Sehr geehrter Herr Huthmacher,
Ihre Fragen lassen sich wie folgt beantworten:
1. Wie groß ist die Wolfspopulation (Rudel, Paare, Einzeltiere) zur
Zeit in der BRD und wie haben sich die Bestände in den letzten 20 Jahren
entwickelt?
Im Monitoringjahr 2019/2020 wurden im Rahmen des Wolfsmonitorings der
Bundesländer 128 Rudel, 38 Paare und 9 territoriale Einzeltiere
nachgewiesen. Ein Monitoringjahr umfasst den Zeitraum jeweils vom 1. Mai
eines Jahres bis 30. April des folgenden Jahres. Der Zeitabschnitt
umfasst ein biologisches "Wolfsjahr", von der Geburt der Welpen bis zum
Ende ihres ersten Lebensjahres.
Die Bestandsentwicklung der letzten Jahre ist auf der Webseite der
Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf
dargestellt
(
https://www.dbb-wolf.de/Wolfsvorkomme...).
Tabelle 1: Entwicklung der Territorien seit 2000 (Stand 29.10.2021).
Monitoringjahr
Rudel
Paare
Einzeltiere
2019/20
128
38
9
2018/19
105
40
12
2017/18
77
42
3
2016/17
60
24
3
2015/16
47
21
4
2014/15
31
20
6
2013/14
25
11
3
2012/13
18
12
3
2011/12
14
6
3
2010/11
7
7
6
2009/10
7
2
4
2008/09
5
3
4
2007/08
3
3
2
2006/07
3
0
1
2005/06
2
1
0
2004/05
1
2
0
2003/04
1
0
1
2002/03
1
0
1
2001/02
1
0
0
2000/01
1
0
0
2. Wie hoch ist die Reproduktionsrate und wie werden sich die Bestände
in den nächsten 10 Jahren entwickeln?
Reproduktion wurde in 115 (90 %) der 128 Rudel für das Monitoringjahr
2019/20 nachgewiesen (Wölfe in Deutschland - Statusbericht 2019/2020 der
DBBW, abrufbar
unterhttps://
www.dbb-wolf.de/mehr/literatur-downlo....
Die Zahlen der pro Rudel bestätigten Welpen lagen zwischen null und 10.
In vier Rudeln wurde jeweils eine Fähe mit Gesäuge und damit
Reproduktion bestätigt, ohne dass später Welpen nachgewiesen wurden.
Insgesamt wurden im Monitoringjahr 2019/2020 in Deutschland 431 Welpen
nachgewiesen, von denen 53 im selben Monitoringjahr tot gefunden wurden.
Die Welpenzahlen werden überwiegend im Sommer erhoben. Dabei handelt es
sich in der Regel um Mindestzahlen.
Eine Abschätzung, wie sich die Bestände in den nächsten 10 Jahren
entwickeln werden, liegt nicht vor.
3. In welchen Gebieten in der BRD hat sich der Wolf etabliert?
Die territorialen Wölfe im Monitoringjahr 2019/2020 kamen in folgenden
Bundesländern vor: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein,
Thüringen.
4. Welchen Nahrungbedarf pro Jahr hat der Wolf (Rudel, Paare,
Einzeltiere)?
5. Welche Beutetiere bilden seine Nahrungsgrundlage?
Frage 4 und Frage 5 werden gemeinsam beantwortet:
Studien am Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz zeigen, dass
sich die Wölfe in Deutschland insbesondere von wildlebenden Huftieren
ernähren. Die Hauptnahrung bildet dabei das Reh, gefolgt von
Wildschweinen, Rot- und Damhirsch. Weitere Informationen und Details zur
Nahrungsgrundlage sind auf der Seite der DBBW zu finden:
https://www.dbb-wolf.de/Wolf_Steckbri...
6. Wie viele Haustiere (Schafe, Weidetier) sind im letzten Jahr
gerissen worden?
Im Jahr 2020 haben die Bundesländer 942 Übergriffe gemeldet, darunter
3444 Schafen, 92 Ziegen, 153 Rinder, 248 Stück Gehegewild, 13 Pferde,
sieben Alpakas und zwei Hunde, die durch Wölfe verletzt, vermisst oder
getötet wurden (s. Bericht der DBBW „Wolfsverursachte Schäden,
Präventions- und Ausgleichszahlungen in Deutschland
2020,
https://www.dbb-wolf.de/mehr/literatu...).
Die Sicherheit, Übergriffe dem Wolf zuzuordnen, variiert zwischen den
Bundesländern.
Die Angaben sind unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die
Nutztiere zum Zeitpunkt des Übergriffs durch Herdenschutzmaßnahmen
geschützt waren.
7. Werden die Wölfe bei steigender Population in den urbanen Bereich
eindringen und sind Gefahren für den Menschen zu erwarten?
Das Bild vom Wolf, der unberührte Wildnis und weiträumige menschenleere
Gebiete braucht, entspricht nicht der Realität. So weisen weite Teile
Deutschlands prinzipiell für Wölfe geeignete Lebensräume auf, wie die im
Mai 2020 durch das BfN veröffentlichte Studie „Habitatmodellierung und
Abschätzung der potenziellen Anzahl von Wolfsterritorien in Deutschland“
zeigt (BfN-Skript 556).
Bereits heute leben Wölfe bereits in unserer dicht besiedelten
Kulturlandschaft vielfach in direkter Nähe zum Menschen. Sie suchen
jedoch üblicherweise nicht die Begegnung mit Menschen, sondern halten
sich von diesen fern. Wie Untersuchungen in Nordamerika und Europa
zeigen, kommt es nur extrem selten zu Übergriffen von Wölfen auf
Menschen und dann nur unter sehr speziellen Umständen (z.B. mit Tollwut
infizierte oder durch Fütterung an den Menschen gewöhnte Individuen).
Daher wurde im Rahmen der Gesetzesänderung des
Bundesnaturschutzgesetztes aus dem März 2020 das Füttern und Anlocken
von wildlebenden Wölfen verboten (§ 45a Absatz 1 BNatSchG).
Die DBBW hat im Jahr 2018 ein Konzept veröffentlicht, dass den Umgang
mit Wölfen, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten, behandelt
(BfN-Skript 502). Bei der Einschätzung von Wolfsverhalten steht die
Sicherheit des Menschen immer an erster Stelle: Sollten Wölfe ein
Sicherheitsrisiko für den Menschen darstellen, etwa durch unprovoziert
aggressives Verhalten, dann muss sofort gehandelt und der betreffende
Wolf geschossen werden. Die Anzahl dokumentierter Wölfe, die sich
Menschen gegenüber auffällig verhalten haben, ist in Deutschland sehr
gering; ein Fall unprovoziert aggressiven Verhaltens ist seit der
Etablierung des Wolfes im Jahr 1998 in Deutschland noch nicht
aufgetreten. Ebenso wurde seit der Rückkehr des Wolfs nach Deutschland
noch kein Mensch durch einen Wolf verletzt. Die DBBW steht den
Bundesländern, welche verantwortlich für das Management des Wolfs
sind, bei der Einschätzung von Wolfsverhalten beratend zu Verfügung.
Die genannten BfN-Skripten sind auf der Website des Bundesamtes für
Naturschutz abrufbar:
https://www.bfn.de/publikationen
Mit freundlichen Grüßen