Sehr geehrte Frau Deleja-Hotko,
über Ihren am 09.06.2022 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des Auswärtigen Amts vom 16.05.2022 betreffend Ihrer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu Dokumenten und Kommunikation zu Anwar Ruslan ergeht der folgende Widerspruchsbescheid
1. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Widerspruchsführerin.
3. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens werden auf eine Gebühr von 30 Euro festgesetzt.
Begründung
I.
Mit Ihrem Schreiben vom 09.05.2022 beantragten Sie (wörtlich) den Zugang zu:
(1) sämtlichen Informationen und Dokumenten (u.a. Präsentationen, Korrespondenzen, Vorlagen, Verträge, Vermerke, Vorbereitungsunterlagen, Protokolle) in denen der Name Anwar Raslan oder der Name Anwar Ruslan oder der Name Anwar R. vorkommt sowie zu (2) sämtlicher interner sowie externer Kommunikation zu dieser Thematik, insbesondere dem E-Mail- und Postverkehr von Mitarbeitenden des AA in den sechs Monaten vor und den sechs Monaten nach dem Asylbescheid von Anwar Ruslan vom 18.05.2015 angefallen ist und in dem es um Anwar Ruslan ging, mit der Bitte jeweils die alternativen Schreibeisen "Anwar Raslan und Anwar R." mit einzubeziehen.
Sie stützen ihren Antrag im Wesentlichen auf §1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG).
Diesen Antrag hat das Auswärtige Amt mit Bescheid vom 16.05.2022 mit der Begründung, die Ausnahmetatbestände der §3 Nr. 1 g, §3 Nr. 4, §5 Abs. 1, 2 IFG wären einschlägig, negativ beschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Ihren Antrag vom 09.05.2022 und den Bescheid vom 16.05.2022 Bezug genommen.
1. Ihr Widerspruch ist zulässig und statthaft aber unbegründet und hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach erneuter Überprüfung des Sachverhalts komme ich zu dem Ergebnis, dass Sie keinen Anspruch auf die von Ihnen begehrten amtlichen Informationen haben.
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG hat jeder gegenüber den Behörden Zugang zu amtlichen Informationen. Dieser Grundsatz wird nach den Ausnahmetatbeständen der §§ 3 — 6 IFG zum Schutz anderer Rechtsgüter eingeschränkt.
1. Keine Informationen an den Auslandsvertretungen vorhanden
Soweit Ihre Anfrage auf amtliche Informationen bei den Auslandsvertretungen gerichtet ist, besteht kein Anspruch auf Zugang, denn dort liegen keine amtlichen Informationen gem. §2 Ziffer 1 IFG zu Ihrer Anfrage vor.
Für nationale Visa ergeben sich die Fristen, nach denen Antragsunterlagen spätestens zu vernichten sind, aus der analogen Anwendung von §69 Abs. 3 AufenthV.
Demnach können Visumanträge bei Erteilung des Visums unter Berücksichtigung der örtlichen Lagerkapazitäten maximal bis zu zwei Jahre nach Ablauf der Geltungsdauer des Visums und bei Versagung, Annullierung oder Aufhebung des Visums auch bis zu fünf Jahre nach diesen Entscheidungen aufbewahrt werden.
2. § 3Nr.1 g IFG: Schutz laufender Verfahren
Ihrem Auskunftsanspruch steht im Übrigen der Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 1 g IFG entgegen. Dieser lässt den Informationsanspruch entfallen, soweit die Herausgabe der begehrten Informationen eine nachteilige Auswirkung auf ein laufendes Gerichtsverfahren, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen haben kann (vgl. §3 Rn. 119 Schoch). Erforderlich ist somit die Gefährdung eines der genannten Schutzgüter. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die auf konkrete Tatsachen gestützt sein muss. Aus Anlass Ihres Widerspruches hat das Auswärtige Amt mit dem Bundesministerium der Justiz Kontakt aufgenommen, um zu überprüfen, ob und inwieweit sich die Sachlage möglicherweise geändert haben könnte.
Es liegt weiterhin eine Gefahr für das Schutzgut des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vor. Dabei ist die Durchführung strafrechtlicher, ordnungwidrigkeitsrechtlicher und disziplinarischer Ermittlungen geschützt, wenn die Offenlegung von Informationen die Ermittlung der Wahrheit gefährden würde.
Im vorliegenden Fall könnten die laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwaltes zu weiteren, noch unbekannten Tätern und Täterinnen von Völkerrechtstraftaten in Syrien gefährdet werden, wenn die von Ihnen gewünschte Auskunft gewährt würde. Der Generalbundesanwalt führt weiterhin Strukturermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter des syrischen Regimes wegen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien.
Am Rande des Verfahrens gegen Anwar Ruslan wurde versucht, Druck auf Zeuginnen und Zeugen und deren Familienangehörige in Syrien auszuüben. Familienangehörige in Syrien wurden von Geheimdienstmitarbeitern angesprochen, Zeuginnen und Zeugen in Deutschland wurden sowohl über soziale Medien als auch in direktem persönlichen Kontakt unter Druck gesetzt. Während der Hauptverhandlung wirkten Zeuginnen und Zeugen sichtlich eingeschüchtert und gaben an, für ihre Mitwirkung im Verfahren "schwer zahlen" zu müssen.
Eine Herausgabe der begehrten Informationen kann Mitwirkende am Verfahren, aber auch den Erfolg der andauernden polizeilichen Ermittlungen gefährden.
Darüber hinaus liegt eine Gefahr für das Schutzgut des laufenden Gerichtsverfahrens vor. Im Fall der von Ihnen begehrten Informationen erging zwar bereits ein Urteil, dieses ist aber bisher noch nicht rechtskräftig. Somit könnte durch Veröffentlichung der begehrten Auskünfte die Rechtspflege und der Gesetzesvollzug gefährdet werden, wenn ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf nicht gewährleistet werden kann.
3. §3 Nr.2 IFG: Schutz der öffentlichen Sicherheit
Einer Herausgabe steht auch der Ausschlussgrund der öffentlichen Sicherheit, § 3 Nr.2 IFG entgegen. Geschützt wird auch die Unversehrtheit von Individualrechtsgütern wie Leben, Gesundheit und Freiheit. Die Herausgabe der Informationen kann dazu führen, dass Personen in Deutschland und in Syrien als Mitwirkende an Gerichts- oder Ermittlungsverfahren identifiziert werden und, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, bedroht und an Leben, Gesundheit und Freiheit gefährdet werden.
4. § 3 Nr. 4 IFG: Schutz von Verschlusssachen
Ihrem Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG steht ebenfalls der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. Nr. 4 IFG entgegen. Diese Vorschrift nimmt solche Informationen aus dem Auskunftsanspruch aus, die durch Rechtsvorschrift oder durch Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen. Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 VSA werden Inhalte als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft, bei denen die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann.
Diese Einstufung wurde aus Anlass dieses Verfahrens erneut überprüft. Ein Informationszugang zu den von Ihnen angefragten eingestuften Dokumenten bleibt aus den oben genannten Gründen nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland, so dass die amtlichen Informationen gem. § 3 Nr. 4 IFG nicht herausgegeben werden können.
5. § 5 Abs. 1 und 2 IFG: Schutz personenbezogener Daten
Schließlich stehen Ihrem Auskunftsanspruch auch die Ausnahmetatbestände der § 5 Abs. 1, 2 IFG entgegen, da die Interessenabwägung im vorliegenden Fall zugunsten des Dritten ausfällt.
Gemäß § 5 Abs. 1,2 IFG darf Zugang zu personenbezogenen Daten verwehrt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt.
Aus den oben geschilderten Gründen haben Mitwirkende an dem Gerichtsverfahren, darunter auch eine Angehörige des Auswärtigen Amtes, ein starkes Interesse daran, dass Informationen zu ihrer Person und dem Grad Ihrer Mitwirkung an dem Verfahren nicht herausgegeben werden. Dies gilt auch für Personen, die an den laufenden Ermittlungsverfahren mitgewirkt haben. Das Informationsinteresse des Antragstellers muss dahinter zurückstehen.
Kostenentscheidung:
Die Kostenentscheidung nach § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO ergeht gemäß § 80 VwVfG.
Die Gebührenentscheidung beruht auf § 10 IFG i. V. m. § 1 Abs. 1 der Informationsgebührenverordnung (IFGGebV). Entsprechend Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 IFGGebV ist bei vollständiger oder teilweiser Zurückweisung des Widerspruchs eine Gebühr von mindestens 30 Euro zugrunde zu legen. Hier ist eine Gebühr von 30 Euro festgelegt worden.
Bitte überweisen Sie die Widerspruchsgebühr in Höhe von 30,00 EUR innerhalb eines Monats auf das Konto der Bundeskasse:
Deutsche Bundesbank, Filiale Leipzig
BLZ 86000000
Konto Nr. 86001040
BIC: MARKDEF1860
IBAN: DE38 8600 0000 0086 0010 40
Unter Verwendungszweck geben Sie bitte an: Kassenzeichen 880801016024, 505-511 E 185-2022 IFG.
Mit freundlichen Grüßen