Sehr
geehrteAntragsteller/in
Herzlichen Dank für Ihre rasche Antwort. Sie haben in dieser unter Bezugnahme auf ein Urteil des VG Koblenz 08.01.2020 (Az. 2 K 490/19.KO) eine Anwendung des Hamburgischen Transparenzgesetz (HmbTG) mit der Begründung ablehnt, dass das OWiG i.V.m. StPO das HmbTG als Spezialgesetz verdränge. Aus diesem Grund gelten Ihrer Auffassung nach auch die Fristen des HmbTG nicht.
Anders als Sie meinen steht mir jedoch grundsätzlich ein Auskunftsanspruch nach dem HmbTG zu. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass StPO und OWiG keine abschließenden Regelungen darstellen, die einen Auskunftsanspruch nach dem HmbTG grundsätzlich ausschließen. Dies ergibt sich sowohl aus den unterschiedlichen Schutzzwecken der Auskunftsregelungen nach der StPO und dem HmbTG, als auch aus der Systematik des HmbTG selbst.
So eröffnet bereits § 9 Abs. 1 HmbTG - anders als die entsprechende bundesgesetzliche Regelung - eine Prüfmöglichkeit ("Soweit"), inwieweit Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen abschließend sind. Den Informationszugangsregelungen nach OWiG/StPO kann nach rechtskräftigem Abschluss eines Bußgeldverfahrens eine solche abschließende Wirkung nicht mehr zukommen. Dies ergibt sich u.a. aus dem Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 HmbTG wonach keine Informationspflicht für Gerichte, Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden besteht, "soweit sie als Organe der Rechtspflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tätig geworden sind" bzw. für Disziplinarbehörden und Vergabekammern sowie für die für Justiz zuständige Behörde, "soweit sie als Fachaufsichtsbehörde über die Staatsanwaltschaft oder in Gnadenangelegenheiten tätig wird". Dieser Ausschlusstatbestand setzt zwangsläufig voraus, dass das HmbTG nicht nach § 9 Abs. 1 HmbTG von Informationsrechten bezüglich Ordnungswidrigkeiten vollständig gesperrt sein kann, sondern insbesondere nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens eigenständige Geltung entfalten können muss. Auch die von Ihnen zitierte Gerichtsentscheidung des VG Koblenz kann zu keiner anderen Bewertung führen. So bezieht sich mein Antrag, anders als im vom VG Koblenz entschiedenen Fall, nicht auf die Akten der Strafverfolgungsbehörden, sondern auf die Akten der Bußgeldstelle als Ausgangsbehörde. Hinzu kommt, dass die Bußgeldstelle des HmbBfDI - anders als Sie meinen - nicht als Verfolgungsbehörde der Rechtspflege im Sinne des § 5 Nr. 1 HmbTG anzusehen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der Rechtsgrundlage für das Verwaltungshandeln, der DSGVO. So statuiert Art. 58 Abs. 2 lit. i DSGVO die Möglichkeit Geldbußen zu verhängen als eine Abhilfemaßnahme der Verwaltungsbehörde, die anstelle oder zusätzlich zu weiteren Abhilfemaßnahmen verhängt werden kann. Emägungsgrund 150 erläutert zudem, dass es sich bei den Geldbußen um Verwaltungssanktionen handelt. „Um die verwaltungsrechtlichen Sanktionen bei Verstößen gegen diese Verordnung zu vereinheitlichen und ihnen mehr Wirkung zu verleihen, sollte jede Aufsichtsbehörde, befugt sein, Geldbußen zu verhängen.“ Bei den Bußgeldregelungen des Art. 83 DSGVO handelt es sich folglich um bloße Verwaltungssanktionen, die letztlich Ausdruck des europäischen Effektivitätsgrundsatzes sind (Popp, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 83 Rn 2; Ehmann in: Gola/Heckmann, BDSG, 13. Auflage 2019, §41 Rn. 5) und die von kriminalstrafrechtlichen Ahndungen unterschieden werden müssen. In nahezu allen anderen europäischen Mitgliedsstaaten werden die Geldbußen nach Art. 83 DSGVO deshalb auch im Verwaltungsverfahren vollzogen. Die Einbettung in das Ordnungswidrigkeiten- bzw. das Strafverfahrensrecht ist ein deutscher Sonderweg. Die nationalstaatliche Differenzierung in unterschiedliche Verfahrensarten‚ nämlich in Verwaltungsverfahren und in Ordnungswidrigkeitenverfahren‚ kann jedoch nicht den eigentlichen Charakter der behördlichen Entscheidung determinieren. Hinzu kommt, dass die Bußgeldbescheide des HmbBfDI auch faktisch die Wirkung eines Verwaltungsaktes entfalten. So werden Bußgeldverfahren durch Bußgeldstelle des HmbBfDI - wie wohl auch im vorliegenden Fall - zumindest auch zur Beseitigung eines noch fortdauernden rechtswidrigen Zustandes und damit zur Gefahrenabwehr durchgeführt und nicht zur (bloßen) Ahndung. Bei dem gegenständlichen Bußgeldbescheid des HmbBfDI vom 25.06.2020 handelt es sich deshalb um die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde. Dies hat zur Folge, dass nach rechtskräftigem Abschluss des Bußgeldverfahrens die Informationszugangsregelungen von OWiG und StPO keine Sperrwirkung (mehr) entfalten können und der Anwendbarkeit des HmbTG nicht entgegenstehen.
Sollten Sie diesbezüglich weiterhin anderer Auffassung sein, bitte ich um den Erlass eines formellen Ablehnungsbescheids nach § 13 Abs. 2 HmbTG.
Mit freundlichen Grüßen
Antragsteller/in Antragsteller/in
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