Antragsteller/in Antragsteller/in
Harmsenstraße 23
22763 Hamburg
An
Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg
Neuenfelder Str. 19
21109 Hamburg
07.12.2015
Betr.: Widerspruch gegen Bescheid von 9.11.2015
Bodenwertgutachten 1. Bauabschnitt Mitte Altona
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich förmlich und fristgerecht Widerspruch gegen Ihren ablehnenden Bescheid vom 9.11.2015 ein.
Die von Ihnen genannten Gründe, die gegen die Herausgabe der angefragten Bodenwertgutachten zur Mitte Altona aus dem Jahre 2012 sprechen, sind für mich nicht überzeugend.
Durch Ihren ablehnenden Bescheid verhindern Sie die Einsichtnahme und damit die Überprüfung der Gutachten. Ihr Verhalten konterkariert meines Erachtens die Ziele des Hamburgischen Transparenzgesetzes, welche in § 1 des Gesetzes wie folgt formuliert sind:
"...um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen."
Ich hoffe, dass ich Sie mit meiner nachfolgenden Erläuterung zu einem Umdenken in dieser Sache bewegen kann und würde dies sehr begrüßen.
Der Mut zur Transparenz stärkt mit Sicherheit das Vertrauen der Bürger in ein unabhängiges, gemeinwohlorientiertes staatliches Handeln.
1) Ein erhebliches öffentliches Interesse ist deutlich sichtbar und kann quantifiziert werden
Die beantragten Bodenwertgutachten zur Mitte Altona bilden die Grundlage für die bisherige Berechnung von "Ausgleichsbeträgen", die von den Grundeigentümern zum Ausgleich der Bodenwertsteigerungen an die Stadt Hamburg zu zahlen sind.
§ 154 (1) BauGB (Baugesetzbuch) in Verbindung mit § 169 (1) Nr. 7 BauGB:
"Der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet [Anmerkung: nach §169 BauGB gilt diese Regelung auch für Städtebauliche Entwicklungsgebiete] gelegenen Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht."
Die in den Jahren 2010 und 2012 erstellten Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte, die im Auftrag der Stadt Hamburg für die Mitte Altona erstellt wurden und die die Grundlage für die Ermittlung der Ausgleichsbeträge darstellen, kommen zu auffällig unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bewertung des "Anfangswertes" der Grundstücke.
Aus bisher nicht erklärbaren Unterschieden bei der Anfangs-Bewertung der gleichen Grundstücke innerhalb des Plangebietes Mitte Altona
• im Gutachten 2010: 33,2 Mio. € (vgl. Handout der BSU vom 25.10.2011)
• im Vergleich zum Gutachten 2012: 58,9 Mio. € (vgl. Anlage 12 des städtebaulichen Vertrages gemäß Einigung Staatsräte Eigentümer am 21.5.2013)
ergibt sich aus meiner Sicht für die Stadt Hamburg ein möglicher Einnahmeverlust von 25,7 Mio. €, der nur durch die Analyse der Gutachten entweder ausgeräumt oder erhärtet werden kann.
Die "Kontrolle des staatlichen Handelns" (§ 1 (1) HmbTG) ist somit Ziel meines Auskunftsersuchens. Die Höhe der möglichen Einnahmeverluste für die Stadt Hamburg - und sei es nur durch einen eventuellen "Rechenfehler" der Gutachter - stellen mit über 25 Mio. € ein "erhebliches öffentliches Interesse" dar.
2) Schützenswerte private Interessen sind bislang weder eindeutig erläutert noch spezifiziert
In Ihrem Schreiben berufen Sie sich auf Art. 12 und Art. 14 des Grundgesetzes. Sie formulieren:
"Die in den Bodenwertgutachten enthaltenen Informationen haben eine große Bedeutung für die Grundstückseigentümer. Beide Geheimnisträger sind in ihren Grundrechten aus Art. 12 und 14 GG betroffen."
Es fehlt sodann jedoch jede weitere Erläuterung Ihrerseits, welcher konkrete Aspekt innerhalb dieser Grundrechte und, wenn dies der Fall ist, in welcher Intensität der für Sie bedeutsame Aspekt des Grundrechtes angeblich durch eine Veröffentlichung der Gutachten verletzt werden würde.
So ist beispielsweise in Art. 14 (2) GG verankert:
"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
Es stellt sich mir die Frage, ob aus Ihrer Sicht Art. 14 (2) des Grundgesetzes durch eine mögliche Herausgabe der Gutachten nun verletzt wird oder nicht ? Spricht möglicherweise nicht umgekehrt gerade dieses Grundrecht für eine Herausgabe?
Die Frage der Grundrechte, die von Ihnen in Ihrem Bescheid als Begründung angeführt wird, ist leider aus meiner Sicht mit so wenig Substanz gefüllt, dass sich weder Ihre Position zu den Grundrechten der Art. 12 und 14 GG noch Ihre Begründungskette, die Sie aus diesen Grundrechten ableiten wollen, erkennbar wird.
Meines Erachtens unterstützt Art. 14 (2) GG mein Ersuchen auf eine Herausgabe der Gutachten, da meine Anfrage dem Allgemeinwohl dient. Gleichzeitig wird durch meine Anfrage das Recht auf Eigentum und Vererbung des Eigentums nach Art. 14 (1) GG
"Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet."
nicht berührt oder eingeschränkt.
Es droht den Grundeigentümern in der Mitte Altona keine Enteignung, keine Beschränkung ihrer Verfügungsgewalt und auch keine Einschränkung ihres Erbrechtes.
Sie formulieren zudem:
"Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn das Bekanntwerden einer Tatsache geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Konkurrenten zu fördern oder die Stellung des eigenen Betriebs im Wettbewerb zu schmälern oder wenn es geeignet ist, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen."
Auch hier fehlt eine weitergehende Erläuterung, woraus den Grundeigentümern nun tatsächlich ein wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte.
Die Nachfrage nach Wohnraum ist im Bereich Mitte Altona eindeutig hoch. Es haben sich beispielsweise viel mehr Baugemeinschaften um Grundstücke beworben als Interessenten bislang berücksichtigt werden konnten. Einer Veräußerung der Grundstücke - falls dies das Interesse der Grundeigentümer ist - steht somit faktisch nichts entgegen.
Sollten die Grundeigentümer jedoch die Grundstücke behalten wollen, so ist auch hier kein wirtschaftlicher Schaden erkennbar. Eventuelle Mieter der Wohnungen werden den Mietpreis ihrer Wohnung mit anderen Standorten vergleichen und danach eine Entscheidung treffen. Welchen Wert der Gutachterausschuss für das Grundstück in 2012 (ohne Bebauung) angenommen hat, spielt bei der Vermietung des zukünftigen Wohnraums (ab voraussichtlich 2018) für die Mietinteressenten keinerlei Rolle.
Ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden ist auch deshalb für die Grundeigentümer der nördlichen Flächen in Mitte Altona nicht wahrscheinlich, da für die südlichen Flächen im Gebiet Mitte Altona die Bodenwertgutachten aus 2012 mittlerweile veröffentlicht wurden, ohne dass ein wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist.
Dass nun zwischen den nördlichen und südlichen Grundstücken bei der Grundstückswertermittlung erhebliche Unterschiede bestehen, wurde von Ihnen in Ihrem Bescheid nicht behauptet. Somit scheidet auch dieser Punkt als mögliche Begründung für eine Verweigerung der Herausgabe der Gutachten aus.
Schließlich ist sogar denkbar, dass ein sehr günstiger Einstandspreis (Anfangswert) der Grundstücke innerhalb der Immobilienbranche als "besonders erfolgreiche Leistung der Projektentwickler" bewertet wird, so dass die Anerkennung der jeweiligen Unternehmen und Grundeigentümer in Ihrem Tätigkeitsfeld zunimmt, d.h. sogar das Gegenteil eines wirtschaftlichen PR-Schadens könnte eintreten: ein Zuwachs an Wertschätzung der Konkurrenz über eine strategisch/politisch klug umgesetzte Projektentwicklung.
Insofern besteht die Gefahr nicht,
die Wettbewerbsposition eines Konkurrenten zu fördern oder die Stellung des eigenen Betriebs im Wettbewerb zu schmälern".
Im Gegenteil, die betreffenden Unternehmen würden in Ihrem Wirtschaftssegment der Projektentwicklung bei ihren Konkurrenten wohl eher zusätzliche Anerkennung und Bewunderung ernten können.
Sie weisen auf die Bedeutung hin der "Natur einer vorbeugenden Regelung, die nicht erst rückblickend die tatsächlichen Auswirkungen eines Handelns bewerten, sondern aufgrund einer prognostischen Einschätzung den Eintritt der Beeinträchtigung verhindern will. "
Eine "prognostische" Einschätzung des Eintritts einer Beeinträchtigung wurde von Ihnen jedoch bislang nicht geliefert. Es wurden dagegen nur Befürchtungen ohne Wahrscheinlichkeiten und zudem ohne Hinweise auf eine prognostizierte Schadenshöhe von Ihnen pauschal in den Raum gestellt.
Eine zumindest theoretisch nachvollziehbare logische Ableitung eines möglichen Schadens wurde bislang von Ihnen nicht geliefert. Ihrer These eines schutzbedürftigen oder schützenswerten privaten Interesses fehlt es somit an einem konkretem Nachweis und an faktischer Überzeugungskraft.
Sie selbst schreiben:
"Andererseits darf diese Möglichkeit nicht nur eine theoretische sein, so dass eher fern liegende Befürchtungen ausscheiden."
Da sämtliche naheliegende Befürchtungen, wie "Nicht-Verkaufbarkeit", "Nicht-Vermietbarkeit" oder "Image-Schaden" - wie oben dargelegt - ausscheiden, ist aus meiner Sicht kein wesentlicher wirtschaftlicher Schaden vorstellbar, zumindest nicht einer, der das öffentliche Interesse, wie in Punkt 1 dargestellt, überwiegen könnte.
3) Das öffentliche Interesse überwiegt eindeutig
Sie schreiben richtiger Weise:
"Das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit ist auf darauf gerichtet, dass die Entwicklungsmaßnahme als solche nicht zum Nachteil der öffentlichen Hand durchgeführt wird."
Hier kann ich Ihnen zustimmen.
Ich hoffe, es ist durch dieses Schreiben erkennbar und nachvollziehbar geworden, dass ein möglicher Schaden von über 25 Mio. € zum Nachteil der öffentlichen Hand einem offenbar bislang nicht näher quantifziertem, eher vage formulierten privaten Interesse gegenüber steht. Das öffentliche Interesse dürfte demnach eindeutig überwiegen.
Eine Herausgabe des Gutachtens erscheint vor diesem Hintergrund logisch und auch nach Abwägung der privaten Belange der Grundeigentümer für vertretbar. Die Herausgabe dient darüber dem Zweck " eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen" und - falls erforderlich - aus eventuell feststellbaren Fehler Konsequenzen zu ziehen.
Ich bitte deshalb erneut um die Veröffentlichung des Gutachtens auf Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses bis spätestens zum 20.12.2015.
Mit freundlichen Grüßen
Antragsteller/in Antragsteller/in
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Somit ist die Aufforderung den Widerspruch schriftlich an die zuständige Stelle zu schicken gerechtfertigt.
Durch das Widerspruchverfahren können weitere Kosten entstehen.