Antrag übereinstimmen.
Denn ich habe weder die verlinkte Plattform genutzt noch mich abgestimmt noch eine automatisierte Anfrage abgeschickt, sondern über
https://fragdenstaat.de/a/230253 lediglich die seit 10 Jahren bestehende Plattform
fragdenstaat.de für die Versendung und den Empfang genutzt.
Die der Ablehnung des IFG Antrags zugrunde liegende Begründung, ich sei Teil einer Kampagne und es sei mein Motiv, die Bundesregierung zu überlasten und zu veranlassen, ein „echtes Lobbyregister“ einzurichten, trägt somit schon nicht.
Ebenso wenig trägt die Begründung, meine Anfrage sei Teil vieler Anträge mit einer Vielzahl verschiedener Personen und damit eine Umgehung des Ablehnungsgrundes.
Dass das Kriterium des verhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes erfüllt ist, wird von Ihnen aber nicht bestritten.
Zu 2.
Die vorliegende Anfrage ist auf das Notwendige eingegrenzt, nämlich den Kontakt mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie in Ihrem Haus. Eine Globalanfrage läge vor, wenn sie beispielsweise die Übersendung aller im BMWi vorliegenden Akten beträfe. Hier geht es aber nur um den Vorgang „BDI“. Innerhalb dieses Vorganges geht es lediglich um Anzahl, Teilnehmer und Inhalt von Gesprächen, auch das sehr stark eingegrenzt auf den energiewirtschaftlichen Inhalt und zwar bezogen auf die Regulierung des Gasmarktes, der Netze in Gasbereich und der Gesetzgebung im Wasserstoffbereich. Dass deren Zusammenstellung aus verschiedenen Datenquellen diese in den Bereich einer Globalanfrage rückt, ist nicht nachvollziehbar.
Insofern die Eingrenzung auf die Themen „Gasmarktregulierung, Gashandel, Versorgungssicherheit, Wettbewerb im Gasmarkt, Wasserstoffmarkt, Regulierung der Wasserstoffnetze“ einen höheren Aufwand bedeuten könnte, ist auch eine allgemeinere Attribuierung, also Zusammenfassung aller energiewirtschaftlichen Themen für die Beantwortung meiner Anfrage hinnehmbar.
Zu 3.
Sie schreiben, der Zweck des Antrages läge außerhalb des IFG. Auch dieser Feststellung ist zu widersprechen, denn für die Geltendmachung eines IFG Antrages bedarf es keines irgendwo geregelten Zweckes. Eine Anfrage nach IFG ist voraussetzungslos, erfordert also keine eigene Betroffenheit zur Geltendmachung und muss auch nicht begründet werden. Dennoch sei zur Widerlegung Ihrer Unterstellung, mein Motiv sei vorsätzlich destruktiv und ich sei Teil einer Kampagne, der tatsächliche Grund meiner Anfrage darlegt. Hier geht es um die Nachvollziehbarkeit der Entstehung von Gesetzen im Energiewirtschaftsrecht. Wie Ihnen seit ziemlich genau 20 Jahren bekannt ist, habe ich an der Entwicklung des Entry-Exit Gasnetzzugangsmodells in der deutschen Gaswirtschaft maßgeblich mitgewirkt. Als ein Vertreter der sogenannten New Entrants, Händler und Lieferanten, die auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen angewiesen waren und die Abschaffung der bis 2003 praktizierten Verbändevereinbarung begehrten, war ich im Jahr 2003 zum Kompetenzaufbau in der sogenannten Task Force Gas Ihrem Haus eingesetzt. Die Task Force hatte die Aufgabe, den Zugang zu den deutschen Gasnetzen im Zuge der EnWG Novellierung im Jahr 2005 (insb. Gasnetzzugangsverordnung) zu entwickeln und bestand damals nur aus Mitgliedern der etablierten Gaswirtschaft. Die Hintergründe ihrer Auflösung nach nur einem Monat meiner Abordnung lassen sich in dem Buch „Der gekaufte Staat“ ab Seite 55 nachlesen. (Adamek, S. & K. Otto (2008): Der gekaufte Staat - Wie sich Konzernvertreter in deutschen Ministerien ihre Gesetze selbst schreiben, 2. Auflage. Kiepenheuer & Witsch.)
Wie Ihnen aus Ihrer früheren Tätigkeit bei der auf das Energierecht spezialisierten Kanzlei hinreichend bekannt sein dürfte, wurden Gesetzgebungs- und Regulierungsprozesse im Energiebereich erheblich durch die mächtigen Platzhirsche beeinflusst, verzögert und verwässert.
Als Leiterin des Referates „Zugang zu Gasfernleitungsnetzen und internationaler Gashandel“ in der BNetzA dürfte Ihnen bei der Abarbeitung der neuen Gasnetzzugangsverordnung (insb. Zweivertragsmodell, fehlende Kooperation der Netzbetreiber, unzureichende Entflechtung, komplexe Kapazitätsprodukte und ineffiziente Bilanzierungsregeln) der Einfluss der etablierten Gaswirtschaft auch in der konkreten Umsetzung sehr klar vor Augen geführt worden sein. Meine Einschätzung, dass die BNetzA nach Ihrem Fortgang dort nicht mehr ermessensfehlerfrei handelte habe ich im Jahr 2014 und 2019 durch Veröffentlichungen zum Ausdruck gebracht.
Zuletzt habe ich aber auch beobachtet, dass es spätestens seit 2013 eine konkrete Regelungsproblematik im Bereich des § 58 EnWG (Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden) gibt, die meines Erachtens zum Regulierungsversagen beim Gasnetzzugang und vor allem zu der Marktmacht der Gazprom auf der deutschen Import- und Handelsstufe geführt hat.
- Gasmarkt Deutschland-Chronik eines kartellrechtlichen Versagens:
https://visproxy.com/fileadmin/user_u...
- Diskussion Gasmarkt zu 58 EnWG:
https://visproxy.com/fileadmin/user_u...
Damit zusammenhängend dürfte die aktuell bestehende Gaspreiskrise auch auf unzureichende Vorkehrungen bei der Gasspeichervorhaltung zurückzuführen sein. Hierzu hatte ich bereits 2007 und 2008, wie auch 2014 auf das Erfordernis der Speichereinbindung, insbesondere zur Krisenvorsorge hingewiesen. Aber gerade im darauf folgenden Jahr 2015 sah das BMWi keinen Vorhaltungsbedarf, nachdem es ein Gutachten bei der Kanzlei BBH in Auftrag gegeben hatte.
Im Zuge der Diskussion zum Aufbau der Wasserstoffnetze beobachtet man seit 2017 einen – wahrscheinlich auch rechtswidrigen – Akzessionsaktivismus bei den deutschen Ferngasnetzbetreibern durch das Schaffen von Fakten im Zuge des Netzentwicklungsplanes.
Das Verfassen einer Stellungnahme zur Nationalen Wasserstoffstrategie folgte einer Beobachtung, dass der Aufbau des Wasserstoffwirtschaft auf Basis der bestehenden Gasinfrastruktur nicht nur der (m. E. auch nicht gegebenen) Effizienz-Maßgabe folgt, sondern durch russische Interessen zum Erhalt der fossilen Wirtschaft (Blauer Wasserstoff) gelenkt wird. (Anmerkungen zur NSW Mai2020:
https://visproxy.com/fileadmin/user_u...). Eine Vorfassung dieses Papiers ging auch an Ihr Haus.
Nicht zuletzt erfüllt es mich, wie auch viele Bürgerinnen und Bürger, mit Sorge, dass Gesetzgebungsverfahren der großen Koalition seit 2017 sehr stark durch die wirtschaftspolitische Riege der CDU aufgehalten und verwässert wurden. So soll der Staatssekretär Bareiß nicht nur zu den organisierten Klimaskeptikern der Union gehören, er sei auch Teil eines klimapolitischen Triumvirats in der Union, welches den Beinamen „Bermudadreieck der Energiewende“ hatte. Gerade im industriepolitischen Flügel der CDU sehe ich aber die Verbindung zum BDI.
All dies sind gute Gründe, dem Verfahrensgegenstand meiner IFG Anfrage unter Bezugnahme auf
den konkreten Lebenssachverhalt, nämlich einer Beeinflussung durch den BDI, eine inhaltliche Begrenzung zu geben. Darüber hinaus liegt der Antrag, und dies würde sie auch ohne Nennung eines konkreten Lebenssachverhalts im Rahmen der Kampagne „Lobbyregister selbstgemacht“ begründen, im Ziel- und Zweckkanon des IFG. Denn die „Vorbereitung von Gesetzen in den Bundesministerien als wesentlicher Teil der Verwaltungstätigkeit fällt …. in den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes“ (BT Drucksache 15/4493).
Zu 4.
Vorliegende IFG Anfrage wird in Ihrem Haus wahrscheinlich nur deswegen als Globalantrag gewertet, weil es eine für das Bundesministerium unerwartete, referats- und sachthemenübergreifende Recherche erfordert. Diese Recherche ist aber nach heutigem Stand der Technik keine unbillige Anforderung. Dass sich die Anfrage für Ihr Haus als aufwendige Anforderung darzustellen scheint, bezeugt vielmehr die Zurückgebliebenheit der hausinternen Infrastruktur, was Digitalisierung und Vorhaltung einer entsprechenden Datenbank betrifft. Nicht anderes wäre aber durch ein Lobbyregister erfüllt.
Zu 5.
Der Feststellung, der Zweck des Antrages läge außerhalb des IFG darf ich aber auch auf anderer Ebene entgegnen, dass dieser Antrag, durchaus von Ziel und Zweck des IFG getragen wird. Denn die „neuen Informationszugangsrechte verbessern die Kontrolle staatlichen Handelns und sind insofern auch ein Mittel zur Korruptionsbekämpfung. “ (BT Drucksache 15/4493). Damit ist vorliegender Antrag, wie aber auch die Kampagne „Lobbyregister selbstgemacht“ von
fragdenstaat.de und
abgeordnetenwatch.de durchaus in dem Arbeitsbereich „Korruptionsprävention“ des von Ihnen geführten Referates angesiedelt.
Mit freundlichen Grüßen
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Anfragenr: 230253
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