Sehr geehrter Herr Nagel,
vielen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich Ihnen gerne antworten möchte.
Die Corona Verordnung des Landes regelt insbesondere Beschränkungen von Veranstaltungen von Religions-, Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften zur Religionsausübung sowie von Veranstaltungen bei Todesfällen. Der Begriff der Religion ist dabei im Sinne der durch Artikel 4 Grundgesetz normierten Glaubensfreiheit als Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu verstehen. Der Begriff wurde dabei durch die juristische Lehre und höchstgerichtliche Rechtsprechung weiter (wenn auch nicht abschließend) konkretisiert. Hierbei werden insbesondere folgende Grundmerkmale angeführt.
Nach einer Definition des Bundesverwaltungsgerichts ist unter "Religion oder Weltanschauung ... eine mit der Person des Menschen verbundene Gewißheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen; dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende ("transzendente") Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche ("immanente") Bezüge beschränkt" (Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 27.03.1992, 7 C 21/90). Religion und Weltanschauung bestimmen nach dem Bundesverfassungsgericht die Ziele des Menschen, sprechen ihn im Kern seiner Persönlichkeit an und erklären auf eine umfassende Weise den Sinn der Welt und des menschlichen Lebens (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 2002, 1 BvR 670/91). Regelmäßig gehört zur Religion eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Die Religionsfreiheit umfasst dabei nicht nur die innere Freiheit zu glauben, sondern auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten. Das Bundesverfassungsgericht versteht den Begriff der Religionsausübung so, dass sämtliche Erscheinungsformen der religiösen Betätigung und Zwecke sowohl des Einzelnen wie der Kirchen und Religionsgemeinschaften unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Selbstverständnis vom Grundrecht umfasst werden. "Zur Religionsausübung gehören danach nicht nur kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozession, Zeigen von Kirchenfahnen, Glockengeläute, sondern auch religiöse Erziehung, freireligiöse und atheistische Feiern sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens" (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Oktober 1968, 1 BvR 241/66).
Ob und inwieweit vor diesem Hintergrund von einer Religion und Handlungen der Religionsausübung ausgegangen werden kann, ist für jeden Einzelfall gesondert anhand der konkreten Umstände zu bestimmen.
Mit freundlichen Grüßen