Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Ihren 0.9. Widerspruch ergeht nachfolgender Widerspruchsbescheid:
1. Ihr Widerspruch vom 27.02.2023 gegen den Bescheid vom 17.02.2023 zur Ablehnung Ihres Antrages auf Akteneinsicht vom 22.11.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Widerspruchsführer zu tragen. Eine Verwaltungsgebühr wird nicht erhoben. Aufwendungen werden nicht erstattet.
I. Sachverhalt:
Mit Schreiben vom 22.11.2022 haben Sie einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AlG), dem Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG) und dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) gestellt. Sie haben beantragt, Ihnen sämtliche Verträge zwischen dem Landkreis und Dritten in Bezug auf die Nutzung der Immobilien in den Rheinsberger Ortsteilen Zechlinerhütte und Luhme für die Flüchtlingsunterbringung zu übersenden. Sie verweisen hierzu auf den Artikel „Das Geschäft mit den Flüchtlingsheimen: Wie zwei Investoren in Ostprignitz-Ruppin Millionen verdienten“, der auf der Webseite der Märkischen Allgemeinen erschienen ist.
Mit Bescheid vom 17.02.2023 wurde Ihr Antrag abgelehnt.
Dies wurde hinsichtlich des Antrags auf Akteneinsicht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AlG) damit begründet, dass überwiegende öffentliche Interessen nach § 4 Absatz 2 Nr. 1 AIG entgegenstehen, weil sich der Inhalt der Akten auf Vorgänge bezieht, die nach § 36 Absatz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgK- Verf) in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten oder zu beschließen sind. Der Antrag auf Akteneinsicht bezieht sich auf Verträge über die Anmietung von zwei Übergangswohnheimen des Landkreises in den Rheinsberger Ortsteilen Zechlinerhütte und Luhme, über die nach § 36 Absatz 2 Satz 2 BbgKVerf in nicht öffentlicher Sitzung des Kreistages zu beraten und zu beschließen ist, weil überwiegende Belange des öffentlichen Wohls dies erfordern, da in den Verträgen die Miethöhe und andere Vertragskonditionen genannt werden und das öffentliche Bekanntwerden der Vertragsinhalte den Landkreis in eine wirtschaftlich nachteilige Position bringen würde, weil möglichen Vertragspartnern bekannt wäre, zu welchen Konditionen und zu welcher Miethöhe der Landkreis bereit ist, Verträge über Übergangswohnheime ab- zuschließen, so dass für den Landkreis kaum günstigere Verträge abschließbar wären und
die Verhandlungsposition des Landkreises erheblich geschwächt würde. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein atypischer Ausnahmefall, der ein Abweichen von der Regel des § 4 Absatz 2 Nr. 1 AIG rechtfertigen würde, nicht gegeben ist.
Hinsichtlich des Antrags auf Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG) wurde die Ablehnung damit begründet, dass der Antrag nicht auf Umweltinformationen im Sinne des $ 2 Absatz 3 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) gerichtet war.
Hinsichtlich des Antrags auf Akteneinsicht nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) wurde dies damit begründet, dass der Antrag nicht auf Verbraucherinformationen im Sinne der §§ 1, 2 VIG gerichtet war.
Mit Schreiben vom 27.02.2023 haben Sie Widerspruch gegen die Ablehnung Ihres Antrags nach dem AIG eingelegt. Das Schreiben ist per Fax am selben Tag hier eingegangen. Zur Begründung tragen Sie vor, dass die genannten Ausnahmetatbestände nicht einschlägig seien. In jedem Fall sei das öffentliche Interesse an den Informationen aber höher einzustufen. Sie verweisen auf 17 Zeitungsartikel, die sich mit der geplanten Einrichtung eines Flüchtlingswohnheims in einem ehemaligen Hotel im Rheinsberger Ortsteil Flecken Zechlin befassen. Weiterhin tragen Sie vor, dass die Verträge dabei helfen könnten, zu überprüfen, warum ein Personenkreis wiederholt Immobilien habe erwerben können, in denen wenig später Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet worden seien, was mit erheblichem Einsatz von Steuergeldern einhergegangen sei.
Il. Rechtliche Würdigung:
1.
Der Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin ist für die Entscheidung über den Widerspruch gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sachlich und örtlich zuständig. Gem. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO erlässt die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, den Widerspruchsbescheid, wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist. Dies ist hier der Fall. Nächsthöhere Behörde wäre das zuständige Landesministerium.
2.
Der am 27.02.2023 hier per Fax eingegangene Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.02.2023 ist form- und fristgerecht eingegangen.
3.
Der Widerspruch richtet sich ausdrücklich nur gegen die Ablehnung Ihres Antrages auf Akteneinsicht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG), nicht gegen die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG) und dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG).
4.
Der zulässige Widerspruch ist unbegründet. Der Antrag auf Akteneinsicht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AlG) wurde zu Recht abgelehnt.
Gem. § 1 AIG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 AIG entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten.
Akten im Sinne dieses Gesetzes sind gem. § 3 Abs. 1 AIG alle schriftlich, elektronisch, optisch, akustisch oder auf andere Weise aufgezeichneten Unterlagen, soweit diese ausschließlich amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienen. Nicht hierunter fallen Vorentwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil des Vorgangs sind und spätestens nach dessen Abschluss vernichtet werden.
Hier bezog sich der Antrag auf Akteneinsicht auf sämtliche Verträge zwischen dem Landkreis und Dritten in Bezug auf die Nutzung der Immobilien in den Rheinsberger Ortsteilen Zechlinerhütte und Luhme für die Flüchtlingsunterbringung. Dies sind Akten im Sinne des § 3 Abs. 1 AIG.
Gem. § 4 Abs. 2 AlG soll der Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt werden,
1. soweit sich der Inhalt der Akten auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen Behörden oder Verwaltungseinrichtungen oder auf Vorgänge bezieht, die nach § 36 Abs. 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten oder zu beschließen sind oder in nichtöffentlicher Sitzung beraten oder beschlossen worden sind,
2. wenn durch das vorzeitige Bekanntwerden des Akteninhalts der Erfolg bevorstehender behördlicher Maßnahmen gefährdet werden könnte,
3. wenn sie sich auf die Übermittlung noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder auf Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung bezieht oder
4. wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stelle erheblich beeinträchtigt würde,
es sei denn, dass das Interesse an der Einsichtnahme das entgegenstehende öffentliche Interesse im Einzelfall überwiegt.
Hier wurde zu Recht festgestellt, dass der Inhalt der Verträge, in die Einsichtnahme beantragt wurde, nach § 36 Abs. 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten oder zu beschließen sind.
Wie im Bescheid ausgeführt wurde, ist die Öffentlichkeit gem. § 36 Absatz 2 Satz 2 BbgKVerf von Beratungen des Kreistages auszuschließen, wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner dies erfordern. Überwiegende Belange des öffentlichen Wohls liegen vor, wenn Interessen des Landkreises durch eine öffentliche Sitzung mit Wahrscheinlichkeit wesentlich verletzt werden könnten (Philipsen in Muth, Potsdamer Kommentar, & 36, Randnummer 31; Verwaltungsgerichtshof BadenWürttemberg, Urteil vom 18.06.1980 - Il 503/79 -, juris, Randnummer 23; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 08.08.1990 - 3S 132/90 -, juris, Randnummer 27).
Dies ist regelmäßig bei der Behandlung von Grundstücksangelegenheiten der Fall. Verträge über den Kauf oder Verkauf von Grundstücken enthalten Preisvereinbarungen. Dabei geht es normalerweise auch um erhebliche Beträge. Es entspräche regelmäßig nicht dem Gemeinwohlinteresse, wenn die Vertragskonditionen, die ein Landkreis im Einzelfall zu gewähren bereit ist, öffentlich beraten würden, da dies die Verhandlungsposition des Landkreises in etwaigen weiteren Vertragsverhandlungen schwächen könnte. Daher werden Grundstücksverträge in Literatur und Rechtsprechung weitgehend als eine Angelegenheit angesehen, die in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln ist (Philipsen in Muth, Potsdamer Kommentar, § 36 Randnummer 32; Schumacher in Schumacher/Benedens/Erdmann u.a., Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, § 36 BbgKVerf, Anmerkung 5.2; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.09.2008 -15 A 2129/08 -, juris, Randnummer 17; Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 07.12.2020 - 8 K 2724/
19.Gl -, juris, Randnummer 60; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2018, - 15 A 265/17 -, juris, Randnummer 15). Dies gilt auch bei der Beratung über den Abschluss von Mietverträgen, da die Offenbarung von Einzelheiten des Vertrags, insbesondere des Mietzinses, die Verhandlungsposition des Landkreises in künftigen Verhandlungen mit anderen Vermietern schwächen könnte (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2016 - 1K 3757/15 -, juris, Randnummer 35).
Wie im Bescheid zu Recht festgestellt wurde, ist ein solcher Fall hier gegeben, weil in den Verträgen die Miethöhe und andere Vertragskonditionen festgelegt werden. Das öffentliche Bekanntwerden der Vertragsinhalte würde den Landkreis in eine wirtschaftlich nachteilige Position bringen, weil möglichen Vertragspartnern bekannt wäre, zu welchen Konditionen und zu welcher Miethöhe der Landkreis bereit ist, Verträge über Übergangswohnheime abzuschließen, so dass für den Landkreis kaum günstigere Verträge abschließbar wären. Die Verhandlungsposition würde dadurch erheblich geschwächt. Aufgrund der erheblichen Kosten, die durch die Anmietung von Übergangswohnheimen entstehen, wären überwiegende Belange des Gemeinwohls verletzt, wenn über derartige Verträge in öffentlicher Sitzung beraten und entschieden würde. Die Öffentlichkeit ist bei der Beratung und Beschlussfassung über derartige Verträge auszuschließen. In derartige Verträge soll daher gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 AIG auch keine Einsicht gewährt werden, weil überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Das Interesse an der Einsichtnahme überwiegt nicht das entgegenstehende öffentliche Interesse im Einzelfall. Sie verweisen in Ihrer Widerspruchsbegründung auf mehrere Zeitungsartikel zum geplanten Flüchtlingswohnheim im Flecken Zechlin. Die Übergangswohnheime in Luhme und Zechlinerhütte stehen mit dem geplanten Flüchtlingsheim in Flecken Zechlin in keiner Verbindung, weil die dortigen Mietverträge bereits im Jahr 2017 aufgehoben wurden, während der Mietvertrag über das geplante Wohnheim im Flecken Zechlin erst im Jahr 2022 abgeschlossen wurde. Es handelt sich auch nicht um dieselben Vertragspartner.
Sie tragen weiter vor, dass die Verträge dabei helfen könnten, zu überprüfen, warum ein Personenkreis wiederholt Immobilien erworben habe, in denen wenig später eine Flüchtlingsunterkunft errichtet worden sei, was mit erheblichem Einsatz von Steuergeld einhergegangen sei. Dies ist nicht der Fall. Bei den Verträgen handelt es sich um Mietverträge, nicht um Kaufverträge über Immobilien. Zu den Eigentumsverhältnissen an den vermieteten Objekten werden keine Aussagen getroffen. Es werden in den Verträgen lediglich die Mietkonditionen und insbesondere die Miethöhe festgelegt, an deren Geheimhaltung ein erhebliches öffentliches Interesse besteht.
Der Schutz der in § 4 Abs. 2 AIG genannten öffentlichen Belange kann auch nicht durch Aussonderung von Aktenteilen oder Einzeldaten gewährleistet werden. Gem. § 6 Abs. 2 AIG sind dann, wenn der Schutz der in den § 4 und 5 genannten öffentlichen und privaten Belange durch Aussonderung von Aktenteilen oder Einzeldaten gewährleistet werden kann, dem Antragsteller der übrige Teil der Akte zugänglich zu machen. Im vorliegenden Fall sind zum Schutz der in § 4 Abs. 2 AIG genannten öffentlichen Belange nicht nur Einzeldaten, sondern die gesamten Vertragskonditionen geheim zu halten. Die Akteneinsicht kann daher auch nicht durch Schwärzung von Einzeldaten gewährt werden.
Der Antrag auf Akteneinsicht nach dem AIG wurde daher zu Recht abgelehnt.
5.
Die Entscheidung über die Gebührenfreiheit des Widerspruchsbescheides sowie die Kosten und Aufwendungen beruht auf § 18 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg i.V.m. § 1 Absatz 1 Satz 1 VwVfGBbg i.V.m. § 80 Abs. 1 VwVfG.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen den Bescheid vom 17.02.2023 in Gestalt dieses Widerspruchsbescheides kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides Klage bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden.
Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden.
Falls die Klage schriftlich oder zur Niederschrift erhoben wird, sollen der Klage nebst Anlagen so viele Abschriften beigefügt werden, dass alle Beteiligten eine Ausfertigung erhalten können.
Falls die Klage in elektronischer Form erhoben wird, sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes zu versehen. Sie ist bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts Potsdam über die auf der Internetseite
www.erv.brandenburg.de bezeichneten Kommunikationswege einzureichen. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sowie die weiteren technischen Anforderungen sind unter der vorgenannten Internetseite abrufbar.
Mit freundlichen Grüßen
ich habe die in der Antwort des Landkreises vom 17.2.23 genannten Artikel geschrieben;
https://www.focus.de/panorama/welt/lukr…
https://www.maz-online.de/lokales/ostpr…
Ich wollte darauf hinweisen, dass auf Grund der vielen Artikel, die in der Sache erschienen sind, im Jahr 2022 waren es über 25, mehrere Gerichte ein öffentliches Interesse als gegeben betrachten.
Das waren die Gerichte in Neuruppin, in Strausberg, in Berlin-Lichtenberg und in Brandenburg an der Havel.
Daraufhin haben diese Gerichte mir Akteneinsicht gewährt, die normalerweise nicht gestattet worden wäre. Ich denke das Geheimhaltungsrecht, auf das der Landkreis verweist, würde unter normalen Umständen gelten. Auf Grund des nachgewiesenen öffentlichen Interesses, das vier Gerichte anerkennen, dürfte eine Geheimhaltung hier nicht gelten.
Bei Rückfagen meldet Euch gerne.
Viele Grüße,
Adrian Garcia-Landa