Das Ergebnis der Prüfung, ob Julia Klöckners Video mit Nestle unter Schleichwerbung fällt
das Ergebnis der Prüfung, ob Julia Klöckners Video mit Nestle ([1]) unter Schleichwerbung fällt.
Eine Prüfung ihrerseits wurde unter [2] angekündigt.
[1] https://twitter.com/bmel/status/1135553266476040192
[2] https://twitter.com/mabb_de/status/1136281298862071809
Ergebnis der Anfrage
S. 140:
Abschlussvermerk zum Verfahren 2019-133
02.07.2019
https://twitter.com/bmel/status/1135553…
Maßstab für die Prüfung sind die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages (RStV). Wettbewerbs-
rechtliche Vorschriften (UWG) sind von der mabb nicht zu prüfen.
Verstoß gegen § 58 Abs. 1 RStV?
Kommt man zur Anwendung von § 58 Abs. 1 RStV (alternativ: § 58 Abs. 3 RStV – fernsehähnliche Te-
lemedien), ist entscheidend, ob hier ein Verstoß gegen die Trennung von Werbung und sonstigen In-
halten vorliegt. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV ist Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Han-
dels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen o-
der privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche
Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die
Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen,
gegen Entgelt zu fördern.
•
Absatzförderungsabsicht
Ob eine Absatzförderungsabsicht vorliegt, ist im Einzelfall anhand von objektiven Kriterien zu
ermitteln. So indiziert z.B. die Zahlung eines Entgelts oder eine ähnliche Gegenleistung das
Vorliegen einer solchen Absicht. Keine solche Absicht liegt vor, wenn Produkte und Dienst-
leistungen zu rein informativen Zwecken erwähnt oder Waren als Bestandteil der realen Um-
welt dargestellt werden.
Im vorliegenden Fall wurde das Video im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregie-
rung erstellt. Absatzförderungsabsicht ist daher nicht gegeben.
•
Gegenleistung
Äußerungen, die den Absatz fremder Waren oder die Erbringung fremder Dienstleistungen
bezwecken, sind nur dann Werbung, wenn für ihre Ausstrahlung ein Entgelt oder ähnliche
Gegenleistung erbracht wird. Zu den ähnlichen Gegenleistungen zählen neben den Sachleis-
tungen sämtliche geldwerten Vorteile, die der Anbieter oder seine Mitarbeiter erhalten.
Vorliegend ergibt sich nach dem Gespräch mit dem BMEL, dass keine Gegenleistung erbracht
wurde.
Zur Frage, ob Schleichwerbung (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV) vorliegen könnte:
Schleichwerbung ist die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken
oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendun-
gen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kenn-
zeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstel-
lung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken
beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.
Indizien für eine Schleichwerbeabsicht sind die Intensität der von dem Beitrag ausgehenden Werbe-
wirkung (z.B. durch häufige Nennung oder Einblendung des Produktnamens), eine distanzlos positive
Darstellung eines Produkts oder auch vertragliche Absprachen über die Art und Weise einer werbli-
chen Darstellung (Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Auflage 2015, Rn.72).
Der Wortlaut des Regelbeispiels selbst („Absicht“, nicht bloß Inkaufnahme) wie auch die besondere
Relevanz der Rundfunkfreiheit für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung sprechen dafür,
diese Indizien eng auszulegen. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass jede Erwähnung eines Produkts
– die zur Herstellung von Glaubwürdigkeit oft notwendig ist (Scherer, Product Placement, S. 58 f.) –
als Schleichwerbung zu qualifizieren ist (Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht,
4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 119).
• Im vorliegenden Fall wurden keine Nestlé-Produkte benannt, vorgestellt, gezeigt etc. Inten-
tion des Videos war es, einen Beitrag zur nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie
der Bundesregierung zu erstellen. Dies wurde von der Ministerin im Video deutlich gemacht.
So sagt sie bspw., dass sie sich freut, dass das BMEL Unterstützung durch Nestlé in der Inno-
vations- und Reduktionsstrategie erfährt.
• Die Absicht der Erwähnung oder Darstellung von Produkten zu Werbezwecken muss positiv
festgestellt werden. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 RStV liegt sie jedenfalls dann vor, wenn die Er-
wähnung gegen Entgelt oder ähnliche Gegenleistung erfolgt. Vorliegend gab es laut Auskunft
des BMEL keine Gegenleistung.
• Auch sonstige Umstände führen nicht zur Annahme einer Werbeabsicht.
Verfassungsrechtliche Ordnung als Grenze der Öffentlichkeitsarbeit:
Gemäß § 54 Abs. 1 RStV müssen Telemedien die verfassungsrechtliche Ordnung beachten. Grund-
sätzliche Anhaltspunkte liefert die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977
(BVerfG, Urteil v. 02.03.1977, Az. 2 BvE 1/76). Danach setzt die Feststellung eines Verfassungsversto-
ßes eine ins Gewicht fallende Häufung und Massivität offenkundiger Grenzüberschreitungen voraus.
Hier ist also Zurückhaltung geboten.
Für die Beurteilung sind u.a. die folgenden Kriterien von Bedeutung:
•
Transparenz
Gibt es eine klare Herkunftsangabe und Verantwortungszuordnung? Das ist hier der Fall. Das
Video war im Abspann als Video des Ministeriums gekennzeichnet und wurde auf dem Twit-
ter- Kanal des BMEL verbreitet.• Rollenverständnis
Wird deutlich, dass der Amtsträger ausschließlich in seiner Funktion spricht? Wird die öffent-
liche Rolle klar von der privaten Rolle getrennt? Die Ministerin hat hier in ihrer Funktion ge-
sprochen. Eine private Rolle hat sie nicht eingenommen.
• Neutralität
Beachtet der Staat seine Neutralitätspflicht? Ist sichergestellt, dass er im Rahmen seiner Öf-
fentlichkeitsarbeit nicht parteiergreifend handelt und er sich im politischen Meinungsstreit
nicht äußert? Hier gelten besonders strenge Maßstäbe in Vorwahlzeiten.
Das BMEL war durch den Koalitionsvertrag beauftragt worden, eine Strategie zu erarbeiten,
um Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten zu verringern. Die nationale Reduktions- und
Innovationsstrategie wurde am 19.12.2018 vom Kabinett beschlossen. Anfang 2019 startete
die Umsetzung; Im Herbst 2019 gibt es eine erste Überprüfung und Ende 2020 einen ersten
Zwischenbericht des BMEL. Die Lebensmittelwirtschaft hat sich im Rahmen von Selbstver-
pflichtungen dazu verpflichtet konkrete Reduktionsziele zu erreichen. Es ist also die Aufgabe
des BMEL die Bemühungen der Industrie zu dokumentieren und mit der Lebensmittelwirt-
schaft zu sprechen.
• Art der Berichterstattung
Handelt es sich um einen informierenden Bericht über die eigene Arbeit? Bei der Beantwor-
tung dieser Frage sind auch die veränderten Wege der modernen Massenkommunikation zu
beachten, die eine Anpassung der Formen der Öffentlichkeitsarbeit erfordern. Die Grenzen
zulässiger Öffentlichkeitsarbeit sind nur dann überschritten, wenn der informative Gehalt des
Videos klar hinter werblichen oder unterhaltenden Aussagen zurücktritt. Dafür sind vorlie-
gend keine Anhaltspunkte gegeben, da es hauptsächlich um die nationale Reduktions- und
Innovationsstrategie der Bundesregierung geht.
Im Ergebnis ist daher eine Einleitung eines förmlichen Verfahrens nicht geboten. Ein Verstoß gegen
rundfunkrechtliche Normen ist nicht ersichtlich.
Anfrage erfolgreich
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Datum3. Juli 2019
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6. August 2019
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