Sehr
geehrtAntragsteller/in
Sie haben sich am 12.6.2018 über FragdenStaat.de an den Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gewandt. Sie haben bei dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) einen Antrag auf Zugang zu einer Auswertung/Statistik gestellt, aus der hervorgeht, welche Verkehrsunternehmen/ Linie für welche Zahl an Garantiefällen im Rahmen der HVV-Garantie verantwortlich ist. Der HVV hat Ihren Antrag auf Informationszugang mit der Begründung abgelehnt, dass er nur insoweit dem Anwendungsbereich des Hamburgischen Transparenzgesetzes (HmbTG) unterliege, wie er öffentliche Aufgaben, insbesondere solche der Daseinsvorsorge wahrnehme oder öffentliche Dienstleistungen erbringe. Bei der HVV-Garantie handele es sich jedoch um eine freiwillige Leistung der Verkehrsunternehmen im HVV. Nach Art und Umfang ginge diese Leistung deutlich über die Rechte hinaus, die die Verkehrsunternehmen ihren Fährgästen nach den gesetzlichen Fahrgastrechten gewähren müssten. Es handele sich folglich um eine freiwillige Zusatzleistung außerhalb des Bereichs der Daseinsvorsorge.
Ich habe den Vorgang überprüft und bin zu dem Ergebnis gelangt, dass ich die Argumentation des HVV nicht für überzeugend halte.
Für einen Anspruch auf Informationszugang müsste es sich beim HVV um eine auskunftspflichtige Stelle handeln. Nach § 2 Abs. 5 Satz 2 HmbTG gelten als auskunftspflichtige Stellen unter Maßgabe des § 2 Abs. 3 HS. 2 HmbTG auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts. Die HVV GmbH als juristische Person des Privatrechts ist danach auskunftspflichtig, soweit sie öffentliche Aufgaben, insbesondere solche der Daseinsvorsorge, wahrnimmt oder öffentliche Dienstleistungen erbringt und dabei der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) oder einer unter ihrer Aufsicht stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegt.
Beim HVV handelt es sich um einen Zusammenschluss von Bundesländern und Kreisen, die als Aufgabenträger zur Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs verpflichtet sind. Dabei übernimmt der HVV laut seiner Unternehmensbroschüre (
http://www.hvv.de/pdf/publikationen/hvv…, S. 6) das Management des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Er übernimmt die Qualitätssteuerung der erbrachten Leistungen und organisiert den Wettbewerb unter den Verkehrsanbietern (
http://www.hvv.de/pdf/publikationen/hvv…, S. 4). Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem die Angebotsplanung, Umsetzung des Gemeinschaftstarifs, der bargeldlose Zahlungsverkehr, Teilaufgaben der Werbung, das Marketing, Fahrplan-, Info und Tarifdrucksachen, gesetzliche Ausgleichszahlungen und das Abonnement (
http://www.hvv.de/pdf/publikationen/hvv…, S. 11). Die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf der Verkehrsunternehmen fließen beim HVV zusammen und werden nach einen bestimmten Aufteilungsverfahren auf die Verkehrsunternehmen nachfragegerecht verteilt (
http://www.hvv.de/pdf/publikationen/hvv…, S. 12). Der HVV ist also gleichsam auf der "Regieebene" tätig, während die Verbundverkehrsunternehmen für die Durchführung des Nahverkehrs als solchen zuständig sind (
http://www.hvv.de/pdf/publikationen/hvv…, S. 8). Im Rahmen dieser Aufgabe bietet der HVV die sog. HVV-Garantie an. Diese geht über die gesetzlich geregelten Fahrgastrechte hinaus und stellt eine freiwillige Leistung des HVV in Fällen dar, in denen Fahrgäste bei einer Verspätung von über 20 Minuten die Hälfte des Fahrpreises erstattet bekommen.
Die Anteile am HVV liegen zu 85,5 % bei der Freien und Hansestadt Hamburg, sodass die FHH unmittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals der HVV GmbH besitzt und damit eine Kontrolle im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 1a) HmbTG vorliegt.
Fraglich ist, ob der HVV im Rahmen der HVV-Garantie eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt. § 2 Abs. 3 HS. 2 HmbTG lässt sich entnehmen, dass unter öffentlichen Aufgaben im Sinne des HmbTG insbesondere solche der Daseinsvorsorge zu verstehen sind. § 2 Abs. 10 HmbTG enthält eine Legaldefinition für Verträge der Daseinsvorsorge, der sich entnehmen lässt, was unter dem Begriff der Daseinsvorsorge im Sinne des HmbTG zu verstehen ist. Danach sind Verträge der Daseinsvorsorge insbesondere solche, die Leistungen der Daseinsvorsorge zum Gegenstand haben, § 2 Abs. 10 Satz 1 HmbTG. Nach § 2 Abs. 10 Satz 2 HmbTG sollen insbesondere Verträge erfasst sein, soweit sie das Verkehrs- und Beförderungswesen, insbesondere den öffentlichen Personennahverkehr zum Gegenstand haben.
Einer Auskunftspflicht des HVV könnte danach entgegenstehen, dass er selbst nicht die Verkehrsleistung als solches erbringt. Vielmehr wird diese von dem jeweiligen Verkehrsunternehmen erbracht. Da das die HVV-Garantie auslösende Moment der Verspätung in unmittelbaren Zusammenhang mit der Verkehrsleistung des jeweiligen Verkehrsunternehmens steht, ließe sich argumentieren, dass die von Ihnen begehrte Information nicht die Aufgabenwahrnehmung durch den HVV betrifft, da dieser lediglich die Koordination der Verkehrsleistungen wahrnimmt. Da die HVV-Garantie im Wesentlichen auf einer freiwilligen Übernahme beruht, ließe sich ebenso - wie vom HVV vorgetragen - argumentieren, dass es sich um eine Zusatzleistung zu einer Leistung der Daseinsvorsorge handelte. Da eine juristische Person des Privatrechts jedoch nur vom Anwendungsbereich des HmbTG erfasst wird, soweit sie öffentliche Aufgaben, insbesondere solche der Daseinsvorsorge wahrnimmt, ließe sich an der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe zweifeln.
Eine solche Argumentation halte ich jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht für überzeugend. Der HVV übernimmt in seinem Verbund die Koordination des ÖPNV. Er stimmt die Angebote der Verkehrsunternehmen aufeinander ab. Zu seinen Aufgaben zählen auch die Abonnements und gesetzliche Ausgleichszahlungen. Die Einnahmen aus den Verkehrsleistungen fließen beim HVV zusammen und werden vom HVV nachfragegerecht auf die einzelnen Unternehmen verteilt. Auch insofern handelt es sich um Aufgaben der Daseinsvorsorge, die das Verkehrs- und Beförderungswesen, insbesondere den ÖPNV betreffen und gebunden für die Verbundunternehmen durch den HVV wahrgenommen werden. Die HVV-Garantie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Leistungen. Ebenso steht die HVV-Garantie in unmittelbarem Zusammenhang mit den Einnahmen des HVV durch Verkehrsleistungen und der Verspätung der Verkehrsleistungen. Die von Ihnen begehrten Informationen fallen unmittelbar bei der Erfüllung der Aufgaben durch den HVV an und haben auch Auswirkungen darauf, welche Gewinne aus Fahrkartenerlösen an den HVV fließen und von diesem verteilt werden. Es handelt sich bei der HVV-Garantie insofern um eine unterstützende Tätigkeit zu dem Angebot und der Wahrnehmung der Verkehrsleistung als solches.
Ob und wie Informationen, die derartige unterstützende Tätigkeiten betreffen, einer Auskunftspflicht unterliegen, wurde gerichtlich noch nicht entschieden. Da unterstützende Tätigkeiten jedoch "immer auch einen Bezug zu den Aufgaben, die der Informationspflicht unterliegen" (Maatsch/Schnabel, HmbTG, 2015, § 2, Rn. 34) haben, dürften sie immer dann einer Informationspflicht unterliegen, wenn sie sich nicht eindeutig von den Aufgaben trennen lassen, die einer Informationspflicht unterliegen (vgl. Maatsch/Schnabel, HmbTG, 2018, § 2, Rn. 34). Anderenfalls könnte sich die informationspflichtige Stelle ihrer Informationspflicht durch Vermengung ihrer Aufgabenbereiche entziehen. Dies dürfte bei den von Ihnen begehrten Informationen jedoch der Fall sein. Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass die Ausweitung der Auskunftspflicht auf juristische Personen des Privatrechts nur vor dem Hintergrund der fortschreitenden Privatisierung öffentlicher Aufgaben gesehen werden kann und die von Ihnen begehrten Informationen Aufschluss darüber geben, ob diese Aufgabe durch den HVV in bedarfsgerechter, effizienter und wirtschaftlicher Weise wahrgenommen wird. Auch lässt sich dem Gesetzeswortlaut nichts für eine einschränkende Auslegung entnehmen. Vielmehr enthält § 2 Abs. 10 HmbTG nach der Gesetzesbegründung eine abschließende Aufzählung derjenigen Aufgaben, die dem Bereich der Daseinsvorsorge im Sinne des HmbTG unterfallen (Bü-Drs. 20/4466, S. 14). § 2 Abs. 10 Satz 1 HmbTG benennt jedoch das Verkehrs- und Beförderungswesen im Allgemeinen als eine Aufgabe der Daseinsvorsorge und beschränkt sich insofern nicht auf die Verkehrsleistung als solches. Dem Gesetzestext lässt sich nichts dazu entnehmen, dass freiwillige Zusatzleistungen hiervon nicht erfasst sein sollten.
Ich habe im Ergebnis daher jedenfalls Zweifel daran, dass die von Ihnen begehrten Informationen keiner Auskunftspflicht unterliegen. Wie bereits dargestellt, wurde diese Frage jedoch gerichtlich noch nicht entschieden. Nach unserer Auffassung sprechen allerdings gewichtige Gründe für eine Auskunftspflicht. Um diese Frage verbindlich zu klären, haben Sie die Möglichkeit Widerspruch und gegebenenfalls Klage gegen die Ablehnung Ihres Antrags einzulegen.
Der HVV erhält eine Kopie dieser Nachricht.
Mit freundlichen Grüßen