Sehr geehrte Frau Wilhelm,
zu Ihrer Anfrage nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz vom 16. April 2021 ergeht folgende Entscheidung:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei.
Dies hat folgende Gründe:
Zu 1.:
Der Zugang zu amtlichen Informationen richtet sich in Baden-Württemberg nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG). Antragsberechtigte haben nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den informationspflichtigen Stellen einen Anspruch auf Zugang zu dort vorhandenen amtlichen Informationen, soweit diese dem Anwendungsbereich gemäß § 2 LIFG unterliegen und dem Informationszugang keine Ausschlussgründe nach §§ 4, 5, 6 oder § 9 Absatz 3 LIFG entgegenstehen.
Mit Ihrem Antrag begehren Sie die Zusendung von Unterlagen, die die zitierten Aussagen von Herrn Minister Thomas Strobl auf der Bundespressekonferenz am 15.04.2021 belegen.
Dem können wir aus mehrerlei Gründen leider nicht entsprechen:
Bereits der Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes nach § 2 Absatz 1 LIFG ist nicht eröffnet.
Die dort genannten Stellen sind nur informationspflichtig, soweit sie „öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben“ wahrnehmen. Voraussetzung ist also, dass die Tätigkeit sich als Wahrnehmung einer im öffentlichen Recht wurzelnden Verwaltungsaufgabe darstellt. Handelt es sich um eine Tätigkeit, die dem Bereich des Regierungshandelns zuzurechnen ist, also um eine Tätigkeit politischer Art, ist diese nach dem Willen des Gesetzgebers vom Anwendungsbereich des LIFG ausgenommen (vgl. LT-Drs. 15/7720, S. 59; Debus Informationszugangsrecht Baden-Württemberg § 2 LIFG, Rdnr. 20).
Herr Minister Thomas Strobl trat im Rahmen der Bundespressekonferenz in seiner Eigenschaft als Innenminister von Baden-Württemberg und Vorsitzender der Innenministerkonferenz auf. Die dort getätigten Aussagen sind originär politischer Natur und somit der Regierungstätigkeit zuzurechnen.
Darüber hinaus bestehen hinsichtlich der einzelnen Fragen folgende, weitere Gründe, die einen Zugang zu den darin begehrten Informationen ausschließen:
- Herr Strobl sprach von „Corona-Leugnern“. Was ist darunter zu verstehen und woher kommt die Erkenntnis, dass bei Demonstrationen von Maßnahmenkritikern vorwiegend sogenannte „Corona-Leugner“ auftreten?
Soweit Themen des Verfassungsschutzes betroffen sind, ist der Anwendungsbereich des LIFG aufgrund der Bereichsausnahme des § 2 Absatz 3 Nr. 1 LIFG nicht eröffnet.
Zudem ist eine Herausgabe der begehrten Informationen aufgrund § 4 Absatz 1 Nr. 2 bzw. § 4 Absatz 2 LIFG abzulehnen.
Der Beurteilung von Demonstrationen liegen umfassende Lagebilder der Sicherheitsbehörden zugrunde, welche sich aus einer Vielzahl von Informationen im Vorfeld zusammensetzen. Zum einen wäre es durch die Herausgabe möglich, Rückschlüsse auf das Vorgehen der Sicherheitsbehörden zu ziehen. Polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit weiteren Demonstrationen könnten so ihre Wirkung verlieren, wodurch die öffentliche Sicherheit gemäß § 4 Absatz 1 Nr. 2 LIFG gefährdet wäre. Zudem sind diese Informationen zum großen Teil als „VS-NfD“ eingestuft. Gemäß § 4 Absatz 2 LIFG bleiben die durch Rechtsvorschriften und die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten vom LIFG unberührt. Der Anspruch nach dem LIFG umfasst nicht Informationen ab der Einstufung „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“.
- Herr Strobl sprach weiterhin von der Bedrohung von Amtsträgern und Politikern durch Kritiker der Corona-Maßnahmen. Bitte senden Sie mir Belege für tatsächlich stattgefundene Bedrohungen.
Hier liegen dem Landespolizeipräsidium Meldungen über verschiedene Fälle vor. In diesen Fällen laufen strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Hierbei handelt es sich um den Bereich der Strafverfolgung, der nach § 2 Absatz 2 Nr. 3 LIFG nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterliegt. Zudem ist im Falle laufender Ermittlungsverfahren zusätzlich der Ausschlussgrund des § 4 Absatz 1 Nr. 5 LIFG einschlägig.
- Weiterhin sprach Herr Strobl davon, Demonstranten hätten „Grundrechte mit den Füßen getreten“. Um welche Grundrechte handelt es sich hierbei?
Hier wird keine amtliche Information begehrt, sondern nach der persönlichen Auffassung des Herrn Ministers gefragt. Auf die Mitteilung einer (Rechts-)Auffassung besteht nach dem LIFG jedoch kein Anspruch.
- Als nächstes spricht Herr Strobl von einer Radikalisierung durch soziale Medien. Welche Belege gibt es hierzu im Zusammenhang mit Kritikern der Coronamaßnahmen im Allgemeinen und der Querdenker-Bewegung im Besonderen?
Auch hier ist der Anwendungsbereich des LIFG wegen der betroffenen Themen des Verfassungsschutzes aufgrund der Bereichsausnahme des § 2 Absatz 3 Nr. 1 LIFG nicht eröffnet.
- Als letztes bitte ich um Unterlagen, die belegen, dass bei Demonstrationsteilnehmern oder im direkten Umfeld von Demonstrationen ein Anstieg der Infektions- oder gar Krankenzahlen erfolgte.
Solche Unterlagen sind beim Innenministerium nicht vorhanden. Eine Informationsbeschaffungspflicht wird durch das LIFG nicht begründet (vgl. LReg LT-Drs. 15/7720, S. 63).
Im Übrigen wird gemäß § 9 Absatz 2 LIFG mitgeteilt, dass der gewünschte Informationszugang aufgrund der obenstehend genannten Gründe auch zu einem späteren Zeitpunkt weder ganz noch teilweise möglich sein wird.
Zu 2.:
Auf die Erhebung einer Gebühr wird im Falle einer ablehnenden Entscheidung nach Sinn und Zweck des LIFG verzichtet, vgl. § 10 Absatz 3 Satz 2 LIFG.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen