Sehr geehrte
auf Ihren Widerspruch vom 04.07.2018, hier eingegangen am 09.07.2018, gegen den Bescheid des Bundeskriminalamts vom 20.06.2018 (ZV34-DS 2018-0012131857) ergeht folgender Widerspruchsbescheid:
1. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens trägt der Widerspruchsführer - mit Ausnahme der dem Bundeskriminalamt entstandenen Aufwendungen.
3. Dieser Widerspruchsbescheid ergeht gebührenfrei. Verwaltungskosten werden nicht erhoben.
Begründung:
I.
Mit E-Mail vom 27.04.2018 beantragten Sie gemäß § 1 IFG (Informationsfreiheitsgesetz), sowie § 3 UIG (Umweltinformationsgesetz) und § 1 VIG (Verbraucherinformationsgesetz) Zugang zu allen Informationen (inklusive Vermerken, Gesprächsprotokollen, Entwürfen, Notizen, Eingaben, Schriftwechseln, Gutachten, Berichten und Zwischenständen) zur „Überprüfung von Produkten der informationstechnischen Überwachung (Quellen-Telekommunikationsüberwachung/Online-Durchsuchung)“ durch „externe Prüfinstitute“ die in Antwort der Bundesregierung vom 28.03.2018 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 19/1434) erwähnt werden.
Mit Bescheid des Bundeskriminalamtes vom 20.06.2018 wurde Ihr Antrag unter Berufung auf §§ 3 Nr. 1c litt. c, Nr. 2, Nr. 4 IFG abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Teil der begehrten Informationen aufgrund der Einstufung als Verschlusssache einer Geheimhaltungspflicht unterliege und das Bekanntwerden der übrigen Informationen Auswirkungen für die innere Sicherheit habe bzw. die öffentliche Sicherheit gefährde.
Mit Schreiben vom 04.07.2018 legten Sie Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.08.2018 ein. Der Widerspruch ist hier am 09.07.2018 zugegangen. Zur Begründung führen Sie aus, dass davon auszugehen sei, dass ein Teil der begehrten Informationen nicht als Verschlusssache eingestuft sei und hierzu auch nicht vorgetragen wurde. Zudem sei auszuschließen, dass sämtliche Informationen Rückschlüsse auf polizeitaktische Maßnahmen zuließen, insoweit müsse beispielsweise die Modalität der Vergütung zugänglich gemacht werden.
II.
Der Widerspruch ist zulässig, insbesondere ist er fristgemäß eingelegt worden. Der Widerspruch ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 20.06.2018 ist rechtmäßig und verletzt Sie als Widerspruchsführer nicht in Ihren Rechten. Ein Rechtsanspruch gegenüber dem Bundeskriminalamt (BKA) besteht auch nach erneuter Überprüfung Ihres Begehrens nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG nicht. Die Begründung des Bescheides vom 20.06.2018 wird aufrechterhalten.
Das IFG regelt den grundsätzlichen Zugang zu amtlichen Informationen einer Behörde. Zwar ist der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen materiellrechtlich voraussetzungslos, er besteht aber nicht ausnahmslos. Für die Grenzen der Informationszugangsfreiheit wurden daher Ausnahmetatbestände ergänzt. Diese Zugangsrestriktionen wurden in den §§ 3-6 IFG normiert. Handelt es sich um eine der dort genannten Konstellationen, so sind die erbetenen Informationen nicht vom Informationsanspruch des Antragstellers umfasst.
Die Möglichkeit, den Informationszugang lediglich in Teilen zu ermöglichen, ergibt sich aus § 7 IFG.
Seitens des Bundeskriminalamtes wurde im Rahmen der Widerspruchsprüfung, wie auch bereits beim Erstbescheid im gegenständlichen Einzelfall geprüft, ob Ihrem Antrag auf Informationszugang zumindest zum Teil stattgegeben werden kann. Dies wäre lediglich möglich, wenn der Informationszugang ohne Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen oder ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich wäre (§ 7 Abs. 2 S. 1 IFG). Ein Teilzugang zu den begehrten Informationen kommt vorwiegend nicht in Betracht, da sich die Einstufungen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) nicht auf einzelne Passagen sondern auf alle Informationen, die das Gutachten zur Überprüfung von Produkten der informationstechnischen Überwachung durch externe Prüfinstitute betreffen und damit zusammenhängen, beziehen. Eine Schwärzung von Teilbereichen kommt daher ebenfalls nicht in Betracht. Im vorliegenden Fall hat die umfassende Prüfung ergeben, dass das Geheimhaltungsinteresse des Bundes Ihren Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen überwiegt.
Gemäß § 3 Nr. 4 IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Eine als Verschlusssache eingestufte Information unterliegt nur dann nicht dem Anspruch auf Informationszugang, wenn die materiellen Gründe für eine solche Einstufung tatsächlich vorliegen (BVerwG, Urteil vom 29.10.2009, 7 C 21/08). Das BVerwG hat damit die Rechtsprechung von Instanzgerichten zurückgewiesen, wonach bereits die - formale - Einstufung der Information einer Verschlusssache die Wirkung des § 3 Nr. 4 IFG auslöst (Gersdorf/Paal, Kommentar BeckOK Informations- und Medienrecht, 20. Edition, Rn. 157). Dementsprechend ist zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Einstufung als Verschlusssache vorliegen. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Einstufung als Verschlusssache an, die damit grundsätzlich auch etwa während eines verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens wegen der Nicht-Zugänglichmachung der begehrten Informationen möglich ist und vom Gericht beachtet werden muss (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.05.2017, OVG 12 B 5.16). Die informationspflichtige Stelle muss begründen, warum nicht zu veröffentlichende Informationen materiell die Einstufung als Verschlusssache rechtfertigen (VG Wiesbaden, Urteil vom 04.09.2015, 6 K 687/15.WI)‚ sie hat also die Darlegungslast zu den materiellen Voraussetzungen der Einstufung (OVG Münster, Urteil vom 05.05.2017, 15 A 1578/15).
Nach § 4 Abs. 1 SÜG (Sicherheitsüberprüfungsgesetz) sind Verschlusssachen im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Verschlusssachen können auch Produkte und die dazugehörenden Dokumente sowie zugehörige Schlüsselmittel zur Entschlüsselung, Verschlüsselung und Übertragung von Informationen sein (Kryptomittel). Geheimhaltungsbedürftig im öffentlichen Interesse können auch Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-‚ Steuer- oder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereichs sein.
Von einer Verschlusssache dürfen nur Personen Kenntnis erhalten, die auf Grund ihrer Aufgabenerfüllung Kenntnis haben müssen. Keine Person darf über eine Verschlusssache umfassender oder eher unterrichtet werden, als dies aus Gründen der Aufgabenerfüllung notwendig ist (§ 4 Abs. 1a SÜG). Die materiellen Voraussetzungen für die Einstufung zu einem bestimmten Geheimhaltungsgrad ergeben sich aus § 3 Nr. 4 VSA (Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen) i.V.m § 4 Abs. 2 SÜG. Gemäß § 4 Abs. 2 SÜG werden Verschlusssachen entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle des Bundes oder auf deren Veranlassung in folgende Geheimhaltungsgrade eingestuft, wobei zwischen den Geheimhaltungsgraden STRENG GEHEIM, GEHEIM, VS-VERTRAULICH und VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH unterschieden wird.
Als GEHEIM eingestuft werden können Informationen, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugt die Sicherheit der gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann. Wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann, wird die Verschlusssache als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH (VS-NfD) eingestuft.
Eine Informationsverweigerung nach § 3 Nr. 4 IFG kann sich aus jeder der vier Geheimhaltungsstufen ergeben.
Bei den vom Ihnen begehrten Auskünfte handelt es sich um Informationen, die gemäß der SÜG/VSA eingestuft sind.
Die Gutachten zur Überprüfung von Produkten der informationstechnischen Überwachung durch externe Prüfinstitute sind nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 SÜG als Verschlusssache des Geheimhaltungsgrades GEHEIM eingestuft.
Als Verschlusssache des Geheimhaltungsgrades VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 SÜG eingestuft sind alle mit den Gutachten zur Überprüfung von Produkten der informationstechnischen Überwachung durch externe Prüfinstitute zusammenhängenden Informationen (u.a. Gesprächsprotokolle, interner/externer Schriftverkehr, Vermerke, Zwischenberichte, Beschaffungsunterlagen etc.).
In den Gutachten zur Überprüfung von Produkten der informationstechnischen Überwachung durch externe Prüfinstitute sind detaillierte und umfassende Ausführungen zu technischen Workflows, den notwendigen technischen Ausgestaltungen und Anwendungsszenarien dargelegt. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte ermöglicht u.a., dass sich Beschuldigte/Verdächtige durch eine Änderung ihres Kommunikationsverhaltens bzw. dem Ergreifen technischer und organisatorischer Workflows („Gegenmaßnahmen“) den Maßnahmen der informationstechnischen Überwachung entziehen können. Zum anderen werden die Anbieter kommerzieller Hard- und Software in die Lage versetzt, die von der Überwachungssoftware genutzten Angriffsvektoren (Schwachstellen etc.) zu schließen und den Einsatz der Software unter Umständen dauerhaft zu verhindern. Dies hätte eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Fähigkeiten der zuständigen Sicherheitsbehörden zur Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der Strafverfolgung bzw. Gefahrenabwehr insbesondere in den Kriminalitätsfeldern Terrorismus/Extremismus und der Organisierten Kriminalität zur Folge. Folglich würde die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden und auch ihren Interessen schweren Schaden zufügen können. Insoweit waren diese Informationen als Verschlusssache des Geheimhaltungsgrades GEHEIM einzustufen. Da die in den Gutachten beschriebenen technischen Workflows, die notwendigen technischen Ausgestaltungen und die Anwendungsszenarien weiterhin verwendet werden, ist die Einstufung auch weiterhin rechtmäßig.
Die Einstufung der Informationen (u.a. Gesprächsprotokolle, interner/externer Schriftverkehr, Vermerke, Zwischenberichte, Beschaffungsunterlagen etc.) die mit den Gutachten zur Überprüfung von Produkten der informationstechnischen Überwachung durch externe Prüfinstitute zusammenhängen als VS-NfD nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 SÜG ergibt sich daraus, dass die Informationen einen Sachbezug zu den vorgenannten Gutachten haben und Teilaspekte zu technischen Workflows, den notwendigen technischen Ausgestaltungen und Anwendungsszenarien enthalten. Da diese Teilaspekte auf verschiedene Quellen verteilt sind und den Inhalt - anders als im Gutachten - abstrakt wiedergeben, war ein höherer Geheimhaltungsgrad nicht erforderlich. Da eine Kenntnisnahme dieser Teilaspekte durch Unbefugte es technisch versierten Personen jedoch ermöglichen könnte, Rückschlüsse auf den technischen Workflow, die Ausgestaltung sowie mögliche Anwendungsszenarien zu ziehen und diese Erkenntnisse sodann selbst zu verwerten und ggf. sogar veröffentlichen, könnte dies dazu führen, dass sich Beschuldigte/Verdächtige durch das Ergreifen technischer und organisatorischer Workflows bzw. einer Änderung ihres Kommunikationsverhaltens den Maßnahmen der informationstechnischen Überwachung entziehen könnten, was sich nachteilig auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder der Länder auswirken würde.
Darüber hinausgehende Informationen, die sich nicht explizit auf technische Workflows und Ausgestaltungen und Anwendungsszenarien beziehen, sind ebenfalls als Informationen des Geheimhaltungsgrades VS-NfD eingestuft. Zu diesen Informationen gehören u.a. die von Ihnen begehrten Honorarvereinbarungen mit den externen Prüfinstituten oder Rahmenbedingungen für die Durchführung der Prüfungen im Bundeskriminalamt. Bei Bekanntwerden dieser Informationen könnten Rückschlüsse auf die im Bundeskriminalamt vorhandene technische Ausstattung, Rückschlüsse auf das Finanzbudget und damit auch die personelle Ausstattung/Sachkostenausstattung für das Themenfeld Informationstechnische Überwachung ziehen. Durch Open-Source-Recherchen könnten Erkenntnisse generiert werden, welche Prüfunternehmen entsprechende Dienstleistungen anbieten (das Portfolio der Firmen wird öffentlich präsentiert) und welche Prüfleistungen durch das Bundeskriminalamt beauftragt wurden bzw. beauftragt werden konnten. Anhand dieser Angaben könnten sodann weitgehende Rückschlüsse auf die technischen Fähigkeiten und die Arbeitsweise und damit mittelbar auch auf die technische Ausstattung und das Aufklärungspotential im Bundeskriminalamt geschlossen werden. Zudem würde eine Bekanntgabe von Namen jegliches Vertrauen in eine Zusammenarbeit negativ beeinflussen. Dadurch würden die technischen Möglichkeiten des Bundeskriminalamtes als Strafverfolgungsbehörde negativ beeinflusst und der Erfolg zukünftiger Maßnahmen konterkariert werden. Dies hätte zur Folge, dass die Fähigkeiten, mit verdeckten kriminalpolizeilichen Mitteln Informationen zu gewinnen, in erheblicher Weise negativ beeinflusst würden und die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben von wesentlichen Erkenntnisquellen ausgeschlossen würden, was sich nachteilig auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder auswirken könnte.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass soweit Entwürfe und Notizen zur Überprüfung von Produkten der informationstechnischen Überwachung im BKA vorhanden sein sollten, die nicht Bestandteil des Gesamtvorgangs sind und auch nicht Bestandteil des Vorgangs werden sollen, wird darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine amtliche Information i.S. des IFG handelt und daher nicht von Ihrem Informationsanspruch umfasst sind (§ 2 Nr. 1 IFG).
Die materiellrechtlichen Voraussetzungen zur Einstufung der begehrten Informationen liegen wie oben dargestellt vor, insoweit unterfallen diese nicht Ihrem Informationsanspruch aus dem IFG. Der Widerspruch war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 Abs. 3 S. 3 VwGO, wobei eine Kostenerstattung nach § 80 Abs. 1 S. 3 VWVfG im Hinblick auf die Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde nicht in Betracht kommt.
Ich bedauere, Ihnen keine erfreulichere Mitteilung machen zu können.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen den Bescheide des Bundeskriminalamtes vom 20.06.2018 (Az.: ZV34DS 2018-0012131857) in Gestalt dieses Widerspruchbescheids kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Wiesbaden, Mainzer Straße 124, 65189 Wiesbaden erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen