---- per Fax und E-Mail ----
Widerspruch
Vera Deleja-Hotko
℅ Open Knowledge Foundation
Singerstraße 109, 10179 Berlin
An das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
53107 Bonn
Ihr Az.: FB BLM - 53-1/2
18. Oktober 2022
Zugang zu amtlichen Informationen
hier: Ihr Bescheid vom 20. September 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich erhebe Widerspruch gegen Ihren Bescheid vom 20. September 2022 (Az.: FB BLM - 53-1/2).
Zur Konkretisierung meines Antrags ergänze ich Folgendes: Mein Antrag bezieht sich auf die Dauer der laufenden Legislaturperiode. Ich erkläre mich ausdrücklich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten geschwärzt werden können (§ 7 Abs. 2 S. 2 IFG).
Begründung
I.
Ich bin investigative Journalistin im Dienst der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. und leite den Bereich Recherche des Projekts „Frag den Staat“. Mit E-Mail vom 5. September 2022 beantragte ich über die Plattform
fragdenstaat.de den Zugang zu den folgenden Informationen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales:
Summe, die für das Leasing des Dienstwagens d. Minister:in ausgegeben wird
Leasingvertrag des Dienstwagens d. Minister:in
Mit Schreiben vom 20. September 2022 lehnte das BMAS den Antrag ab (Az. FB BLM - 53-1/2). Das BMAS stützt die Ablehnung des Anspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf § 6 IFG. Der Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen dürfe nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Auf die Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens sei verzichtet worden, weil ich der Weitergabe meiner Daten widersprochen habe und der Leasingvertrag eine Stillschweigeklausel enthalte. Der Leasingvertrag selbst enthalte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die Herausgabe der Vertragsinhalte würde zu Wettbewerbsvorteilen von Konkurrenten führen, die die Konditionen des Vertrages als Vorlage für künftige Angebote nutzen könnten, was die eigene Wettbewerbsposition des Vertragspartners beeinträchtige.
Auch der verfassungsunmittelbare presserechtliche Auskunftsanspruch (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) sei ausgeschlossen, weil das schutzwürdige Recht des Leasinggebers auf Wahrung seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wegen der zu befürchtenden Wettbewerbsnachteile das Informationsinteresse der Antragstellerin überwiegen würden.
II.
Der Widerspruch ist zulässig und begründet. Der Bescheid des BMAS ist rechtswidrig und verletzt mich in meinen Rechten (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO analog). Mir steht ein Anspruch auf Zugang zu den beschriebenen Informationen aus § 1 Abs. 1 S. 1 IFG beziehungsweise ein presserechtlicher Auskunftsanspruch (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) zu.
1. Der Ausschlussgrund des § 6 S. 2 IFG steht meinem Anspruch auf Informationszugang aus § 1 Abs. 1 S. 1 IFG nicht entgegen.
a) Verzicht auf das Drittbeteiligungsverfahren
Die Ablehnung meines Antrags ist rechtswidrig, denn schon das fehlerhafte Unterlassen des Drittbeteiligungsverfahrens führt zwingend zur Rechtswidrigkeit der ablehnenden Zugangsentscheidung (BeckOK InfoMedienR/Sicko, 37. Ed. 1.5.2022, IFG § 8 Rn. 41; Schoch, NVwZ 2013, 1033 (1039)). Gemäß § 8 Abs. 1 IFG gibt die Behörde Dritten, deren Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte vorliegen, dass sie ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben. Wenn Sie sich auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter nach § 6 S. 2 IFG berufen, hätten Sie das Drittbeteiligungsverfahren in jedem Fall durchführen müssen, denn Sie dürfen nicht ohne Anhörung des Dritten von dessen Geheimhaltungswillen ausgehen.
Sie können sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, ich hätte auf die Durchführung des Drittbeteiligungsverfahrens verzichtet, indem ich der Übermittlung meiner Daten an Dritte im Rahmen meines Antrags widersprochen habe. Erstens ist es umstritten, ob die Weitergabe der Daten der Antragsteller:in für die Durchführung des Drittbeteiligungsverfahrens zwingend notwendig ist. Zweitens hätten Sie mich gemäß § 25 Abs. 1 VwVfG vor der Bescheidung darauf hinweisen müssen, dass Sie aus diesem Grund auf das Drittbeteiligungsverfahren verzichten. Insoweit haben Sie Ihre behördliche Beratungspflicht verletzt. Richtig ist, dass die Anhörung des Dritten zunächst auch ohne Übermittlung meiner Daten durchgeführt werden könnte und meine Identität nur auf Anfrage des Dritten offenbart werden müsste (Schoch IFG/Schoch, 2. Aufl. 2016, IFG § 8 Rn. 40). Hilfsweise erkläre ich mich damit einverstanden, dass meine Identität gegenüber dem Dritten offenbart wird.
b) Summe, die für das Leasing des Dienstwagens d. Minister:in ausgegeben wird
Zunächst ist festzustellen, dass Sie das berechtigte Interesse der Vertragspartner:in an der Geheimhaltung der Leasingraten nicht hinreichend dargelegt haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht muss die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Fall des Bekanntwerdens der Informationen nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 12/13 –, BVerwGE 150, 383–398, Rn. 28, BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2/09 –, BVerwGE 135, 34–48, Rn. 58). Sie haben pauschal damit argumentiert, dass die Angabe einer monatlichen oder jährlichen Leasingsumme die interne Kalkulation Ihres Vertragspartners offenbaren würde und dies zu Wettbewerbsvorteilen von Konkurrenten führen könnte. Diese Angabe genügt den Anforderungen nicht, die das Bundesverwaltungsgericht an die Darlegung gestellt hat.
Auch in der Sache liegt kein berechtigtes Interesse der Vertragspartner:in an der Geheimhaltung vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, wenn
die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18/08 –, Rn. 50).
Sie nehmen zwar zu Recht an, dass das kaufmännische Wissen Ihrer Vertragspartner:in auch die Kostenkalkulation umfassen kann. Allerdings lässt die Kenntnis der Leasingraten keine Rückschlüsse auf die Kostenkalkulation des Leasingunternehmens zu. Ohne die Kenntnis der Vertragslaufzeit, der Art des Leasings, der Höhe etwaiger An- und Restzahlungen, der Details zum Leasinggegenstand und zu den Zahlungsmodalitäten ist ein Rückschluss auf die interne Kalkulation des Leasingunternehmens ausgeschlossen. Die Rekonstruktion ist außerdem schon deshalb ausgeschlossen, weil ohne die Kenntnis, ob das BMAS nur dieses eine oder mehrere Fahrzeuge von der Vertragspartner:in geleast hat, nicht beurteilt werden kann, ob eine Mischkalkulation vorliegt. Inwiefern konkurrierende Unternehmen Wettbewerbsvorteile aus der Kenntnis der Leasingraten ohne Kenntnis des vertraglichen und wirtschaftlichen Kontextes ziehen könnten, ist für mich aus ebendiesen Gründen nicht nachvollziehbar.
c) Leasingvertrag des Dienstwagens d. Minister:in
Auch die Begründung des Ablehnungsbescheids hinsichtlich des Leasingvertrags genügt den Anforderungen der Rechtsprechung an die Darlegung der Ausschlussgründe nicht. Der Ausschlussgrund muss von der Behörde konkret bezogen auf die einzelnen Akten und Aktenbestandteile (BVerwG, Urteil v. 27.11.2014 – 7 C 18/12 –), das heißt für jede einzelne Information, also Blatt für Blatt, Absatz für Absatz und gegebenenfalls Wort für Wort dargelegt werden. Indem Sie den Leasingvertrag pauschal zum Betriebs- und Geschäftsgeheimnis erklären, genügen Sie Ihrer Darlegungspflicht nicht. Die Nachprüfung des Ausschlussgrundes ist in diesem Fall nämlich nicht möglich.
Zudem sei darauf hingewiesen, dass Sie sich im Rahmen des § 6 S. 2 IFG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht nicht auf eine vertragliche Vertraulichkeitsklausel berufen können, denn das Informationsfreiheitsgesetz kann durch vertragliche Vereinbarungen nicht abbedungen werden (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 – 7 C 2/15 –, Rn. 36 = BVerwGE 154, 231–247; Schoch IFG/Schoch, 2. Aufl. 2016, IFG § 6 Rn. 107).
2. Mein unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgender presserechtlicher Auskunftsanspruch ist – bezogen auf die Auskunft über die Leasingraten – ebenfalls nicht ausgeschlossen.
Aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Auskunftsanspruchs können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit die Informationen bei der Behörde vorhanden sind und berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall, wobei allerdings eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den presserechtlichen Auskunftsanspruch ausschließen; (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – 6 VR 1/17 –, Rn. 18).
Da die bloße Angabe der Leasingrate kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis der Vertragspartner:in des BMAS betrifft (siehe oben), stehen meinem Auskunftsanspruch auch keine schutzwürdigen Interessen Privater entgegen.
Selbst wenn man annähme, dass die begehrten Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis berührten, ist der Auskunftsanspruch nicht ausgeschlossen, denn im Gegensatz zum Anspruch aus § 1 IFG sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Presserecht nicht abwägungsfest geschützt und mein Informationsinteresse überwiegt das Interesse der Vertragspartner:in an der Geheimhaltung der Leasingsumme. Die Abwägung fällt zu meinen Gunsten aus, denn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist aufgrund der herausgehobenen Stellung des Bundesministers besonders hoch. Die Dienstwagen der Mitglieder der Bundesregierung wurden in der Öffentlichkeit immer wieder hinsichtlich der Kosten, Antriebsart, Ausstattung oder Emissionen diskutiert (exemplarisch:
https://www.bild.de/politik/inland/di... https://www.t-online.de/nachhaltigkei...). Das Interesse des Leasingunternehmens an der Geheimhaltung der Leasingraten ist dagegen gering, denn ob durch eine Veröffentlichung der Information ein wirtschaftlicher Schaden entstehen kann, ist vollkommen unklar, aber eher unwahrscheinlich, da die bloße Angabe der Leasingraten der Konkurrenz kaum Anhaltspunkte für die eigene Angebotsgestaltung bietet.
Anhänge:
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Anfragenr: 258461
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