Sehr geehrter Herr Lieberenz,
Ihre Fragen lassen sich wie folgt beantworten:
Was plant die Bundesregierung für den Artenschutz in unseren Meeren
(Nord- und Ostsee) sowie in den Ozeanen bzw. welche Vorhaben wurden
bereits umgesetzt?
Im Juli 2022 hat der Deutsche Bundestag mit einer Änderung des
Bundesnaturschutzgesetzes (§ 45 d) die Erstellung und Umsetzung
nationaler Artenhilfsprogramme in das Gesetz aufgenommen. Diese Aufgabe
wurde gesetzlich dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) übertragen.
Insbesondere sollen damit durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien
betroffene Arten einschließlich derer Lebensstätten dauerhaft geschützt
werden. Damit soll der Ausbau der Erneuerbaren Energien unterstützt
werden. Mit den Artenhilfsprogrammen sollen die Bestände der Arten
regional und deutschlandweit in einen besseren oder guten
Erhaltungszustand gebracht werden.
Dabei geht es sowohl um Arten auf dem Meer und an Land. Der Schwerpunkt
der Aktivitäten wird in Deutschland liegen, aber es spielen auch die
Gefährdungen von betroffenen Vogel- und Fledermausarten auf den
Zugwegen und im Überwinterungsquartier eine Rolle.
Welche Arten konkret in den Blick genommen werden und welche Maßnahmen
ergriffen werden, wird derzeit noch erarbeitet[1]
( #_ftn1) .
Im Rahmen des nationalen Artenhilfsprogramms gemäß § 45 d BNatSchG
plant u. a. das BfN Abteilung Meeresnaturschutz derzeit folgende
Projekte.:
- „OWP-Vogelzug“: Auswirkungen des Offshore-Windkraftausbaus
auf Vogelzug in Nord- & Ostsee, Vermeidungs- und Artenhilfsmaßnahmen
- „BatAccess“: Bewertungsgrundlage und Minderungsmaßnahmen für
Fledermausschutz an Offshore-Windenergieanlagen
- „SKATE“: Wiederherstellung der Bestände heimischer
Rochenarten in der Nordsee: Machbarkeit und Integration in
Schutzgebietsmaßnahmen (SKATE: Restoration of endangered SKate species
in the German Bight – Defining Approaches Towards population
Enhancement)
- Artenhilfsprogramm für Knorpelfische (insbesondere Rochen und
Wanderfischarten wie Störe und Nordseeschnäpel). Es sollen u.a.
bestandsfördernde Maßnahmen umgesetzt werden (Aufzucht und Besatz, mit
anschließendem Erfolgs-Monitoring).
- Artenhilfsprogramm mit dem Ziel der Entwicklung und Anwendung
alternativer Fangmethoden, die Beifänge geschützter Arten und negative
Auswirkungen auf den Meeresboden verhindern.
Im internationalen Bereich engagieren sich auch BMUV und BfN sehr stark
bei den Themen Meeresnaturschutz und mariner Biodiversitätsschutz. So
setzt sich die BReg zum Beispiel für eine starke Verankerung des
Meeresschutzes im Post-2020 Global Biodiversity Framework (post-2020
GBF) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) ein, welcher
derzeit verhandelt wird (CBD COP 15, Dezember 2022). Darüber hinaus
engagiert sich BMUV und BfN bei der Ausarbeitung eines ambitionierten
Umsetzungsabkommens zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der marinen
Biodiversität jenseits nationaler Jurisdiktion (BBNJ-Prozess) im Rahmen
des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UN-SRÜ) und dessen
baldiger Verabschiedung. Auch ist BfN in den verschiedenen regionalen
Übereinkommen und Verträgen, wie HELCOM (Schutz der Ostsee), OSPAR
(Schutz des Nordost-Atlantiks), Arktischer Rat, CCAMLR (Schutz der
Biodiversität der Antarktis), aktiv und setzt sich dort für einen
effektiven Schutz der marinen Ökosysteme und ihrer Biodiversität ein.
Bisherige Forschungsprojekte zu den Auswirkungen des Baus und Betriebs
von Offshore-Windparks auf die Meeresnatur und -umwelt haben bereits
weitreichende Erkenntnisse gebracht und zu zahlreichen Bewertungen und
Empfehlungen geführt. Dies gilt insbesondere für Ergebnisse zu den
Auswirkungen von Unterwasserschall auf Meeressäugetiere beim Bau von
Windenergieanlagen und mögliche Schallschutzmaßnahmen, für den
Lebensraumverlust von Seevögeln durch Windparks und den sie versorgenden
Schiffsverkehr sowie für Barrierewirkungen und Kollisionsrisiken für
Zugvögel. In diesem Kontext sind beispielsweise das Positionspapier zum
Seetaucherhabitatverlust[2]
( #_ftn2) und das Schallschutzkonzept[3]
( #_ftn3) (Konzept für den Schutz der Schweinswale vor
Schallbelastungen bei der Errichtung von Offshore-Windparks in der
deutschen Nordsee) entwickelt und veröffentlicht worden.
Zur Umsetzung einer ökosystemgerechten Fischerei fördert das BfN seit
mehreren Jahren Forschungsvorhaben zur Entwicklung technischer
Alternativen zu Stellnetzen (z.B. Fischfallen, Ponton-Hebereusen) mit
dem Ziel den Beifang von geschützten Arten insbesondere Seevögeln und
marinen Säugetieren in der Stellnetzfischerei zu verhindern. Ein
weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung modifizierter
Stellnetze, die durch die Verbesserung ihrer akustischen Wahrnehmbarkeit
mit Hilfe von Acrylperlen den Beifang von Schweinswalen verhindern
sollen.
Im Rahmen von OSPAR wurde zum Beispiel mit der starken Unterstützung
und durch Initiativen des BMUV und BfN ein Netzwerk von
Meeresschutzgebieten in Gebieten jenseits nationaler Jurisdiktion
geschaffen. So wurde beispielsweise vor kurzem (2022) das NACES MPA
(North Atlantic Current and Evlanov Sea basin MPA) von OSPAR zum
verbesserten Schutz der Meeresumwelt des Atlantiks ausgewiesen, das ca.
die Größe von Frankreich (kontinental) hat.
Zum Schutz der Schweinswale ist am 25.02.2022 die Verordnung (EU)
2022/303 hinsichtlich der „Maßnahmen zur Verringerung der
unbeabsichtigten Fänge der in der Ostsee lebenden Population des
Ostsee-Schweinswals (Phocoena phocoena)“ in Kraft getreten. Die
Verordnung enthält Maßnahmen zur Regulierung der Stellnetzfischerei in
Schutzgebieten der Ostsee. In den deutschen betroffenen Schutzgebieten
(„Pommersche-Bucht-Rönnebank“ in der Ausschließlichen Wirtschaftszone
sowie „Greifswalder Boddenrandschwelle und Teile der Pommerschen Bucht“
im Küstenmeer) ist die Stellnetzfischerei zukünftig vom 01. November bis
31. Januar eines jeden Jahres verboten.
Sind zum Beispiel Kooperationen mit NGOs oder anderen
Umweltschutzgruppen auf nationaler oder internationaler Ebene (Bsp.
Europäische Union) geplant?
Auf nationaler Ebene bestehen derzeit bspw. Kooperationen in Form von
Forschungsprojekten mit dem NABU zum Fledermausschutz (z.B. aktuelles
REFOPLAN-Projekt Batmobil, geplantes AHP-Projekt BatAccess) und im
Zusammenhang mit mariner Raumordnung (MeerRaum) und Renaturierung des
Wattenmeeres (WATTRenature).
Wenn ja mit welchen Organisationen?
Aktuell arbeitet das BfN im Meeresnaturschutz mit den folgenden
Naturschutzverbänden direkt über Projekte zusammen: NABU Bundesverband,
NABU MV und WWF Deutschland.
Und wie gedenkt die Bundesregierung die Durchsetzung von nationalem und
internationalem Gesetz z.B. bei der Wahrung der Meeresschutzgebiete zu
gewährleisten? Insbesondere in Hinblick auf die kommerzielle Fischerei?
(Stichwort: Shark Finning)
Die Überwachung gesetzlicher Vorgaben für Meeresschutzgebiete im
Küstenmeer obliegt den jeweiligen Küstenbundesländern, in der
deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) obliegt sie dem Bund.
Abwehr und Vermeidung sowie ggf. Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen
Verbote der Schutzgebietsverordnungen (s. u. a. § 8 NSGPBRV) werden über
die jeweiligen Managementpläne (z. B. MP NSGPBR Maßnahme 7.2) festgelegt
oder vereinbart. Für die Umsetzung der Managementpläne der Schutzgebiete
in der AWZ ist das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zuständig, welches
bei der Umsetzung entweder die für die jeweiligen Nutzungen zuständigen
Fachbehörden beteiligt bzw. von diesen an Umsetzungen beteiligt wird.
Das Überwachungskonzept ist in der Entwicklung und bedarf der Billigung
durch die zuständigen Ressorts.
Die Überwachung der kommerziellen Fischerei obliegt gemäß
Seefischereigesetz (SeeFischG) in der AWZ der Bundesanstalt für
Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die nach § 2 Absatz 6 SeeFischG bei
der Überwachung der Schutzgebiete das BfN beteiligt und die Ergebnisse
dem BfN übermittelt. Der Erlass von Regelungen der kommerziellen
Fischerei obliegt gemäß Gemeinsamer Fischereipolitik (GFP) der EU
Kommission, welche diese durch einen delegierten Rechtsakt erlässt.
Derzeit gibt es solche Regelungen nur für die Ostsee (EU-Verordnung
2022/303). Durch sie wird in den Meeresschutzgebieten NSG „Pommersche
Bucht – Rönnebank“ in der AWZ sowie „Greifswalder Boddenrandschwelle und
Teile der Pommerschen Bucht“ im Küstenmeer von Mecklenburg-Vorpommern
die Stellnetzfischerei vom 01.11. bis zum 31.01. eines jeden Jahres in
den Schutzgebieten geschlossen.
Internationale Abkommen werden national aufgegriffen und umgesetzt. So
werden zum Beispiel die Beschlüsse des Übereinkommens über die
biologische Vielfalt (CBD) in der Nationalen Biodiversitätsstrategie der
Bundesregierung (NBS) als Handlungsgrundlage für nationale Aktivitäten
aufgenommen, was unter anderem auch Meeresschutzgebiete umfasst.
Die Fischerei zählt zu den menschlichen Aktivitäten mit den
erheblichsten negativen Auswirkungen auf das marine Ökosystem. Die
Bundesregierung bemüht sich seit vielen Jahren um die Implementierung
von Maßnahmen zur Regulierung der kommerziellen Fischerei in den
Meeresschutzgebieten der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone
(AWZ) um den Erhalt und die Wiederherstellung der marinen Biodiversität
zu gewährleisten. Dieser Prozess ist sehr langwierig, da Maßnahmen in
diesen Gebieten im Rahmen der europäischen Gemeinsamen Fischereipolitik
(GFP) gemäß Artikel 11 und 18 umgesetzt werden müssen.
Das sogenannte Finning, also lebenden Haien die Flossen abzuschneiden,
ist seit dem 12. Juni 2013 mit in Kraft treten der Verordnung (EU) Nr.
605/2013 vollständig in europäischen Gewässern verboten. Für zahlreiche
Haiarten gilt zusätzlich ein generelles Fangverbot. Die EU und
Deutschland setzen sich auf internationaler Ebene, insbesondere in den
regionalen Fischereiorganisationen, weiter nachdrücklich für ein
umfassendes Finning-Verbot ein. Auf der 19. Vertragsstaatenkonferenz des
Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES COP19), die vom 14. bis
25. November 2022 in Panama tagte, wurden erstmals rund 100 Hai- und
Rochenarten unter internationalen Schutz gestellt. Besonders
hervorzuheben ist die Unterschutzstellung zahlreicher für die Fischerei
relevanter Arten wie die Requiemhaie (Carcharhinidae), darunter der
stark befischte Blauhai, Hammerhaie (Sphyrnidae) und Gitarrenrochen
(Rhinobatidae).
[1]
( #_ftnref1)
https://www.bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/artenschutz/nationaler-artenschutz/artenhilfsprogramme
[2]
( #_ftnref2)
https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/
seetaucher_positionspapier_bf.pdf
(
https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/%20seetaucher_positionspapier_bf.pdf)
[3]
( #_ftnref3)
https://www.bfn.de/sites/default/files/2022-03/Schallschutzkonzept_Schweinswale_bf.pdf
Mit freundlichen Grüßen