140206_ifg_bescheid_zi413002-4-330_anlage-1

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Abmahnung von Fragdenstaat.de durch das Innenministerium

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Referat Z 14                                        Berlin , den 7. Januar 2014 Z I 4 - 13002/4#187                                 Hausruf: 2605 I 1546 Refl.:   MR Menz Ref. :   RD Nitsch ~nisterium I -- --- · srn RG    des lnnem / 8 " 9·· 0 7. .Jan 2014 Frau Stn Rogaii-Grothe       t~~ 1 über Herrn AL Z Herrn UAL Z I 2 AA IA<t Referat V I 5 hat mitgezeichnet Betr.:        Veröffentlichung von nach IFG herausgegebenen internen Unterlagen Bezug:        Mit dem Internetportal "Frag-den-Staat.de" geführte laufende Diskussion Anlagen:      -3- 1.       Votum Billigung der Abmahnung und kostenpflichtigen Durchsetzung einer ver- tragsstrafbewehrten Unterlassungserklärung des Internetportals "Frag- den-Staat.de" durch einen Rechtsanwalt (Kostenfolge: 1.000- 2.000 €). 2.       Sachverhalt Das BMI hat auf mehrere Anträge von Bürgern nach dem lnformationsfrei- heitsgesetz (IFG) in einem IFG-Bescheid (Anlage 1) u.a. eine Vorlage an die Hausleitung herausgegeben , die eine interne fachliche Bewertung ei- nes Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 zur Zulässigkeit einer Sperrklausel im Europawahlgesetz enthielt (Anlage 2). ln dem Bescheid erklärte sich das BMI ausdrücklich nicht mit einer Veröf- f~ ntlichung der internen Unterlage durch den Antragsteller einverstanden
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-2- und wies darauf hin, dass es sich hierbei nicht um ein gemeinfreies "amtli- ches Werk" im Sinne von§ 5 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) handle. Das der Nutzung des IFG gewidmete Internetportal "Frag-den-Staat.de" hat in Kenntnis seines fehlenden Veröffentlichungsrechts die interne Un- terlage auf sein Portal zum Download gestellt (Anlage 3). Darin liegt ein Verstoß gegen die Veröffentlichungsbefugnis des Rechteinhabers Bund nach§ 17 und§ 19a UrhG. Das BMI kann vom Veröffentlichenden (der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. , Schlesische Str. 6, 10997 Berlin) Unterlassung und Abgabe einer vertragsstrafebewehrten Unterlas- sungserklärung verlangen . Bei Abmahnung durch einen Rechtsanwalt entstehen Kosten in Höhe von 1.000-2.000 Euro, die als Schadenser- satz vom Inanspruchgenommenen zu ersetzen sind. Die Rechtsdurchset- zunQ erfolgt ggf. (wenn sich der Adressat widersetzt) im Wege einer ge- richtlichen einstweiligen Verfügung binnen weniger Tage. Eine erneute Abmahnung durch das BMI ohne Rechtsanwalt und Kosten wäre möglich, wäre jedoch angesichts des bewusst und vorsätzlich begangenen Rechts- verstoßes von "Frag-den-Staat.de" nicht zweckmäßig. 3. Stellungnahme Es wird eine kostenpflichtige Abmahnung durch einen Rechtsanwalt vor- geschlagen. Wird der Verein, der das Internetportal "Frag-den-Staat.de" trägt, kostenpflichtig durch einen Rechtsanwalt im Auftrag des BMI abge- mahnt, ist allerdings mit dem Versuch einer Skandalisierung in den Medi- en durch IFG-Interessierte zu rechnen . Ignoriert das BMI den Bruch seines Veröffentlichungsverbots, kann in Zukunft auf den Hinweis verzichtet wer- den, dass nach IFG herausgegebene Unterlagen nicht weiterverbreitet werden dürfen (da ein Verstoß offensichtlich folgenlos ist). Die tatsächliche Weiterverbreitung des Dokuments im Internet durch unbekannte Dritte wird durch Abmahnungen nicht verhindert (könnte aber ggf. durch weitere kostenpflichtige Abmahnungen begleitet werden). L Menz                                        Nitsch
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~ W I  Bundesministerium des Ionern POSTANSCHRIFT  Bundesnllftislerium des lnnem, 11014 Benin HAUSANSCHRIFT      All-Moabit 101 D, 10559 Berlin POST ANSCHRIFT     11014 Bertin TEL   -+49 (0)30 18 681-1980 FAX -+49 (0)30 18 681-55038 BEARBEITET VON RDWallner E·I.WL    Zl4@bmi.bund.de INTERNET     www.bmi.bund.de DATUM     Berlin, 19. Dezember 2013 1<1. Z14-13002/4#187 BETREFF  Informationsfreiheitsgesetz HIER Sperrklausel bei Europawahlen eezuG Ihr Antrag vom 17. November 2013 ANLAGE  -2- mit E-Mail vom 17. November 2013 beantragen Sie auf Grundlage des Informa- tionsfreiheitsgesetzes (IFG) die Übersendung einer in der Zeitschrift DER SPIEGEL vom 14.0ktober 2013 (42/2013) erwähnten Stellungnahme des Bundesministeriums des lnnern (BMI). Antragsgemäß übersende ich Ihnen als Anlage die BMI interne Stellungnahme. Ich weise darauf hin, dass der Vermerk lediglich zu privater Kenntnisnahme, jedoch nicht zu Veröffentlichungszwecken nach dem IFG herausgegeben wird: Es handelt sich um die interne fachliche Bewertung eines Urteils des Bundesverfas- sungsgerichts zum Zeitpunkt der Urteilsveröffentlichung am 9. November 2011, die nicht zur Veröffentlichung, sondern zur Unterrichtung der Hausleitung des BMI be- stimmt war. Daher widerspricht das Bundesministerium des Inneren der Veröffentli- chung dieser Meinung seiner fachlich zuständigen Organisationseinheit Die Veröf- fentlichung einer internen Stellungnahme ist nicht gleichzusetzen mit der Äußerung der Regierung gegenüber der Öffentlichkeit. Es handelt sich damit bei dem Ihnen überlassenen internen Vermerk nicht um ein .. amtliches Werk" im Sinne von ZUSTELL· lJNO LIEFERAHSCHRIFT     Alt·Moabll101 0, 10559 Berlin . VERKEHRSANBINDUNG         $-Bahnhof Bellewe. U·Bahntlol TurmsraBe Bushalleslalle Kleiner Tiergarten
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.I        I Bundesministerium des lnnern sEITE 2 vON 4 § 5 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz, das "im amtlichen Interesse zur allgemeinen  Kennt~ nisnahme veröffentlicht worden" ist. DarOber hinaus bitten Sie um alle weiteren im BMI im Hinblick auf eine PrOfung der Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel bei Europawahlen vorliegenden lnformatio~ nen und Dokumente. Dazu liegen hier folgende Dokumente vor: 1. Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags "Sperr~ klausein bei Europawahlen" vom 22. November 2011 2. Studie "Eine Sperrklausel bei Europawahlen" des CEP (Centrum fOr Europäi~ sehe Politik) vom Oktober 2012 3. Stellungnahme zum Entwurf eines FOnften Gesetzes zur Änderung des Euro- pawahlgesetzes zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundes~ tages am 10. Juni 2013 von Prof. Dr. Bernd Grzeszick 4. Stellungnahme zur gesetzlichen WiedereinfOhrung einer Sperrklausel im Euro- pawahlrecht zur Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 10. Juni 2013 von Prof. Dr. Hans-JOrgen Papier 5. Kurz-Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BOndnis 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines FOnften Gesetzes zur Ände- rung des Europawahlgesetzes (BT-Drucksache 17/13705 und Ausschussdruck- sache 17(4) 761)- Anhörung des Innenausschusses vom 10. Juni 2013- von Wilko Zieht 6. Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der EinfOhrung einer 3%-HOrde bei den Eu- ropawahlen Anhörung am 10. Juni 2013 im Deutschen Bundestag, lnnenaus- schuss, von Prof. Dr. Franz C. Mayer 7. Stellungnahme zum Entwurf des 5. Gesetzes zur Änderung des Europawahlge- setzes (BT-Drs. 17/13705) fOr die Anhörung des Innenausschusses des Deut- schen Bundestagesam 10. Juni 2013 von Prof. Dr. Werner Heun Zu 1: Über das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags "Sperrklauseln bei Europawahlen" vom 22. November 2011 besteht hier keine Verfü- gungsbefugnis (§7 Abs. 1 Satz 1 IFG). Der Deutsche Bundestag hat einer Heraus~ gabe des Dokuments nicht zugestimmt. Ein Anspruch auf Zugang zu diesem Gutach~ ten nach dem IFG besteht nicht. Das IFG findet auf den Deutschen Bundestag und seine Verwaltung nur Anwendung, soweit öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben
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.I          Bundesministerium des lnnern i SE!TE 3VONJ wahrgenommen werden(§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 21FG). Parlamentarische Angele- genheiten bleiben vom Anwendungsbereich des IFG ausgenommen. Hierzu gehört unter anderem die Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste für Mitglieder des Deut- schen Bundestages (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 und OVG 12 B 21.12). Die Wissenschaftlichen Dienste haben die Aufgabe, die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung ihres Mandats durch fachliche Beratung zu unterstützen. Diesbezüglich wird der Deutsche Bundestag in Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe tätig. Gerade auf diesen Bereich findet das IFG keine Anwendung. Der Deutsche Bundestag hat sich ferner sämtliche Nutzungsrechte an den Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste vorbehalten und die Zustimmung zur Weitergabe auch insofern versagt. Zu2: Studie "Eine Sperrklausel bei Europawahlen" des Centrums für Europäische Politik {CEP): Das CEP hat der Herausgabe der hier vorliegenden Studie nEine Sperrklausel für Europawahlen" vom Oktober 2012 an die Antragsteller zugestimmt, sich aber unter Berufung auf das Urheberrecht eine Veröffentlichung der Studie vorbehalten. Das Dokument ist daher als Anlage beigefügt. Die Veröffentlichung durch Sie als An- tragsteller ist nicht gestattet. zu Nr. 3-7: Die Dokumente sind im Internet auf der Website des Deutschen Bundestages abruf- bar (http://www .bundestag.de/bundestag/ausschuesse 17/a04/Anhoerungen/Anhoerung3 5/Stellungnahmen SV/index.html). Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Wi- derspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift ein- zulegen beim Bundesministerium des lnnern, Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin. Eine einfache E-Mail genügt der Schriftform nicht. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag ~ Menz
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Bvflc!··""'-f, ~.,,;':.··~:~tH'"~ 1 ~.iss !rtnem ., !,Q 17. Nov. ?011 Referat V 15                                                                                Berlin, den 16. November 2011 V I 5 - 121 333-7/1          1;:.::    . •.•.      ..     '"'% ~..~ ---·-                   Hausruf: 45522 I 45520 IIL    .• •       •      .•. \7-l"Q          ·-·-··- Ren.:    MR Or. Boehl Ref:     RO Franßen 1 Ia~- l ! . 1B. 11. ...... ------------ ' \ [lr.;r r: ~·· -·~ :o. ~- \ .; V 11 " 1 •• .:•• ·Jt' ..,. .2 ...::::::> 'b "," [1I 3-k. I .     I über                        i                          ~- .2J2,2 A~druck(e): Sfin Rogaii-Grothe        fC:4-1,-_- . c:.,_.                        _>.:.;:__            --H;rm PSt Dr. Sehröder Herrn AL v         (' ,·. v. V4                                                             HeF PSt Dr. Bergner Frau UALn V I         I'<_ .(~ IAA                                                          Gf1 Referat V I 3 hat mitgezeichnet. Betr.:   Urteil des BVerfG vom 9.11.2011 zur Verfassungswidrigkeit der 5-Prozent- Sperrklausel in§ 2 Abs. 7 EuWG (Anlage); hier: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer 2,5-Prozent-Sperrklausel Anlg.: - 1 - 1.      Votum Die das Urteil des BVerfG vom 9.11.2011 zur Verfassungswidrigkeit der 5- Prozent-Sperrklausel in § 2 Abs. 7 EuWG tragenden Gründe sprechen gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit ei                                                       t-Sperrklausel. 2.   .   Sachverhalt Mit Urteil vom 9.11.2011 hat das BVerfG entschieden, dass der bei Europawah- len eine 5-Prozent-Sperrklausel vorsehende § 2 Abs. 7 EuWG mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG unvereinbar und daher nichtig ist. Vor dem Hintergrund dieses Urteils stellt sich die Frage, ob die gesetzliche Ein- führung einer Sperrklausel in Höhe von 2,5% verfassungsrechtlich zu rechtferti- gen wäre.
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-2- 3. . Stellungnahme Nach § 31 Abs. 1 BVerfGG binden die Entscheidungen des BVerfG die Verfas- sungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Oie Bindungswirkung erstreckt sich auf den Tenor und die ihn tragenden Grun- de. Selbst wenn sich aus § 31 Abs. 1 BVerfGG ein Normwiederholungsverbot nicht entnehmen lassen sollte, darf der Gesetzgeber wegen des Grundsatzes der Ve!!U'ungsorgantre,yJ.jedenfalls die vom BVerfG in einer Entscheid~ng festgestellten G1'9nde fOr die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht Obergehen (vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Auflage 2011, § 31 Rn. 35). Dies vorausgeschickt sprechen die das Urteil des BVerfG zur Verfassungswid- rigkeit der 5-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen tragenden Grunde gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeil einer 2,5-Prozent-Sperrklausel. Das . BVerfG  hat in seinem   Urteil zunächst zu . den verfassungsrechdichen  Maß- stäben, an den wahlrechtliche Sperrklausel zu messen sind, hervorgehoben, dass dem Gesetzgeber .for Differenzierungen Im Rahmen der Wahlrechts- gleichheit(... ) nur ein eng bemessener Spielraum" verbleibe ~des Ur- teitsabdrucks). Differenzierungen bedOrften ,.zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, ,zwingenden• Grundes <S. 20 f.). Die Ausge- ' staltung des Wahlrechts unterliege insoweit einer strikten verfassungsgerichtli- chen Kontrolle, .weil mit Regelungen, die.dle Bedingungen der politischen Kon- kurr~nz berohren,    die parlamentarische Mehrheit gewissermaßen in eigener Sache tätig wird und gerade bei der Wahlgesetzgebung die Gefahr besteht, I. dass die jeweilige Parlamentsmehrheit sich statt von gemeinwohlbezogenen Erwägungen vom Ziel des eigenen Machterhalts leiten lässt" (S. 22). An diesen Maßstäben gemessen bieten nach Auffassung. des BVerfG (S. 24- nachfolgende Hervorhebungen nicht im Original) .die bei der Europawahl 2009 gegebenen und fortbestehenden tatsächlichen und rechtlichen Ver- hältnisse (••• ) keine hinreichenden Grunde. die den mit der Sperrklau~l ver- bundenen schwerwiegenden Eingriff in d- Grundsätze der Wahlrechtsgleich- . heil und Chancengleichheit der politischen Parteien rechtfertigen. Faktisch kann· der Wegfall von Sperrklauseln (I) und äquivalenter Regelungen zwar eine spOrbare Zunahme von Parteien mit einem oder zwei Abgeordneten im Europl-
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-3- ischen Parlament bewirken. Jedoch fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten da- für, dass damit strukturalle Veränderungen innerhalb des Parlaments ein- hergehen, die eine Beeinträchtigung seiner Funktlonsfihlgkeit hlnrei· chend wahrscheinlich erwarten lassen. Durch die europäischen Verträge sind die Aufgaben des Europäischen Parlaments so ausgestaltet, dass es an zwingenden Gründen, ln die Wahl- und Chal)cengleichhelt durch Sperr· klauseln (I) einzugreifen, fehlt." Bereits diese Obersätze im Urteil, die das weitere "PrOfprogramm" des Gerichts in Bezug auf das Vorliegen legitimer GrUnde strukturieren, beziehen sich nicht auf die konkrete Ausgestaltung einer Sperrklausel ln Höhe von 5%, san- dem auf Sperrklauseln im Allgemeinen. Dass fOr das BVerfG keine verfas- sungsrechtlich tragenden Gründe für Sperrklauseln als solche bei der Europa- wahl erkennbar sind; zeigen die nachfolgenden EinzelbegrUndungen in aller Deutlichkeit. So steht nach Auffassung des BVerfG (8. 24 - nachfolgende Hervorhebungen nicht im Origina~   ..zu erwarten, dass ohne Sperrklausel und äquivalente Re- gelungen die Zahl der Parteien im Europäischen Parlament zunimmt, die nur mit einem oder zwei Abgeordneten vertreten sind" und "dass es sich dabei um eine nicht zu vernachlässigende Grölenordnung handelt.• Trotz dieses Um- stands ist für das BVerfG .,nicht erkennbar, dass durch die Zunahme von Par· teien mit einem oder zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament dessen Funktionsfähigkeit mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt wOr- \ de• ~. Diese Aussagen beziehen sich nicht auf bestimmte Größenordnun- gen der Teilnahme kleinerer Parteien an der Sitzverteilung, sondern sind ganz allgemein gehalten, zumal aus Sicht ~es Ger:ichts    ~ .keine      gesicherten Erkenntnisse zu den Grenzen der Integrationsleistung der Fraktionen vor(liegen), auf die gestützt sich Grenzen hinnahmbarer Fragmentierung der im Europäischen Parlament vertretenen politischen Krlfte bestimmen ließen." Auch die AusfOhrungen des Gerichts zur anders gelagerten Interessenlage bei der Wahl zum Deutschen Bundestag, bei der eine 5-Prozent-Sperrklausel ge- rechtfertigt sei, zeigen deutlich, dass sich die Gründe Im UrteJI gegen die Im· plementierung einer Sperrklausel jedwed~r Art bei der Europawahl rich-
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ten. Ausgehend von der These des Gerichts (S. 33 - nachfolgende Hervorhe-- bungen nicht im Original), dass eine mit der Wahl zum Deutschen. Bundestag .,vergleichbare Interessenlage (... )auf europaischer Ebene nach den europai- schen Verträgen nicht (besteht)", well.,das Europäische Parlament keine Uni- onsregierung (wählt), die auf seine fortlaufende Unterstatzung angewiesen wä- re• und auch nicht .die Gesetzgebung der Union von einer gleichbleibenden Mehrheit im Europäischen Parlament abhängig (ist), die von einer stabilen Koa- lition bestimmter Fraktionen gebildet wUrde und der eine Opposition gegen- Oberstünde (... )"• .,fehlt es an zwingenden   Gründen~   in die Wahl- und Chan- cengleichheit durch Sperrklauseln einzugreifen, so dass der mit der Anord- nung des Verhältniswahlrechts auf europäischer Ebene verfolgte Gedanke re- präsentativer Demokratie (Art. 10 Abs. 1 EUV) im Europäischen Parlament uneingeschränkt entfaltet werden kann." Schließlich zeigen auch die Ausführungen im Urteil betreffend den Charakter der Europawahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung CS. 37), dass die Stoßrichtung des Urteils gegen jede Art von Sperrklausel ge-- richtet ist. Denn auch dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es nach Auffassung des BVerfG nicht, .,kleineren Parteien mithilfe !ln!!: Sperrklausel den Einzug in das Europäische Parlament zu verwehren. Es sei .,nicht Aufgabe der Wahlge- setzgebung, die Bandbreite des politischen Meinungsspektrums- etwa im Sinne besserer Übersichtlichkeit der Entscheidungsprozesse in den Volksver- tretungen - zu reduzieren". Vielmehr sei "gerade auch auf europäischer Ebene die Offenheit des politischen Prozesses zu wahren•, wozu gehöre, ,.dass klei- " nen Parteien die Chance eingeräumt wird, politische Erfolge zu erzielen" .•Neue politische Vorstellungen werden" -so das BVerfG - ..zum Teil erst Ober soge- nannte Ein-Themen-Parteien ins öffentliche Bewusstsein gerOckt. Es ist gerade Sinn und Zweck der piulamentarisclten Debatte, entsprechende Anregungen politisch zu verarbeiten und diesen Vorgang sichtbar zu machen." Auch wenn mit dem Tenor des Urteils ,.nur". die Sperrklausel in ihrer konkreten Ausgestaltung fOr nichtig erklärt worden ist, richten sich die tragenden Gründe des Urteils gegen die Implementierung von Sperrklauseln im deutschen Euro- pawahlrechtjedweder Art. Dagegen sind Anhaltspunkte irgendwelcher Art, dass eine niedrigere Sperrklausel verfassungsgemäß sein könnte, im Urteil nicht
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I                                            -5- enthalten. Angesichts dessen wäre nach dem Urteil eine 2,5-Prozent- . Sperrklausel verfassungsrechtlich ebenso wenig zu rechtfertigen wie eine ande- re Ausgestaltung der SperrklauseL Eine gesetzliche Regelung, die die EinfOhrung einer 2,5-Sperrklausel vorsähe, würde alsbald wieder Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens werden. Auch wenn derzeit nicht nur von der Politik, sondern auch von Seiten der Wissenschaft Kritik an der Entscheidung geObt wird, ist nicht zu erwarten, dass das BVerfG in seiner derzeitigen Besetzung von seiner Entscheidung ab- ~ichen   wird. Die beiden dissentierenden Richter, Mellinghoff und Di Fabio, sind entweder bereits aus dem Gericht ausgeschieden (Mellinghoff) oder ihre Amtszeit läuft Ende des Jahres 2011 aus (Oi Fabio). Dr. Boehl                                          Franßen-de Ia Cerda
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