Sehr geehrter Herr Semsrott,
Ihr Antrag vom 06. März 2022 ist im Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingegangen. Unter Berufung auf das IFG stellen Sie folgenden Antrag:
„bitte senden Sie mir Folgendes zu:
- Die Liste mit möglicherweise verdächtigen Cum-Ex-Fällen, die das Bundeszentralamt für Steuern im November 2009 erstellte (vgl.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaf...)
- Das Schreiben des BMF aus dem Mai 2009, wonach in bestimmten Fällen keine Anrechnung gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 31 KStG und keine Erstattung gem. §§ 44a Abs. 7 und 8, 44b Abs. 1 EStG, § 11 Abs. 2 InvStG von Kapitalertragsteuer erfolgen sollte
- Sämtliche Informationen zum Treffen von StS Kukies mit Johannes Kahrs am 2.4.2019, insbesondere interner und externer Schriftverkehr, Vermerke, Vorlagen, Protokolle“
Über Ihren Antrag entscheide ich nach § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG wie folgt:
I. Ihrem Antrag gebe ich im nachfolgend dargestellten Umfang statt. Im Übrigen lehne ich diesen ab.
II. Hinsichtlich der Kosten ergeht noch ein gesonderter Bescheid.
BEGRÜNDUNG
Zu I.
§ 1 Absatz 1 Satz 1 IFG gewährt gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen (§ 2 Nummer 1 IFG). Was eine amtliche Information ist, bestimmt sich nach §2 Nummer 1 IFG. Danach handelt es sich bei einer amtlichen Information um jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, welche nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören ausdrücklich nicht dazu. Nach § 1 Absatz 2 IFG kann die Behörde Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Der Anspruch auf Informationszugang besteht jedoch nur für die bei der jeweiligen Behörde vorhandenen Informationen bzw. Akten. Einen Anspruch auf Informationsbeschaffung vermittelt das IFG nicht.
1) Liste mit möglicherweise verdächtigen Cum-Ex-Fällen, die das Bundeszentralamt für Steuern im November 2009 erstellte
Das von Ihnen begehrte Dokument ist im Bundesministerium der Finanzen vorhanden. Aus nachfolgenden Gründen kann Ihnen jedoch nur eingeschränkter Zugang zu diesem Dokument gewährt werden.
§ 3 Nummer 4 IFG i. V. m. § 30 AO (Steuergeheimnis)
Das Dokument „Meldung zur Behandlung von Leerverkäufen um den Dividendenstichtag“ enthält eine Vielzahl von Angaben zu steuerlichen Einzelfällen, die dem Steuergeheimnis gem. § 30 AO unterliegen. Das Steuergeheimnis des § 30 AO begründet eine Geheimhaltungspflicht 1.8. d. § 3 Nummer 4 IFG und begründet ein besonderes Amtsgeheimnis. Es erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person (vgl. Schoch; § 3, Rn. 243). Zu den vom Steuergeheimnis geschützten Verhältnissen zählt bereits die Tatsache der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens als solches sowie sämtliche Maßnahmen, die von Beteiligten, von Finanzbehörden oder von Dritten in einem konkreten Verwaltungsverfahren getroffen wurden.
Konkret steht § 3 Nummer 4 IFG i. V. m. § 30 AO Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a AO Ihrem Begehren entgegen. Das von Ihnen begehrte Dokument enthält eine Vielzahl steuerlicher Angaben, welche auch anonymisiert Rückschlüsse auf Beteiligte zulassen würden. Damit könnte selbst durch Schwärzung aller steuerlich relevanten Daten nicht ausgeschlossen werden, dass Rückschlüsse auf konkrete geschützte steuerliche Verhältnisse ermöglicht werden. Damit ist es nicht sinnvoll möglich, Ihnen Zugang zu gewähren, ohne zugleich gegen das Steuergeheimnis nach § 30 AO zu verstoßen. Da ein Rechtfertigungsgrund für eine zulässige Offenbarung im Sinne des § 30 Absatz 4 AO Ihnen gegenüber nicht
vorliegt, lehne ich Ihren auf dieses Dokument gerichteten IFG-Antrag ab.
§ 3 Nummer 1 d IFG (Schutz der Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden)
Ein Anspruch auf Informationszugang nach dem IFG besteht außerdem dann nicht, soweit das
Bekanntwerden der beantragten Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden haben kann (§ 3 Nummer 1 d IFG). Die Gesetzesbegründung zum IFG weist darauf hin, dass die gleichmäßige Festsetzung und Erhebung der Steuern die Kontrolle der Finanzbehörden voraussetzt, dass die Besteuerung des Steuerpflichtigen vollständig und richtig erfolgt (BTDrs. 15/4439, S. 9). BMF ist zwar in der Regel nicht mit einzelnen Besteuerungsverfahren befasst, gleichwohl als oberste Bundesbehörde Finanzbehörde i. S. d. § 3 Nummer 1 d IFG.
Die von Ihnen beantragte Liste ist Bestandteil noch nicht abgeschlossener Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren. Auch eine teilweise Veröffentlichung könnte sich auf den Fortgang der Verfahren auswirken. Denn die betroffenen Sachverhalte liegen zwar zum Teil mehrere Jahre zurück, die steuerlichen Sachverhalte sind aber allein wegen des Alters nicht zwangsläufig abgeschlossen. Sie sind auch heute noch Grundlage für aktuelle, nicht abgeschlossene Besteuerungsvorgänge. Im Austausch mit den für Besteuerung, Aufsicht und Prüfung zuständigen Bundes- und Landesbehörden wurden dem BMF dabei jene Informationen bekannt, die unter das Steuergeheimnis fallen.
Die Herausgabe dieser Informationen würde die Vorgehensweise der Finanzverwaltung in laufenden Besteuerungsverfahren betreffen und deren Durchführung erheblich gefährden. Außerdem ist die Liste Teil noch laufender Steuerstrafverfahren. Durch die Informationen würde zudem bekannt, welche konkreten Fallgestaltungen die Finanzverwaltung prüft und welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Es bestünde die Gefahr, dass die ergriffenen Maßnahmen der Steuerbehörden ins Leere laufen und nicht mehr erfolgreich durchgeführt werden können. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass eine Mitteilung an Dritte die betroffenen Steuerpflichtigen auch im Hinblick auf die breite Medienberichterstattung schwerstwiegend benachteiligen würde.
Aus diesen Gründen wird der Zugang zu diesem Dokument auch zum Schutz der Kontrollund Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden (§ 3 Nummer 1 d) IFG) abgelehnt.
2) BMF-Schreiben vom 05.05.2009 - IV C 1 -S 2252/09/10003 BStBl 2009
Das von Ihnen begehrte Dokument ist im Bundesministerium der Finanzen vorhanden. Es ist
aber auch bereits im Internet veröffentlicht und damit öffentlich zugänglich (§ 9 Abs. 3 IFG). Eine eigene Informationsbeschaffung im Internet, etwa unter
https://datenbank.nwb.de/Dokument/342... scheint vorliegend zumutbar. Aus diesem Grund lehne ich Ihren hierauf gerichteten Antrag nach Ausübung des mir eingeräumten Ermessens ab.
3) Sämtliche Informationen zum Treffen von StS Kukies mit Johannes Kahrs am 2.4.2019
Diesem Antragsgegenstand ließen sich insgesamt 5 Dokumente zuordnen, welche Ihnen als Anlage dieses Schreibens übersandt werden. Auf die Preisgabe personenbezogener Daten hatten Sie verzichtet. Dadurch konnte auf die Durchführung eines zeit- und kostenintensiven Drittbeteiligungsverfahrens verzichtet werden. „Bearbeiterdaten“ im Sinne des § 5 Absatz 4 IFG wurden nicht geschwärzt.
Außerdem wurde in einem Dokument das KFZ-Kennzeichen des für den Transport von Personen der Leitungsebene des Bundesministeriums der Finanzen eingesetzten PKW geschwärzt, da die Bekanntgabe des Kennzeichens ein Sicherheitsrisiko aller potentiellen Nutzer des Fahrzeugs darstellt. Der Informationsausschluss beruht insoweit auf § 3 Nummer 2 IFG. Schutzgut ist hier die Gefährdung von Rechtsgütern des Einzelnen, konkret der körperlichen Unversehrtheit aller Nutzer des Fahrzeugs, da bei Bekanntwerden des weiterhin im Einsatz befindlichen KFZ-Kennzeichens eine Zuordnung und gezielte Verfolgbarkeit des Fahrzeugs und möglicher Insassen ermöglicht werden würde.
Zu II.
Gemäß § 10 Absatz 1 IFG werden für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen Gebühren und Auslagen erhoben. Die Kostenfestsetzung erfolgt im Rahmen eines gesonderten Bescheids.
Rechtsbehelfsbelehruns:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Bundesministerium der Finanzen, Wilhelmstraße 97, 10117 Berlin, Widerspruch erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen