GK2014_2.pdf
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Abitur-Aufgaben im Fach Biologie im Jahr 2014 in Bremen“
Diese Anfrage wurde als Teil der Kampagne „Frag sie Abi!“ gestellt.
Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Aufgabe 2 Themenbereiche: Ökofaktoren Gene Neobiota Arten, die sich in einem Gebiet angesiedelt haben, in dem sie zuvor nicht heimisch waren, bezeichnet man als Neobiota (griech.: neos - neu, bios - Leben). Das Einschleppen von Arten in einen neuen Lebensraum Abbildung aus kann durch den weltweiten Güter- und Reiseverkehr urheberrechtlichen unbeabsichtigt erfolgen. Oft werden Pflanzen oder Tie- Gründen entfernt re jedoch aus wirtschaftlichen Gründen bewusst vom Menschen in neue Lebensräume eingebracht. Neobio- ta können das Ökosystem, in das sie hineinkommen, in unterschiedlichster Weise beeinflussen. Titelbild: Aga-Kröte a) Geben Sie jeweils eine Definition der Begriffe homoiotherm und poikilotherm an (Material 1). [3 BE] b) Begründen Sie zunächst mit Hilfe von Material 2 die in Abbildung 2.2 dargestellten Popula- tionsentwicklungen in den Phasen I bis III. Beurteilen Sie dann, inwieweit die Plantagenbesitzer ihr mit der Einführung des Mungos beab- sichtigtes Ziel erreicht haben (Material 2). [17 BE] c) Erklären Sie das Ergebnis der australischen Wissenschaftler mit Hilfe der synthetischen Evolu- tionstheorie (Material 3). [11 BE] d) Ermitteln Sie für die in Material 4 beschriebene Kreuzung mit Hilfe eines Kreuzungsquadrats den prozentualen Anteil der Nachkommen in der F1-Generation mit dem gleichen Phänotyp wie das Vatertier. [9 BE] BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 1 von 5
Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Material 1 Als Neobiota treten sowohl homoiotherme als auch poikilotherme Tierarten auf. Material 2 Seit der Entdeckung Jamaikas durch KOLUMBUS im Jahre 1494 wurden zahlreiche dort ursprünglich nicht vorkommende Tier- und Pflanzenarten auf diese karibische Insel gebracht. Schon mit den ersten Entdeckern gelangten Hausratten, die auf den Schiffen als blinde Passagiere mitgereist waren, nach Jamaika. Um 1600 führten die Engländer das aus Asien stammende Zu- Abbildung aus ckerrohr ein und legten damit große Plantagen an. Im Jahre urheberrechtlichen 1872 brachten Plantagenbesit- Gründen entfernt zer den Indischen Mungo nach www.naturephoto.lt/img/photos/original/ Jamaika. Mit dem Aussetzen egzotika/ (9)110.jpg des in seiner Heimat als Rat- tenfresser bekannten Mungos verfolgten sie das Ziel, die Haus- ratten, die inzwischen massenhaft in den Plantagen vorkamen und das Zuckerrohr fraßen, zu bekämpfen und somit den Ern- teertrag des Zuckerrohrs zu verbessern. Etwa 15 Jahre nach Abb. 2.1: Indischer Mungo der Einführung des Mungos fiel die Zuckerrohrernte auf Jamai- ka schlechter aus als je zuvor. Abbildung aus urheberrechtlichen Gründen entfernt Abb. 2.2: Populationsentwicklungen ausgewählter Tierarten auf Jamaika Hinweise: Durch die Angabe in relativen Einheiten ist kein Vergleich zwischen den Populations- größen zweier Arten möglich (zum Beispiel gab es 1872 nicht mehr Ratten als Zuckerrohrzünsler). Zur besseren Übersichtlichkeit wurden kleinere Schwankungen der Populationsgrößen durch Mit- telwertbildung geglättet. (Rattus rattus) Indischer Mungo (Herpestes edwardsii) Jamaika-Zwergralle (Laterallus jamaicensis) Zuckerrohrzünsler (Diatraea saccharalis) Zuckerrohr (Saccharum officinarum) W I R B E L- TIERE Hausratte Säugetier; Kopf-Rumpf-Länge bis 22 cm; Pflanzenfresser Säugetier; Kopf-Rumpf-Länge bis 50 cm; Fleischfresser; seine Beute sind Wirbeltiere Vogel; Länge bis 25 cm; flugunfähiger Bodenbewohner; sie ist eine von meh- reren Wirbeltierarten auf Jamaika, die Insekten und Insektenlarven fressen Insekt; Länge bis 0,4 cm; dieser Schmetterling wurde mit dem Zuckerrohr eingeschleppt; seine Larven ernähren sich nur vom Zuckerrohr Pflanze; wichtiger Rohstofflieferant für die Herstellung von Zucker Tab. 2: Informationen zu ausgewählten Arten auf Jamaika BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 2 von 5
Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Material 3 1935 wurden an der Ostküste Australiens einige Tausend aus Südamerika stammende Aga-Kröten (Bufo marinus) ausgesetzt, um die Ausbreitung eines Käfers einzudämmen, der als Schädling in der Landwirtschaft auftrat. Die bis zu 22 cm großen Kröten fraßen in ihrer neuen Heimat jedoch bevorzugt kleinere Wirbeltiere, sodass die Population des Käfers nicht reduziert wurde. Schätzun- gen zufolge hat sich der Bestand der Aga-Kröte in Australien inzwischen auf eine Milliarde Tiere vergrößert. Die Aga-Kröte besitzt an Kopf und Rücken Drüsen, die giftige Sekrete produzieren. Je größer eine Kröte ist, desto mehr dieser Drüsen besitzt sie. Werden die Kröten gefressen, so sterben die Fressfeinde, wenn die aufgenommene Giftmenge im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht groß ge- nug ist. Ein australischer Fressfeind der Aga-Kröte ist die Rotbäuchige Schwarzotter (Pseudechis porphyriacus). Australische Wissenschaftler haben zu dieser Schlangenart Daten aus den letzen 80 Jahren zu- sammengetragen und miteinander verglichen. Sie kamen dabei zu folgendem Ergebnis: In der Population der Rotbäuchigen Schwarzotter an der Ostküste Australiens hat seit 1935 die durchschnittliche Körperlänge der Individuen deutlich zugenommen. Material 4 Der Amerikanische Nerz (Neovison vison) ist eine Raubtierart aus der Familie der Marder. Ur- sprünglich nur in Nordamerika verbreitet, kommt er mittlerweile auch in Europa vor. Den Ursprung der europäischen Populationen bilden Nerze, die aus Pelztierfarmen ausgebrochen sind. Im Zusammenhang mit der Zucht der Tiere als Pelzlieferanten entstanden Nerze mit zahlreichen Fellvarianten. Die Merkmale Fellfarbe und Fellform (siehe Tabelle 4) werden von Gen 1 bzw. Gen 2 bestimmt, die unabhängig voneinander vererbt werden. Ein Züchter kreuzt einen bezüglich beider Merkmale mischerbigen weiblichen Nerz mit einem männlichen Nerz, der weißes, glattes Fell aufweist. Merkmal Fellfarbe Fellform Gen 1 2 Zugehörige Allele Eigenschaft des Allels D: Allel für braune Fellfarbe dominant d: Allel für weiße Fellfarbe rezessiv G: Allel für gelocktes Fell dominant g: Allel für glattes Fell rezessiv Tab. 4: Gene und Allele zweier Merkmale des Nerzes BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 3 von 5
Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Aufgabe 2 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Erwartungshorizont und Bewertung nach Anforderungsbereichen Bewertung Erwarteter Inhalt a) b) c) I Als homoiotherm werden Lebewesen bezeichnet, die ihre Körpertemperatur unabhängig von der Außentemperatur konstant halten können. Als poikilotherm werden Lebewesen bezeichnet, deren Körpertemperatur von der Außentemperatur abhängig ist. Phase I: Die Mittelwerte der Populationsgrößen von Antillenfrosch und Haus- ratte sind konstant, da sich die biotischen und abiotischen Faktoren für diese Arten vermutlich nicht verändern. Phase II: Für die Ratte stellt das Zuckerrohr auf den neu angelegten Planta- gen eine in großer Menge verfügbare Nahrung dar, sodass ihre Populati- onsgröße im gesamten Zeitraum zunimmt. Auch die Larve des gleichzeitig mit dem Zuckerrohr eingeschleppten Zünslers findet ein großes Nahrungs- angebot vor, sodass die Population des Zünslers zunächst stark wächst. Die Populationsgröße der Ralle nimmt anfangs leicht ab, vermutlich da ihr natür- licher Lebensraum durch das Anlegen der Zuckerrohrplantagen teilweise zerstört wird. Die Population erholt sich jedoch wieder, da die Larven des Zünslers eine zusätzliche Beute für die Ralle darstellen. Die Populationsgrö- ßen von Zünsler und Ralle bleiben etwa ab 1725 im Mittelwert konstant, was sich damit erklären lässt, dass sich das Räuber-Beute-System stabilisiert hat. Phase III: Die Populationsgröße des Mungos steigt exponentiell an, da er auf Jamaika reichlich Nahrung findet. Zunächst ernährt er sich hauptsächlich von Ratten, deren Populationsgröße daher deutlich abnimmt. Als diese Beu- te jedoch seltener wird, frisst der Mungo auch immer häufiger Rallen. Die Kurve ihrer Populationsgröße fällt daher stark ab; sie werden anscheinend sogar ausgerottet. Da dadurch die Zahl der Fressfeinde des Zünslers dezi- miert ist, kann dessen Populationsgröße sehr stark wachsen. Beurteilung Durch die Einführung des Mungos wurde die Rattenplage auf den Plantagen zwar wirksam bekämpft, der Ernteertrag des Zuckerrohrs konnte jedoch nicht verbessert werden, da der Schaden durch die starke Zunahme der Zünslerpopulation größer war als der, der vorher von den Ratten verursacht wurde. Schon vor 1935 gab es in der Population der Rotbäuchigen Schwarzotter an der Ostküste Australiens aufgrund von Mutation und Rekombination immer wieder Tiere, die etwas größer waren. Mit dem Wachstum der Population der Aga-Kröte ist mit diesem Merkmal ein zunehmender Selektionsvorteil für die Schwarzottern verbunden. Größere Schlangen können aufgrund ihres höheren Körpergewichts mehr Gift der Aga-Kröten tolerieren und somit steigt ihre Chance, das Fressen einer Aga-Kröte zu überleben. Die Überlebens- und Fortpflanzungschancen von Schwarzottern mit diesem Merkmal sind daher erhöht. Sie vererben die entsprechenden Allele an ihre Nachkommen, sodass sich die zugehörige Allelfrequenz im Genpool der Population im Lau- fe der Generationen zugenommen hat. Der in der Umwelt der Schwarzottern neu aufgetauchte biotische Selektionsfaktor „Aga-Kröte“ hat eine Artum- wandlung bewirkt, die in dem Ergebnis der Wissenschaftler deutlich wird. BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont II III 7 3 3 4 3 6 4 1 Seite 4 von 5
Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie d) 25 % der Nachkommen in der F1-Generation werden den gleichen Phänotyp wie das Vatertier haben. 3 6 Verteilung der insgesamt 40 Bewertungseinheiten auf die Anforderungsbereiche 16 20 4 Quellenangaben Titelbild: www.geo.de/forum/showthread.html?t=22791&page=8 (2014) Abbildung 2.1: www.naturephoto.lt/img/photos/original/egzotika/ (9)110.jpg (2014) Informationen: Abbildung 2.2 und Tabelle 2: Jaenicke, Joachim (Hrsg.): Materialien-Handbuch Biologie, Band 3/I, Ökologie (I). Köln (Aulis Verlag) 1994, S. 249 – 251 (verändert). Klein, Rüdiger Lutz et al.: Finale Prüfungstraining, Zentralabitur Niedersachsen 2013 Biologie. Braunschweig (Bildungshaus Schulbuchverlage) 2012. Phillips, Ben L. und Shine, Richard: Adapting to an invasive species: Toxic cane toads induce morphological change in Australian snakes. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, Nr. 101(49) vom 7. Dezember 2004, S. 17150 – 17155. www.naturephoto.lt/img/photos/original/egzotika/(9)110.jpg www.geo.de/forum/showthread.html?t=22791&page=8 http://nerz-info.npage.de/felltypen.html http://de:wikipedia.org/wiki/Nerzfell www.kolleg.loel.hsanhalt.de/cmsloel/fileadmin/Dateien/Professor/MartinWaehner/Downloads/TP2/MENDEL- Genetik.pdf BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 5 von 5