Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Kowalewski,
In Ihrem Schreiben vom 7. August 2013 lehnen Sie meinen Antrag vom 2. Juli 2013 ab, nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Auskunft über den Vertrag mit der Münchener Firma Elaman über die Nutzung eines Programms zur sogenannten "Quellen-Telekommunikationsüberwachung" zu erhalten.
Gegen diesen Bescheid lege ich hiermit
Widerspruch
ein.
Begründung:
1. Die Ausschlussgründe sind fehlerhaft.
a) Der Verweis auf § 3 Nr. 1 lit. c i.V.m. § 3 Nr. 2 IFG ist als Begründung ungenügend. Eine Einsichtnahme in den Vertrag hat keine nachteiligen Auswirkungen für die innere Sicherheit und gefährdet die öffentliche Sicherheit nicht.
Informationen über das verwendete Gesamtsystem, dessen Hardware, eventuelle Schwachstellen sowie die polizeilichen Methoden/Einsatztaktik können nicht als geheim angesehen werden. Eine wirksame Strafverfolgung muss davon ausgehen, dass vor allem die angeführten Täter schwerer sowie schwerster Kriminalität Kenntnis über diese Methoden haben und die Strafverfolgung trotzdem gewährleistet sein muss.
Eine generelle Ablehnung aller Informationsbegehren über Belange der Exekutive birgt zudem die Gefahr, dass die Intention des Informationsfreiheitsgesetzes leer läuft.
Im Übrigen wird gerade im Bereich der Computersicherheit das Konzept einer „Security through Obscurity“ (in etwa: Sicherheit durch Unklarheit) immer wieder kritisiert und widerlegt. Verbreiteter und angesehener ist das Kerckhoffs'sche Prinzip, das ausgehend von der Kryptologie der Auffassung ist, dass zum Schutz von IT-Systemen so wenig wie möglich geheim halten werden soll, um diese umso leichter schützen und gegebenenfalls ersetzen zu können.
b) Die Berufung auf § 3 Nr. 4 IFG ist als Begründung ungenügend. Wenn der Vertrag als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestuft ist, beantrage ich hilfsweise ich die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades.
c) Der Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 6 IFG greift in diesem Fall ebenfalls nicht. Beide setzen voraus, dass die Informationen nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, was hier nicht der Fall ist.
Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen. „Einzelne Entwicklungsschritte und detaillierte Leistungsmerkmale […], die Rückschlüsse auf das Gesamtsystem und dessen Hardwarekonfiguration ermöglichen“ sind auch an anderen Stellen schon öffentlich bekannt. In der „standardisierenden Leistungsbeschreibung“ (
https://fragdenstaat.de/files/foi/8095/…) werden die Anforderungen an die Leistungsmerkmale aufgeführt. Die Broschüre „FinFisher IT Intrusion Products“ von Elaman (
http://wikileaks.org/spyfiles/files/0/3…) enthält detaillierte Leistungsmerkmale, sowie Informationen über das Gesamtsystem und dessen Hardwarekonfiguration.
Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. „Kaufmännische Kalkulationen in Verbindung mit konkreten Leistungen“ werden jedoch ebenfalls nicht gefährdet. Die Leistungen sind durch die standardisierende Leistungsbeschreibung bekannt. Die kaufmännischen Kalkulationen sind durch die Kosten von 147.166,11 Euro (inkl. Umsatzsteuer) laut Sachstandsmitteilung des Innenministeriums zu den Vertragsverhandlungen (
https://fragdenstaat.de/files/foi/10571…) ebenfalls bekannt. Weitere kaufmännische Kalkulationen ergeben sich aus dem ebenfalls öffentlichem Katalog von Elaman (
http://wikileaks.org/spyfiles/files/0/1…).
Zudem sind Verträge in der Definition des Bundesverfassungsgerichts von derartigen Geheimnissen nicht erfasst. (
http://www.bundesverfassungsgericht.de/…)
Schließlich ist eine so weitgehende Auslegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unstatthaft, da bei einer solchen Rechtsauffassung die Intention des Informationsfreiheitsgesetzes in sich zusammenbricht.
d) Die Abwägung hinsichtlich § 7 Abs. 2 IFG ist ebenfalls fehlerhaft. Einen Anspruch auf Informationszugang zum Teil besteht auch bei ggf. umfangreich zu schwärzenden Passagen. Auch ein geschwärztes Dokument hat einen Informationsgehalt.
Mein Antrag auf Informationszugang bezieht sich auch auf ein eventuell geschwärztes Dokument, da ich unter anderem sehen möchte, was und wie viel geschwärzt ist, auch um eventuell gegen einzelne geschwärzte Passagen weiter vorgehen zu können.
2. Die Abwägung ist fehlerhaft.
Insgesamt überwiegt in diesem Fall das öffentliche Interesse an Informationszugang dem Geheimhaltungsinteresse von Bundeskriminalamt und Elaman. Die Enthüllungen des Chaos Computer Club über die Quellen-TKÜ Software der Firma DigiTask GmbH haben gezeigt, dass die Vorgänger-Software nicht nur eklatante Mängel hatte, sondern rechtswidrige Funktionen besaß, die rechtswidrig eingesetzt wurden.
Gerade nach diesem Skandal besteht ein erhöhtes öffentliches Interesse an allen Details um die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, auch um dem Verdacht entgegen zu wirken, dass eventuelle Rechtsbrüche erneut geschehen.
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof kommt im Gutachten Rechtliche Zulässigkeit der sogenannten „Quellen-TKÜ“ (
https://fragdenstaat.de/files/foi/7011/…) sogar zu dem Schluss, dass nach aktueller Rechtslage keine Rechtsgrundlage zum Einsatz der Quellen-TKÜ besteht. Die Berufung darauf, dass der Einsatz einer solchen Software gefährdet werde, ist daher unzulässig, wenn der Einsatz - nach der Rechtsprechung - gar nicht zulässig wäre.
Eine weitere Begründung behalte ich mir vor.
Den Verfahrensweg halte ich mir offen.
Für Rückfragen stehe ich jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Andre Meister
Postanschrift
Andre Meister
netzpolitik.org
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