Guten Tag
[geschwärzt],
mir ist leider jetzt erst aufgefallen, dass ich – anders als beabsichtigt – Ihnen gar keine Rückmeldung zu Ihrer Anfrage betreffend die Audiofiles der ÖPNV-Durchsagen der Hamburger Hochbahn gegeben habe.
Ich sende Ihnen unten eingefügt mein Schreiben vom 12.12.2022, in dem ich zu den rechtlichen Argumenten der Hochbahn Stellung genommen. Ich habe empfohlen, Sie zu Ihrem Interesse an den Informationen zu befragen und dieses mit dem Interesse der Sprecher:innen abzuwägen. Die Hochbahn hat das abgelehnt und verweist auf Rechtsprechung des VG Berlin (Urt. v. 17.8.2022 – 2 K 114/20). Danach reicht, verkürzt gesagt, ein Privatinteresse nicht aus, um eine Offenlegung personenbezogener Daten über das Berliner IFG zu erreichen, da dies nicht dem Gesetzeszweck entspreche, eine Kontrolle der Verwaltung zu ermöglichen.
Ich habe Zweifel, dass die Rechtsprechung auf Hamburg ohne Weiteres übertragbar ist. Das BerIFG regelt nämlich ausdrücklich, dass ein Informationsrecht ausgeschlossen ist, wenn überwiegend Privatinteressen verfolgt werden (§ 6 Abs. 1 BerlIFG). Eine solche Regelung fehlt im Hamburgischen Transparenzgesetz. Es enthält lediglich eine Regelung zum allgemeinen Gesetzeszweck, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1 HmbTG). Ich würde das Gesetz so verstehen, dass ein Interesse, das im Zusammenhang mit dem Gesetzeszweck steht, in der Interessenabwägung besonderes schwer wiegt, dass aber nicht ausgeschlossen ist, dass auch andere Interessen eine Herausgabe grundsätzlich rechtfertigen können. Ihrer Korrespondenz mit der BVG habe ich entnommen, dass Sie sich eine künstlerische Verwendung vorstellen. Ich kann mir aber vorstellen, dass dann eben die Interessen der Sprecher:innen schwerer wiegen, dass ihre Stimmen nicht in Remixen verwendet werden (womit sie ja bei der Aufnahme möglicherweise nicht rechnen mussten). Anderes wäre das möglicherweise, wenn Sie die Aufnahmen zB für eine Mobileisenbahn im Hobbykeller nutzen würden. Die Erfolgsaussichten Ihres Antrags, wenn Sie ihn weiter verfolgen würden, sind vor diesem Hintergrund kaum vorhersagbar.
Nur der Vollständigkeit halber: Selbst wenn Sie Zugang zu den Audiofiles mit den Durchsagen erhalten würden, dürften Sie sie nur persönlich nutzen. Eine Weiterverbreitung der reinen Audiofiles, damit auch andere sie künstlerisch nutzen können, wäre nicht erlaubt.
Die Hochbahn erhält eine Kopie dieses Schreibens.
Mit freundlichen Grüßen
[geschwärzt]
Sehr geehrt###,
ich beziehe mich auf unser Telefonat vom vergangenen Freitag, in dem wir kurz über die rechtliche Einschätzung des HmbBfDI zu Ihrer transparenzrechtlichen Angelegenheit betreffend die Audiofiles der Hochbahn gesprochen haben.
Wie besprochen erhalten Sie hier eine schriftliche Ausarbeitung dazu.
Nach meiner Einschätzung handelt es sich bei den Audiodateien um amtliche Informationen. Informationen meint gem. § 2 Abs. 1 HmbTG alle Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, mithin auch Tonaufzeichnungen. Amtlich sind diese, wenn ihre Aufzeichnung amtlichen Zwecken dient (Drs. 20/4466, S. 13; BVerwG, Urt. v. 28.10.2021 – 10 C 3.20, NVwZ 2022, 326 f.). Die in Rede stehenden Audiodateien wurden für den Einsatz im öffentlichen Nahverkehr produziert, sollen also ersichtlich eine amtliche Aufgabe erfüllen.
Es ist nicht ganz klar, welchen Ausnahmetatbestand die Hochbahn mit Persönlichkeitsrechten meint.
Ich habe Zweifel, dass die Hochbahn sich hier mit Erfolg auf einen entgegenstehenden Schutz geistigen Eigentums (§ 8 Abs. 1 HmbTG) berufen kann. Für ein Urheberrecht (das Ausfluss des Persönlichkeitsrechts ist) dürfte den Aufnahmen die erforderlichen Schöpfungshöhe fehlen. Allerdings dürfte an den Audiodateien ein Leistungsschutzrecht gem. § 85 UrhG bestehen. Nach § 85 UrhG steht es dem Hersteller des Tonträgers zu, kann aber übertragen werden. Wenn die Hochbahn nicht ohnehin selbst Herstellerin der Tonträger und damit Inhaberin des Leistungsschutzrechts ist, muss sie sich ein Nutzungsrecht einräumen lassen, um die Aufnahmen in ihren Bussen und Bahnen abspielen zu dürfen.
Falls die Hamburger Hochbahn selbst das Leistungsschutzrecht innehat, könnte sie sich wohl nicht darauf berufen, um die Informationspflicht abzuwenden (vgl. BVerwG, NVwZ 2015, 1603, 1607 m.w.N.; dazu auch Maatsch/Schnabel, HmbTG, 2. Aufl., § 8 Rn. 27).
Wenn die Hamburger Hochbahn sich die vollumfänglichen Verwertungsrechte inklusive der Verbreitung von einem Dritten hat einräumen lassen, spricht vieles dafür, dass ihr damit auch die Weitergabe dieser Aufnahmen zur Erfüllung von Informationsansprüchen gestattet ist. Eine Übertragung des Leistungsschutzrechtes kann in solchen Fällen konkludent stattgefunden haben (Maatsch/Schnabel, HmbTG, 2. Aufl., § 8 Rn. 33 m.w.N.), auch wenn der Vertrag keine ausdrückliche Regelung dazu enthält. Ob dies vorliegend der Fall war, wäre ggf. im Wege der Auslegung zu klären. Dabei wäre insbesondere gem. §§ 85 Abs. 2 Satz 3, 31 Abs. 5 S. 1 UrhG der Vertragszweck zu berücksichtigen (Maatsch/Schnabel, HmbTG, 2. Aufl., § 8 Rn. 33 m.w.N.). Hier hat sich die Hamburger Hochbahn als informationspflichtige Stelle die Nutzungsrechte an Tonträgern zur Verwendung für amtliche Zwecke einräumen lassen. Dies würde für eine Auslegung dahingehend sprechen, dass die Hochbahn sich ersichtlich auch das Recht zur Veröffentlichung einräumen lassen wollte, um ihre eigenen Pflichten nach dem HmbTG erfüllen zu können.
Dass den einzelnen Sprecher:innen ein Leistungsschutzrecht zusteht, das einer Herausgabe der Daten entgegengehalten werden kann, ist nach alledem eher fernliegend. Hierzu müsste die Hochbahn – wenn sie sich hierauf denn berufen möchte – die urheberrechtliche Situation aber noch genauer darlegen.
Sofern mit entgegenstehenden Persönlichkeitsrechten der Schutz personenbezogener Daten der Sprecher:innen (§ 4 Abs. 3 HmbTG) gemeint ist, greift dieser jedenfalls dann nicht ein, wenn es sich um computergenerierte Ansagen handelt.
Bei solchen, die von „echten“ Sprecher:innen aufgenommen worden sind, handelt es sich um einen Grenzfall. Personenbeziehbar i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind Daten, die die Identifizierung einer natürlichen Person wenigstens ermöglichen. Um festzustellen, ob eine natürliche Person identifizierbar ist, sollen alle Mittel berücksichtigt werden, die von dem Verantwortlichen oder einer anderen Person nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden, um die natürliche Person direkt oder indirekt zu identifizieren (Schmid, in: BeckOK Datenschutzrecht, 41. Ed., Art. 4 Rn. 15). Der Klang einer Stimme ist grundsätzlich ein Merkmal, das eine Person identifizieren kann, insbesondere wenn es sich um prominente Sprecher:innen handelt. In dem Fall ist der dadurch Informationsgehalt zwar gering. Inhaltlich enthalten die Audiofiles keine Information „über“ die Person. Wenn man die Stimme einer Person zuordnen kann, ist die Tatsache, dass diese Person eine bestimmte Stimmfarbe, Betonung, Dialekt o.ä. hat, offensichtlich bereits bekannt. Andererseits gibt es aber keine Bagatellgrenze. Zum Beispiel hat der EuGH angedeutet, dass auch die Gestaltung der Handschrift als eine personenbeziehbare Information angesehen werden könnte, ohne dass es in dem entschiedenen Fall aber darauf ankam (Urt. v. 20.12.2017 - C 434/16).
Wenn man hier personenbezogene Daten annimmt, schließt dieser Umstand allein eine Herausgabe der Audiodateien nach dem HmbTG nicht zwingend aus. Gem. § 4 Abs. 3 HmbTG ist auf Antrag Zugang zu personenbezogenen Daten zu gewähren, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der Information besteht und überwiegende schutzwürdige Belange nicht entgegenstehen.
Zu einem schutzwürdigen Interesse an den Aufnahmen hat der Antragsteller bislang nichts vorgetragen. Ich würde Ihnen empfehlen, dies zu erfragen. Im nächsten Schritt ist dieses Interesse abzuwägen gegen das Interesse der Sprecher:innen, dass die Information zurückgehalten wird. In der Abwägung wird dann die Überlegung (erneut) eine Rolle spielen, dass der Informationsgehalt „über“ die Sprecher:innen gering ist.
Kommen Sie gern auf mich zu, wenn Sie hierzu weitere Fragen haben.
Mit freundlichen Grüßen“
[geschwärzt]
Referat JI – Justiziariat, Inneres und Informationsfreiheit
Referentin, J3
Freie und Hansestadt Hamburg
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