Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Ihren Widerspruch vom 7. Oktober 2022 ergeht folgender
WIDERSPRUCHSBESCHEID
Ihr Widerspruch gegen den Bescheid des Bundesprasidialamtes vom 13. September 2022 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Widerspruchsverfahrens sind von Ihnen zu tragen.
Für die Bearbeitung des Widerspruchs wird eine Gebühr in Höhe von 30,00 Euro erhoben.
Begründung:
Mit E-Mail vom 23. August 2022 begehrten Sie auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) eine Zusendung sämtlicher Dokumente, die sich mit der Frage
befassen, ob eine Entziehung von Verdienstorden gemäß § 4 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen auch nach dem Tod einer ausgezeichneten Person möglich ist.
Diesen Antrag lehnte das Bundespräsidialamt mit Bescheid vom 13. September 2022 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG nicht die Wahrnehmung der verfassungsrechtlichen Aufgaben durch den Bundespräsidenten selbst bzw. die Vorbereitung präsidentieller Akte des Bundespräsidenten durch das Bundespräsidialamt erfasse. Hierbei wurde dargelegt, dass es sich bei der Verleihung und Entziehung von Orden durch den Bundespräsidenten um präsidentielle Akte handele und mithin
Informationen im Zusammenhang mit der Ausübung des Ordensrechts, insbesondere auch die Vorbereitung der Entscheidung über eine Ordensentziehung, nicht dem IFG unterliege. Auf die entsprechende Gesetzesbegriindung wurde hingewiesen.
Mit dem am 7. Oktober 2022 im Bundesprasidialamt eingegangenen Widerspruch verfolgen Sie Ihren Antrag weiter. In Ihrer Begründung führen Sie aus, die Verleihung von Orden sei eine Verwaltungsaufgabe des Bundespräsidialamtes und verweisen diesbezüglich auf den Kommentar
von Friedrich Schoch zum IFG (2. Aufl., 2016, § 1 Rn.185).
II
Ihr zulässiger Widerspruch ist unbegründet.
Ein Anspruch auf Informationszugang aus § 1 IFG besteht aus den in dem Bescheid vom 13. September 2022 dargelegten Gründen nicht. Ein Informationsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz
IFG besteht gegenüber sonstigen Bundesorganen wie dem Bundespräsidenten nur, wenn dieser Verwaltungstätigkeiten im materiellen Sinne wahrnimmt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. August 2022 —- OVG 12 B 25/20 —, EA S. 9, 10). Die Verleihung und Entziehung von Orden durch den Bundespräsidenten erfolgen indes nicht in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben, sondern in Ausübung der verfassungsrechtlichen Kompetenzen des
Bundespräsidenten. Die Entscheidung des Bundespräsidenten über die Verleihung oder Entziehung von Orden ist ein präsidentieller Akt und Ausfluss seines verfassungsrechtlichen Aufgabenbereiches. Die von Ihnen zitierte Ansicht aus der Literatur, wonach es sich bei der Ordensverleihung um eine Verwaltungsaufgabe des Bundespräsidenten handele, da das maßgebende Gesetz (Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen) typische 6ffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben normiere und zudem Regelungen zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und zur Bestimmung des Klagegegners enthalte, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Die Entscheidung über die Verleihung und Entziehung von Orden betrifft den spezifischen verfassungsrechtlichen Aufgabenbereich des Bundespräsidenten. Dieser umfasst nicht nur die im Grundgesetz explizit aufgeführten Befugnisse, sondern auch ungeschriebene Kompetenzen. Solche ungeschriebenen Kompetenzen knüpfen vor allem an die traditionellen Befugnisse eines Staatsoberhauptes an und sind im Prozess verfassungskonkretisierender Staatspraxis konsolidiert worden. Hierbei ist es einhellige Auffassung, dass der Bundespräsident die primäre Zuständigkeit über die Stiftung und Verleihung staatlicher Orden und Ehrenzeichen besitzt (s. nur v. Arnauld, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 54 Rn. 5; Herzog, in: Maunz/Dürig,
GG, Art. 54 Rn. 71).
Auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Informationsfreiheitsgesetz stellen Handlungen des Bundespräsidenten, die dieser in seiner verfassungsrechtlichen Funktion als Staatsoberhaupt wahrnimmt, keine Verwaltungstätigkeit dar. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zeichnet die Gesetzesbegründung zum Informationsfreiheitsgesetz die
maßgebliche Abgrenzung zwischen Verwaltungstätigkeit und anderen Staatsfunktionen vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - BVerwG 7 C 1/12 -, juris Rn. 24 [Hervorhebungen durch Verf.])
»Denn die in der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG benannten Staatsfunktionen umschreiben, soweit es um die ihnen zuzuordnenden spezifischen Aufgaben geht, im Wesentlichen die Tätigkeitsbereiche, auf die sich das Informationsfreiheitsgesetz nicht erstreckt (Urteil vom 3. November a.a.O. Rn. 18).“
Die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG ldsst kein anderes Verständnis zu, wenn es dort heißt (BT Drs 15/4493, S. 8 [Hervorhebungen durch Verf.]):
»Auch die Tätigkeit des Bundespräsidialamtes füllt in der Regel nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes, insbesondere nicht die Vorbereitung präsidentieller Akte des Bundespräsidenten und die vom Bundespräsidenten delegierten Akte. Zu diesen zahlen zum Beispiel die verfassungsrechtlichen Prüfungsbefugnisse im Rahmen von Art. 82 Abs. 1 GG, die Ausübung des Gnadenrechts gemäß Art. 60 Abs. 2 GG oder die Austübung des Ordensrechts.“
Die Anspruchsverpflichtung des Bundespräsidialamtes ist akzessorisch zur Informationspflicht
des Bundespräsidenten. Sofern das Bundespräsidialamt — wie hier — präsidentielle Akte vorbereitet, die keine Verwaltungsaufgaben darstellen, ist es ebenfalls nicht auskunftspflichtig.
Ihr Begehr auf Zusendung sämtlicher Dokumente, die die posthume Entziehung von Verdienstorden betreffen, ist dem Informationszugang nach § 1 Abs. 1 Satz 2 GG mithin entzogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Gebührenentscheidung ergibt sich aus § 10 IFG i. V. m. Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 IFGGebV, wonach bei Zurtickweisung des Widerspruchs eine Gebtihr von mindestens 30,00 Euro zugrunde zu legen ist.
Ich bitte die Gebühr mittels des beigefügten Üan die Bundeskasse Halle/Saale,
IBAN DE38 8600 0000 0086 0010 40,
BIC MARKDEF1860, unter Angabe des Kassenzeichens
1180 0555 1348 BEW 03066016
innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses
Widerspruchsbescheids zu überweisen.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen den Widerspruchsbescheid kann innerhalb eines Monats Klage beim Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstrafe 7, 10557 Berlin, erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen