Sehr geehrter Herr Semsrott,
wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, ist Ihr Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz
(IFG) am 12. Juli 2018 im Bundesministerium der Finanzen eingegangen.
Mit Ihrem Antrag bitten Sie um Übersendung
"aktueller Rechenmodelle, mithilfe derer das Finanzministerium Prognosen und Kalkulationen zu Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer, und aller anderen Steuerarten vornimmt, sowie der dazugehörigen Anleitungen, Annahmen und Hintergrundmaterialien, insofern diese elektronisch vorliegen, sowie der Datengrundlage, aufgrund derer die jüngste Steuerschätzung vorgenommen wurde".
Mit Schreiben vom 31. Juli 2018 habe ich Sie auf die mögliche Kostenfolge Ihres Antrages hingewiesen. Diesbezüglich teilten Sie mit, dass Sie an dem vorgenannten Antrag trotz der Entstehung möglicher Kosten festhalten. Daraufhin wurden im Bundesministerium der Finanzen die erforderlichen Recherche- und Prüfungsschritte eingeleitet.
Über Ihren Antrag entscheide ich nach§ 1 Absatz 1 Satz 1 IFG wie folgt:
I. Ihren Antrag lehne ich ab.
II. Dieser Bescheid ergeht gebührenfrei.
Begründung:
§ I Absatz I Satz 1 IFG gewährt gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Was eine amtliche Information ist, regelt§ 2 Nummer 1
IFG. Danach ist eine amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Nach§ I Absatz 2 IFG kann die Behörde Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Der Anspruch auf Informationszugang besteht jedoch nur für die bei der jeweiligen Behörde vorhandenen Informationen bzw. Akten. Einen Anspruch auf Beschaffung nicht vorhandener Informationen vermittelt das IFG hingegen nicht.
Die Steuerschätzungen werden nicht durch das Bundesministerium der Finanzen, sondern durch den Arbeitskreis "Steuerschätzungen" (AKS), durchgeführt. Der Arbeitskreis ist ein
Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, der in seiner Arbeit unabhängig und nicht an Weisungen gebunden ist.
Der AKS hat sich eine Geschäftsordnung (GO AKS) gegeben, welche für alle Vertreter verbindlich ist. Diese GO enthält u.a. Regelungen zur Nichtöffentlichkeit, Vertraulichkeit
und Verschwiegenheit. Außerdem regelt die GO AKS, dass das BMF nur die im Konsens erarbeiteten Ergebnisse der Steuerschätzungen veröffentlichen darf. Die Veröffentlichung
der ,jüngsten" Steuerschätzung ist mit Datum vom 9. Mai 20 I8 erfolgt.
Die jahrzehntelange Arbeit des AKS beruht ganz wesentlich auf Vertraulichkeit, was § 7 der GO AKS nochmals ausdrücklich klarstellt. Dabei gilt es auch zu beachten, dass der AKS
kein rein "verwaltungsinternes Gremium" ist, denn er ist heterogen zusammengesetzt aus Vertretern
• des Bundesministeriums der Finanzen,
• des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie,
• der obersten Finanzbehörden aller Länder,
• der Deutschen Bundesbank,
• des Statistischen Bundesamtes,
• des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung,
• der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände (Deutscher Städtetag),
• des DIW -Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V.,
• des ifo Instituts- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.,
• des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel,
• des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforums Halle e. V.,
• des RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.
Zum Ablauf einer Steuerschätzung:
Das im BMF zuständige Referat erstellt, wie weitere Mitglieder des Arbeitskreises, einen sog. Schätzvorschlag. In der Sitzung des AKS werden dann zu jeder einzelnen Steuerart
die Schätzvorschläge gemeinsam diskutiert, bis sich ein Konsens aller Arbeitskreismitglieder ergibt. Die Ergebnisse dieser Diskussion werden in einer vorbereiteten Unterlage
zusammengefasst, aus der die anschließend veröffentlichten Ergebnistabellen erstellt werden. Die Ergebnisse der Steuerschätzung sind Grundlage für die Aufstellung der Haushalte von Bund und Ländern sowie der finanzwirtschaftliehen Projektionen der Bundesregierung, die dem Stabilitätsrat vorgelegt werden. Des Weiteren orientieren sich Gemeinden und Sozialversicherungen bei der Aufstellung ihrer Haushalte am Ergebnis der Steuerschätzung.
Neben den Ergebnistabellen wird zudem im Monatsbericht des BMF ein Aufsatz mit zusätzlichen Erläuterungen und Informationen veröffentlicht. Sowohl Ergebnistabellen als auch Aufsatz sind auf der Internetseite des BMF abrutbar. Insoweit handelt es sich hierbei um amtliche Informationen, welche aus allgemein zugänglichen Quellen beschafft werden
können, § 9 Absatz 3 IFG. Zu den Ergebnissen der Steuerschätzungen verlangen Sie aber ausdrücklich keinen Zugang. Sie begehren Zugang zu aktuellen Rechenmodellen mithilfe
derer das Bundesministerium der Finanzen Prognosen und Kalkulationen zu Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer, und aller anderen Steuerarten vornimmt sowie Anleitungen,
Annahmen und Hintergrundmaterialien, insofern diese elektronisch vorliegen, sowie den Datengrundlagen, aufgrund derer die jüngste Steuerschätzung vorgenommen wurde.
1. Übersendung von elektronisch vorliegenden Anleitungen, Annahmen und Hintergrundmaterialien
Anleitungen, Annahmen und Hintergrundmaterialen zu den Rechenmodellen existieren nicht.
Insoweit wird Ihr Antrag bereits mangels vorhandener amtlicher Informationen abgelehnt.
2. Übersendung aktueller Rechenmodelle zu allen Steuerarten nebst Datengrundlagen, aufgrund derer die jüngste Steuerschätzung vorgenommen wurde
Sie begehren Zugang zu Informationen, welche die Grundlage der jüngsten Steuerschätzung darstellen. Es gibt jedoch kein isoliert zu betrachtendes Rechenmodell des BMF nebst Datengrundlage, aufgrund derer die jüngste Steuerschätzung vorgenommen worden ist. Vielmehr gibt es aufgrund der vom AKS postulierten Methodenfreiheit unterschiedliche
Rechenmodelle, die jeweils von den Schätzern zur Erstellung ihrer Schätzvorschläge genutzt werden. Dem beim BMF gepflegten Rechenmodell kommt hierbei jedoch eine besondere Bedeutung fiir den AKS zu, als es auch als Basis für die Erarbeitung des Schätzergebnisses genutzt wird. Es stellt insofern das zentrale Rechenmodell des AKS (Schätzunterlage) dar, welches seit Jahren als Grundlage aller Steuerschätzungen dient und dessen Änderungen grundsätzlich im AKS im Rahmen sogenannter Methodensitzungen diskutiert werden. Diese Schätzunterlage ist somit das "zentrale Werkzeug" des AKS, welches auch fiir kommende Steuerschätzungen Verwendung finden wird.
a) Besonderes Amtsgeheimnis § 3 Nummer 4 IFG
Nach § 3 Nr. 4 IFG besteht der Anspruch auflnformationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum
materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Dem Anspruch stehen die in § 4 Abs. 2, § 6, § 7 Abs. 1 der GO AKS festgelegten Bestimmungen über die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen und Vertraulichkeit der Beratungen
entgegen. Die Vertraulichkeit aller Sitzungsinhalte und Unterlagen wurde zuletzt durch Beschluss des Arbeitskreises vom 21./22. Februar 2017 nochmals ausdrücklich bestätigt.
Die Vorschriften der GO AKS über die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen und die Vertraulichkeit der Beratungen konstituieren jedenfalls aber auch ein besonderes Amtsgeheimnis im
Sinne von§ 3 Nr. 4 IFG, das hier dem Informationszugangsanspruch entgegensteht. Daher kommt es nicht darauf an, ob die GO außerdem auch als besondere Rechtsvorschrift
anzusehen ist.
Ein besonderes Amtsgeheimnis ist dann gegeben, wenn es zum einen ausdrücklich geregelt und der Regelungszweck auch - gegebenenfalls in Abwägung mit dem Informationsinteresse nach dem IFG - anzuerkennen ist, vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 21. 8. 2008 - 13a F 11/08 -,Deutsches Verwaltungsblatt (DVBI. 2008, 1324 (1326).
Zweck des Amtsgeheimnisses darf nicht Geheimhaltung um der Geheimhaltung willen sein, sondern das Geheimhaltungsbedürfnis muss durch legitime Zwecke gerechtfertigt sein.
Daran gemessen liegt hier ein besonderes Amtsgeheimnis vor. Die Vertraulichkeitsregelungen des Arbeitskreises "Steuerschätzungen" sind in der GO ausdrücklich niedergelegt. Der
Schutzzweck der in der GO niedergelegten V erschwiegenheitspflicht rechtfertigt die Vertraulichkeit und damit den Schutz eines besonderen Amtsgeheimnisses. Der Arbeitskreis
ist ein heterogen zusammengesetzter Beirat, welcher in seiner Arbeit unabhängig und nicht Seite s an Weisungen gebunden ist. Die Vertreter des AKS repräsentieren unterschiedliche Interessengruppen. Die Mitglieder des AKS stehen in ihrer Arbeit unter besonderem Augenmerk sowohl der entsendenden Interessengruppen als auch der Öffentlichkeit; dies ist der besonderen Bedeutung der Steuerschätzungsergebnisse und der damit verbundenen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit geschuldet. Das Ergebnis der
Beratungen des AKS hat damit erhebliche Bedeutung. Der AKS schätzt fiir Zwecke der Haushaltsaufstellung die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. Der
Bund übernimmt das Ergebnis der Schätzung ohne Änderung in den Etatansatz zu den Steuereinnahmen. Die seit Jahrzehnten eingespielte Verfahrensweise überträgt einen
wesentlichen Bestandteil politischen Handeins (hier mit Bezug zum Budgetrecht des Parlaments als wesentliche Säule der demokratischen Grundordnung) auf ein autonom
handelndes Gremium. Grundlage dafiir ist die Anerkennung des AKS als neutrales Expertengremium mit hoher Reputation und der Schätzergebnisse als "best guess"
im politischen Raum sowie in Presse und Öffentlichkeit.
Es sollte klar sein, dass es die "richtige" Schätzung nicht gibt. Durch die Schaffung des AKS und die Abgabe der Verantwortlichkeit fiir die Schätzung der Steuereinnahmen an den AKS wurde jedoch die "Überzeugungskraft" der Steuerschätzungen gestärkt. Für das BMF war dies im Jahre 1955 der entscheidende Grund fiir die Schaffung des AKS.
Der AKS und das Vertrauen in den AKS kann jedoch nur erhalten werden, solange strikte Vertraulichkeit als seine wesentliche Geschäftsgrundlage bestehen bleibt: Der AKS basiert
auf Methodenvielfalt und Einstimmigkeit, d.h. liegen die Schätzvorschläge der AKS-Mitglieder - wie regelmäßig der Fall - auseinander, so muss im Rahmen der Diskussion fiir
jede Steuerart ein konsensfähiges Ergebnis herbeigefUhrt werden. Dies funktioniert nur, soweit die AKS-Mitglieder nicht gegenüber Dritten einem Rechtfertigungsdruck unterliegen.
Vertraulichkeit ist also fiir alle AKS-Mitglieder zwingend. Das Bekanntwerden von Informationen stellt das BMF unter den Generalverdacht der Präjudizierung des Schätzergebnisses und beraubt die übrigen Mitglieder ihrer Möglichkeit, eigenverantwortlich und unbeeinflusst zu handeln. Dies beeinträchtigt nicht nur das Vertrauensverhältnis innerhalb des AKS sondern beschädigt auch das Ansehen des AKS in der Öffentlichkeit. Hierauf basiert jedoch - wie vorstehend dargestellt - die Wirksamkeit des AKS - im Extremfall würde der AKS insgesamt in Frage gestellt, da die Einrichtung des AKS und die Selbstbindung des Bundes zur Übernahme des Schätzergebnisses in den Haushaltsplan auf der Annahme basierte, damit die Planung der Steuereinnahmen einer öffentlich ausgetragenen Debatte entzogen zu haben.
Die Steuerschätzung ist nach § 6 Abs. 2 GO AKS einstimmig zu beschließen. Das Plenum des AKS ist angesichts der jeweils beteiligten Vertreter von nicht immer, aber oft divergierenden Interessen in hohem Maße auf Kompromissbereitschaft angewiesen, "bei dem etwa ein Nachgeben [ ... ] in einer Frage einem Nachgeben [ ... ] in einer anderen Frage korrespondieren kann" (so auch: VG Köln, Urteil vom 25.02.201 0- 1 3 K 119/08 zur Vertraulichkeit interner Verhandlungen). Interne Abstimmungen im Vorfeld von Entscheidungen sind, um eine seites effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungstindung zu gewährleisten, notwendigerweise vertraulich (OVG NRW Beschluss vom 21. 8. 2008 - 1 3a F 11/08 -,Deutsches Verwaltungsblatt (DVBL). 2008, 1 324, juris Rn. 34). "Das Prinzip der Einheit der Verwaltung soll dazu führen, dass staatliche Maßnahmen nicht als Entscheidung einer bestimmten Person oder einer Organisationseinheit, sondern als solche des Verwaltungsträgers wahrgenommen werden." (OVG NRW aaO., Rn. 39). Dementsprechend dürfen die Entscheidungen des AKS nicht aufgesplittert werden in Beiträge einzelner Beteiligter, die dann von diesen Beteiligten in der Öffentlichkeit rechtfertigt werden müssten. Ohne den Schutz der Vertraulichkeit könnten Mitglieder des AKS vor diesem Hintergrund bei Beratungen vor solchen Kompromissen zurückschrecken oder auch Meinungsäußerungen, die ihrer Einschätzung nach fachlich durchaus geboten sind, unterlassen, weil sie fUrchten müssten, hinterher öffentlich oder von sonst interessierten Kreisen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass Arbeitskreismitglieder ohne den Schutz der Vertraulichkeit auf sachlich gerechtfertigte Beratungsbeiträge verzichten, weil sie in der Öffentlichkeit lediglich als Ausdruck mangelnder Unabhängigkeit von Einflüssen gedeutet werden könnten. Um zu beständigen und ausgewogenen Ergebnissen zu gelangen, ist die unbefangene Diskussion des AKS über alle anstehenden Fragen notwendig und schutzwürdig.
Ohne die gebotene Vertraulichkeit würde die offene Meinungsbildung und neutrale Entscheidungstindung beeinträchtigt. Der Prozess der Entscheidungstindung soll geschützt
werden. Dieser Schutz dient dazu, dass in vertraulichen Beratungen in einer Atmosphäre der Offenheit und ohne von außen hineingetragene Interessenkollisionen ein allein an der Sache orientierter Austausch von Argumenten sowie eine unbeeinflusste Abstimmung erfolgen. Die Folge der Öffentlichkeit der Diskussionen wäre entweder, dass sachbezogene Diskussion nicht stattflinde bzw. in den informellen Bereich außerhalb der Plenumssitzungen verlagert würde, oder gar eine Einigung gänzlich unterbliebe. All dies zu verhindern, stellt ein legitimes Interesse dar, was die Klassifizierung als besonderes Amtsgeheimnis im Sinne der Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit nach § 3 Nr. 4 IFG begründet.
b) Behördliche Beratungen, § 3 Nummer 3 b) IFG
Der Informationsanspruch zu diesen Daten ist aber auch gern. § 3 Nr. 3 b) IFG ausgeschlossen. Danach besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn und solange die
notwendige Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden beeinträchtigt wird. Die beantragten amtlichen Informationen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den
vertraulichen Beratungen des AKS. Durch deren Bekanntwerden würde die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen des AKS - auch fUr künftige Sitzungen - beeinträchtigt
werden.
Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG zielt nach der Gesetzesbegründung auf die innerbehördliche Vertraulichkeit auch im rein innerstaatlichen Rahmen ab; es geht um den Schutz der Vertraulichkeit von Verhandlungen und Beratungen. Die Vertraulichkeit der Beratung ist aus den oben ausgeführten Gründen notwendig. Zweck dieses Ausschlusstatbestandes ist es, einen unbefangenen und freien Meinungsaustausch zu gewährleisten. Dabei sollen nach der Gesetzesbegründung Beratungen von Behörden bei zwischen- und innerbehördlichen Vorgängen, bei Beratungen zwischen Exekutive und Legislative und zwischen Behörden und sonstigen Einrichtungen erfasst werden. Die Beratungssitzungen des AKS sind daher grundsätzlich vom Schutzzweck umfasst.
Erfasst ist der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d.h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden
Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis). Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. 8.
2010- 8 A 283/08 -,juris; OVG SH, Urteil vom 15. 9. 1998 4 L 139/98 -, NVwZ 1999,670 Gew. zu § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG).
Die Beratungen des AKS sind vertraulich. Entsprechend sind die Sitzungen des AKS nicht öffentlich und die Mitglieder zur Verschwiegenheit über die Beratungen verpflichtet. Durch
das Bekanntwerden der unterschiedlichen Schätzvorschläge, die maßgeblicher Teil der Beratungen sind, würde die notwendige Vertraulichkeit der Beratung des AKS beeinträchtigt
werden. Insoweit genügt die konkrete Gefahr, also die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung; an die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer die möglicherweise eintretende Beeinträchtigung ist. Dies wiederum bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses an einem ungestörten Verlauf des in Frage stehenden behördlichen Willensbildungsprozesses. Rossi, IFG, 2006, § 3 Rn. 39; Roth, a.a.O., § 3 Rn. 1 06; Sitsen, a.a.O., S. 171; VG Berlin, Urteil vom 22. 10. 2008 - 2 A 114.07 -,juris.
§ 3 Nr. 3 IFG stellt ausdrücklich klar, dass der Schutz zeitlich beschränkt sein kann ("wenn und solange"). Sind die Verhandlungen oder Beratungen insgesamt abgeschlossen, kann auch der Schutz von § 3 Nr. 3 IFG enden. Je nach Fallkonstellation kann es allerdings notwendig sein, Informationen auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zu schützen. Dies gilt insbesondere dann, wenn-aufgrund der Einsichtsmöglichkeit in Unterlagen vertraulicher Beratungen zukünftige Beratungen dadurch belastet würden, dass ihnen die Atmosphäre der Offenheit und Unbefangenheit fehlt. Durch die festgelegte Zusammensetzung der in den AKS entsandten Vertreter könnte ein Verstoß gegen die Regelungen der GO und der aktuellen Beschlusslage durch Herausgabe der begehrten Unterlagen, nachteilige Auswirkungen auf die Atmosphäre der Offenheit und Unbefangenheit des AKS haben.
Im vorliegenden Fall wäre die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hoch. Das ergibt sich aus der besonderen Zusammensetzung des AKS und der ihm zugewiesenen Aufgabe.
seitea Der AKS ist ein heterogen besetztes Gremium, das verschiedene Verkehrskreise repräsentiert.
Die Steuerschätzung soll, wie bereits geschrieben, nur einstimmig beschlossen werden. Es ist daher zwingend, dass die Mitglieder des AKS in hohem Maße zu Kompromissen bereit sind. Vor diesem Hintergrund kann der AKS die ihm zugewiesene Aufgabe nur erfüllen, wenn seine Mitglieder in einem möglichst umfassend geschützten Raum unabhängig und unbefangen beraten und diskutieren können.
Angesichts der oben näher beschriebenen Bedeutung der Ergebnisse des AKS besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass die Beratungen auf einer analytisch-sachlichen Ebene verbleiben und nicht in die interessenorientierte öffentliche Diskussion mit der Folge gelangen, dass möglicherweise Handlungsoptionen nicht hinreichend gewürdigt werden. Für eine sachgerechte Schätzung ist deshalb eine Gesprächssituation erforderlich, die es den Mitgliedern ermöglicht, sich ohne Druck von außen allein an Sachfragen zu orientieren. Sie müssen in der Lage sein, offen und spontan diskutieren zu können, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Äußerungen ständiger Beobachtung, Kritik und Beeinflussung von außen ausgesetzt sind.
Wie dargestellt besteht die Gefahr, dass ohne den Schutz der Vertraulichkeit Mitglieder des AKS bei zukünftigen Beratungen - ihrer Auffassung nach fachlich gebotene - Meinungsäußerungen unterlassen, weil sie fürchten, dass ihre Stellungnahmen in der Öffentlichkeit lediglich als Ausdruck mangelnder Unabhängigkeit gedeutet werden könnten. Es droht aber auch - umgekehrt-, dass bestimmte Einschätzungen erfolgen, allein um den vermeintlichen Erwartungen der von den Arbeitskreismitgliedern repräsentierten Kreisen gerecht zu werden. Schlimmer noch wäre der Zerfall des Arbeitskreises "Steuerschätzungen", weil aufgrund der möglicherweise entstehenden permanenten Rechtfertigungssituation die Funktion des mehr als 60 Jahre tagenden Arbeitskreises insgesamt in Frage gestellt wird oder dessen Funktionsfähigkeit
erheblich beeinträchtigt wird. Dieser Vertraulichkeitsschutz gilt nicht nur für einen beschränkten Zeitraum - etwa die letzte Sitzung, sondern über die Entscheidungstindung als solche hinaus; denn zur Sicherstellung einer effektiven Schätzung muss für deren Mitglieder kontinuierlich eine Atmosphäre der Offenheit und Unbefangenheit gewährleistet sein.
Im Ergebnis wird durch diesen Informationsausschluss auch der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung geschützt, welcher - auch im Anwendungsbereich des IFG - als unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Tätigkeiten anerkannt ist. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BVerfG [BVerfGE 67, 100 (139); BVerfGE 110, 199 (214 ff.); BVerfGE 124, 78 (120 ff.); jüngst BVerfGE 131, 152 (206); s. auch BVerwGE 141, 122 Rn. 31; NVwZ 2012, 251; zusammenfassend
Schnabel/Freund DÖV 2012, 192 (193 f.)] schließt der exekutive Kernbereich einen selbst von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren
Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung ein. Die Herausgabe der von Ihnen seites begehrten amtlichen Informationen könnte- wie oben dargestellt - die Arbeitsfähigkeit des Arbeitskreises massiv beeinträchtigen bzw. unmittelbare Auswirkungen auf den Fortbestand des Arbeitskreises haben. Dadurch würde aber zugleich die exekutive Eigenverantwortung der Behörde zumindest mittelbar beeinträchtigt werden, weil sich die Entscheidung der Behörde, die Steuerschätzung nicht allein, sondern durch ein unabhängiges Gremium durchfUhren zu lassen, so nicht mehr umsetzbar wäre.
Es muss der Bundesregierung überlassen sein, Steuerschätzungen unter organisatorischer Einbindung betroffener Kreise zu erstellen, auch, wenn damit zwangsläufig Anforderungen an die Vertraulichkeit der Beiträge verbunden sind. Diese Vertraulichkeit aufzuheben hieße, die Einrichtung des Arbeitskreises und die Übertragung der Aufgabe der Steuerschätzung auf diesen Kreis und damit die Steuerschätzung mit ihrem gegenwärtigen Inhalt und zu ihrem gegenwärtigen Zweck unmöglich zu machen.
c) Vertraulich übermittelte Information,§ 3 Nummer 7 IFG
Soweit Ihr Antrag auch Schätzvorschläge betrifft, welche dem BMF durch eines der im AKS vertretenden Wirtschaftsforschungsinstitute zur Verfügung gestellt worden sind, handelt es sich hierbei auch um vertraulich übermittelte Informationen im Sinne des § 3 Nummer 7 IFG. § 7 Abs. 1 der GO regelt diesbezüglich, dass die Weitergabe der vertraulich übersandten Informationen nicht gestattet ist. Das Interesse der privaten Dritten an der vertraulichen Behandlung der vertraulich übermittelten Informationen besteht gegenwärtig fort.
Der Bescheid ergeht als einfache Auskunft gemäß § 10 Absatz 1 Satz 2 IFG gebührenfrei.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Bundesministerium der Finanzen, Wilhelmstraße 97 in 10117 Berlin, Widerspruch erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag