Phi1-gA-A-SCAN.2017
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Abitur-Aufgaben im Fach Philosophie im Jahr 2017 in Hamburg“
Diese Anfrage wurde als Teil der Kampagne „Frag sie Abi!“ gestellt.
A -s- Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Schule und Berufsbildung / Kurs-Nr. / Name Schriftliche Abiturprüfung Schuljahr 2016/2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau an allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufen Haupttermin Donnerstag, 27. April 2017,09:00 Uhr Unterlagen für die Prüflinge Allgemeine Arbeitshinweise • Schreiben Sie auf alle Prüfungsunteriagen Ihren Namen und zusätzlich auf dieses Deckblatt Ihre Kursnummer. • Kennzeichnen Sie bitte Ihre Entwurfsblätter (Kladde) und Ihre Reinschrift. Fachspezifische Arbeitshinweise • Die Arbeitszeit beträgt 240 Minuten. • Eine Lese- und Auswahlzeit von 30 Minuten ist der Arbeitszeit vorgeschaltet. In dieser Zeit darf noch nicht mit der Bearbeitung der Aufgaben begonnen werden. • Erlaubte Hilfsmittel: Rechtschreibwörterbuch, Fremdwörterlexikon Aufgabenauswahl • Sie erhalten drei Aufgaben (1, 2 und 3) zu unterschiedlichen Schwerpunkten, • Überprüfen Sie anhand der Seitenzahlen, ob Sie alle Unterlagen vollständig erhalten haben. • Wählen Sie eine Aufgabe aus und bearbeiten Sie diese. • Vermerken Sie auf der Reinschrift, welche Aufgabe (1, 2 oder 3) Sie bearbeitet haben. Hinweise zu den Erleichterungen für neu zugewanderte Schülerinnen, Schüler und Prüflinge bei Sprachschwierigkeiten in der deutschen Sprache finden sich auf S. 2. Phh-gA-A-2017 Seite 1 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur 2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Erleichterungen für neu Zugewanderte Entsprechend der „Richtlinie über die Gewährung von Erleichterungen für neu zugewanderte Schülerinnen, Schüler und Prüflinge bei Sprachschwierigkeiten in der deutschen Sprache" (MBlSchul Nr. 08, 7. Oktober 2016, S. 60) werden für die betroffenen Prüflinge die folgenden Erleichterungen gewährt: • Die Bearbeitungszeit wird um 30 Minuten auf 270 Minuten erhöht. • Ein nicht-elektronisches Wörterbuch Deutsch - Herkunftssprache / Herkunftssprache - Deutsch wird bereitgestellt. Phh-gA-A-2017 Seite 2 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur 2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Aufgabe 1 Aufgabe 1 Schwerpunktthema: Dürfen wir alles, was wir können? Teilaufgaben l. l Stellen Sie die moralischen Probleme, die der Artikel aufwirft, dar. (Anforderungsbereich I-II, 20 %) 1.2 Gestalten Sie einen fiktiven kontroversen Dialog zum Thema „späte Elternschaft", in dem mindestens eine konsequenzialistische und eine deontologische Position vertreten werden. (Anforderungsbereich I-III, 45 %) l .3 Nehmen Sie begründet Stellung zu der These, dass das Alter einer werdenden Mutter moralisch irrelevant ist. (Anforderungsbereich III, 35 %) Material: M1 Le Ker, Heike: Späte Elternschaft: Wollen wir alles, was wir können? Online unter: http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/mutter-mit-65-debatte-ueber-spaete- schwangerschaft-a-1028772.html, Zugriff vom 6.11.2015. Phil-gA-A-2017 Seite 3 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur 2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Aufgabe 1 M1 Heike Le Ker: Späte Elternschaft: Wollen wir alles, was wir können? [...] Wenn eine 13-fache, Phh-gA-A-2017 Seite 4 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur 2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Aufgabe 1 40 lallem die Kinder. Phil-gA-A-2017 Seite 5 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Aufgabe 2 Aufgabe 2 Schwerpunktthema: Was ist Schönheit? Teilaufgaben 2.1 Stellen Sie Darwins Vorstellung von Schönheit dar. (Anforderungsbereich I-II, 30 %) 2.2 Erörtern Sie unter Rückgriff auf die Ausführungen Darwins und andere Ihnen bekannte philosophische Positionen zur Ästhetik die Frage, ob und inwiefern Schönheit ein subjektives Empfinden oder eine objektive Eigenschaft ist. (Anforderungsbereich II-III, 40 %) 2.3 Diskutieren Sie, ob und inwiefern Darwins Ansatz, die Schönheit in der Natur zu erklären, auf die Frage nach der Schönheit in der Kunst übertragbar ist. (Anforderungsbereich III, 30 %) Material: M1 Textauszug aus: Darwin, Charles: Über die Entstehung der Arten (Original: On the Origin ofSpecies by Means ofNatural Selection, or the Preservation ofFavoured Races in the Struggle for Life, London 1859), Kap. 6: Schwierigkeiten der Theorie, online unter: textlog.de: Historische Texte & Wörterbücher, http://www.textlog.de/23707.html, Zugriff vom 23.2.2016. Phil-gA-A-2017 Seite 6 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau • Oberstufen Aufgabe 2 M1 Charles Darwin: Wie weit die Nützlichkeitstheorie richtig ist; wie Schönheit erzielt wird [...] In Bezug auf die Ansicht, dass die organischen Wesen zum Entzücken des Menschen schön erschaffen worden seien, eine Ansicht, von der versichert wurde, sie sei verderblich für meine Theorie - will ich zunächst bemerken, dass das Gefühl der Schönheit offenbar von dem Geiste des Menschen ausgeht, ganz ohne Rücksicht auf 5 irgend eine reale Qualität des bewunderten Gegenstandes, und dass die Idee von dem, was schön ist, kein eingeborenes und unveränderliches Element ist. Wir sehen dies z. B. bei den Männern der verschiedenen Rassen, welche einen völlig verschiedenen Maßstab für die Schönheit ihrer Frauen haben. Wären schöne Objekte allein zur Befriedigung des Menschen erschaffen worden, so miisste gezeigt werden, dass es, 10 ehe der Mensch erschien, weniger Schönheit auf der Oberfläche der Erde gegeben habe, als seitdem er auf die Bühne gekommen ist. Wurden die schönen Voluta- und Konus-Schalen der eocenen Periode und die so graciös sculpturierten Ammoniten der Sekundärzeit erschaffen, dass sie der Mensch nach Jahrtausenden in seinen Sammlungen bewundere? Wenig Objekte sind schöner als die minutiösen Kiesel- 15 schalen der Diatomeen: wurden diese erschaffen, um unter stark vergrößernden Mikroskopen untersucht und bewundert zu werden? Im letzteren Falle wie in vielen anderen ist die Schönheit dem Anscheine nach gänzlich eine Folge der Symmetrie des Wachstums. Die Blüten rechnet man zu den schönsten Erzeugnissen der Natur; sie sind indessen im Kontrast zu den grünen Blättern auffallend und in Folge davon 20 gleichzeitig schön gemacht worden, damit sie leicht von Insekten bemerkt würden. Ich bin zu diesem Schlüsse gelangt, weil ich es als eine unwandelbare Regel erkannt habe, dass, wenn eine Blüte durch den Wind befruchtet wird, sie nie eine lebhaft gefärbte Corolle hat. Ferner bringen mehrere Pflanzen gewöhnlich zwei Arten von Blüten hervor; die eine Art offen und gefärbt, um Insekten anzulocken, die andere 25 geschlossen, nicht gefärbt, und ohne Nektar, die nie von Insekten besucht wird. Wir können hieraus schließen, dass, wenn Insekten niemals auf der Erdoberfläche existiert hätten, die Vegetation nicht mit schönen Blüten geziert worden wäre, sondern nur solche armselige Blüten erzeugt hätte, wie sie jetzt unsere Tannen, Eichen, Nussbäume, Eschen, Gräser, Spinat, Ampfer und Nesseln tragen, welche sämtlich 30 durch die Tätigkeit des Windes befruchtet werden. [.. .] Auf der ändern Seite gebe ich gern zu, dass eine große Anzahl männlicher Tiere, wie alle unsere prächtigst geschmückten Vögel, manche Fische, Reptilien und Säugetiere und eine Schar prachtvoll gefärbter Schmetterlinge der Schönheit wegen schön geworden sind; dies ist aber nicht zum Vergnügen des Menschen bewirkt worden, 35 sondern durch geschlechtliche Zuchtwahl, d. h. es sind beständig die schöneren Männchen von den Weibchen vorgezogen worden. Dasselbe gilt auch von dfem Gesang der Vögel. Aus allem diesem können wir schließen, dass ein ähnlicher Geschmack für schöne Farben und musikalische Töne sich durch einen großen Teil des Tierreichs hindurchzieht. Wo das Weibchen ebenso schön gefärbt ist wie das 40 Männchen, was bei Vögeln und Schmetterlingen nicht selten der Fall ist, da liegt die Ursache allem Anscheine nach darin, dass die durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangten Farben auf beide Geschlechter, statt nur auf das Männchen, vererbt worden sind. Wie das Gefühl der Schönheit in seiner einfachsten Form, - d. h. die Phi1.gA-A.2017 Seite 7 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur 2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Aufgabe 2 Empfindung einer eigentümlichen Art von Vergnügen an gewissen Farben, Formen 45 und Lauten - sich zuerst im Geiste des Menschen und der niederen Tiere entwickelt . hat, ist ein sehr dunkler Gegenstand. Dieselbe Schwierigkeit bietet sich dar, wenn wir untersuchen, woher es kommt, dass gewisse Geschmäcke und Gerüche Vergnügen machen und andere Missvergnügen. In allen diesen Fällen scheint die Gewöhnung in einer gewissen Ausdehnung ins Spiel gekommen zu sein; es muss aber auch 50 irgendeine fundamentale Ursache in der Konstitution des Nervensystems bei jeder Spezies vorhanden sein. Hinweise: Voluta- und Konus-Schalen: Gehäuse von Seeschnecken eocenen Periode: Erdzeitalter (auch: Eozän), Beginn vor 55,8 Millionen Jahren, Ende vor etwa 33,9 Millionen Jahren Ammoniten: Ausgestorbene Gruppe von Meerestieren (Kopffüßler) Diatomeen: Kieselalgen; eine gezeichnete Tafel mit verschiedenen Kieselalgen findet sich in dem Band „Kunst- formen der Natur" von 1904 des Zoologen Ernst Haeckel (1834-1919), online unter: http://www.spektrum.de/news/algen-ueberdauem-auf-derh-mond/1302949 (siehe Abb. unten). Corolle: Blütenkrone Phi1.gA-A.2017 Seite 8 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur 2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Aufgabe 3 Aufgabe 3 Schwerpunktthema: Was ist Schönheit? Teilaufgaben 3.1 Arbeiten Sie drei unterschiedliche Definitionen von Schönheit heraus, die in den beiden Materialien formuliert werden. (Anforderungsbereich 1-111, 30 %) 3.2 Schreiben Sie einen Essay über die Schwierigkeit, das Schöne zu definieren. Beziehen Sie die beiden Materialien und Ihr Hintergrundwissen aus dem Unterricht ein. (Anforderungsbereich 1I-I1I, 70 %) Material: M1 Textauszug aus: Schiller, Friedrich: An Körner über die Schönheit. Aus den „Kallias-Briefen", Brief vom 18. Februar 1793, in: Schiller, Friedrich: Über Kunst und Wirklichkeit. Schriften und Briefe zur Ästhetik, herausgegeben von Claus Träger, Leipzig 1985, S. 111-113. M2 Textauszug aus: Pauser, Wolfgang: Was ist schön? Das „Gesicht '97" - eine philosophische Betrachtung, in: Die Zeit vom 12. Dezember 1997, online unter: www.zeit.de/1997/51 /gesicht.txt. 19971212.xml, Zugriff vom 10.6.2016. Phi1.gA-A.2017 Seite 9 von 11
Freie und Hansestadt Hamburg allgemeinbildende Behörde für Schule und Berufsbildung gymnasiale Abitur 2017 Philosophie auf grundlegendem Anforderungsniveau Oberstufen Aufgabe 3 M1 Textauszug aus: Friedrich Schiller: An Körner über die Schönheit Es ist gewiss von keinem sterblichen Menschen kein größeres Wort noch gesprochen worden als dieses kantische, was zugleich der Inhalt seiner ganzen Philosophie ist: Bestimme dich aus dir selbst: So wie das in der theoretischen Philosophie: Die Natur steht unter dem Verstandesgesetze. Diese große Idee der Selbstbestimmung strahlt uns 5 aus gewissen Erscheinungen der Natur zurück, und diese nennen wir Schönheit. [...' Das schöne Produkt darf und muss sogar regelmäßig sein, aber es muss regelfrei erscheinen. Nun ist aber kein Gegenstand in der Natur und noch viel weniger in der Kunst zweck- und regelfrei, keiner durch sich selbst bestimmt, sobald wir über ihn nachdenken. 10 Jeder ist durch einen ändern da, jeder um eines ändern willen da, keiner hat Autonomie. Das einzige existierende Ding, das sich selbst bestimmt und um seiner selbst willen ist, muss man außerhalb der Erscheinung in der intelligiblen Welt aufsuchen. Schönheit wohnt aber nur im Feld der Erscheinungen, und es ist also gar keine Hoffnung da, vermittelst der bloßen theoretischen Vernunft und auf dem Wege 15 des Nachdenkens auf eine Freiheit in der Sinnenwelt zu stoßen. Aber alles wird anders, wenn man die theoretische Untersuchung hinweglässt und die Objekte bloß nimmt, wie sie erscheinen. Eine Regel, ein Zweck kann nie erscheinen, denn es sind Begriffe und keine Anschauungen. [...] Es kommt also hier lediglich auf das völlige Abstrahieren von einem Bestimmungsgrunde an, um ein Objekt in der 20 Erscheinung als frei zu beurteilen. [...] Eine Form erscheint also frei, sobald wir den Grund derselben weder außer ihr finden noch außer ihr zu suchen veranlassl werden. Denn würde der Verstand veranlasst, nach dem Grund derselben zu fragen, so würde er diesen Grund notwendig außer dem Dinge finden müssen; weil es entweder durch einen Begriff oder durch einen Zufall bestimmt sein muss, beides aber sich gegen das 25 Objekt der Heteronomie verhält. Man wird also Folgendes als einen Grundsatz aufstellen können: dass ein Objekt sich in der Anschauung als frei darstellt, wenn die Form desselben den reflektierenden Verstand nicht zu[r] Aufsuchung eines Grundes nötigt. Schön heißt also eine Form, die sich selbst erklärt; sich selbst erklären heißt aber hier, sich ohne Hilfe eines Begriffs [zu] erklären. Ein Triangel [= ein Dreieck] 30 erklärt sich selbst, aber nur vermittelst eines Begriffes. Eine Schlangenlinie erklärt sich selbst ohne das Medium eines Begriffs. Schön, kann man also sagen, ist eine Form, die keine Erklärung fo[rjd.ert, oder auch eine solche, die sich ohne Begriff erklärt. Phh-gA-A-2017 Seite 10 von 11