Sehr
geehrtAntragsteller/in
mit E-Mail vom 30. Januar 2018 haben Sie sich nach den Regelungen zur Beschlussfähigkeit und der Zuständigkeit für die Einhaltung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) erkundigt. Ihre Anfrage ist mir zur Beantwortung übertragen worden.
Zu Ihrer ersten Frage kann ich Ihnen mitteilen, dass der Deutsche Bundestag gemäß § 45 Abs. 1 GO-BT beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist. Die Beschlussfähigkeit muss jedoch nicht vor jeder Abstimmung festgestellt werden. Die tatsächliche Anzahl der anwesenden Abgeordneten wird vielmehr nur dann durch Zählung ermittelt, wenn die Beschlussfähigkeit entweder vom Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen bezweifelt wird oder von einer Fraktion oder 5 % der Mitglieder des Bundestags bezweifelt und auch nicht vom Sitzungsvorstand einmütig bejaht wird, § 45 Abs. 2 GOBT.
Die Zählung der Abgeordneten folgt dann im Wege des sogenannten ,,Hammelsprungs" (Zählung der Stimmen nach § 51 GO-BT) oder in Kernzeitdebatten durch namentliche Abstimmung (§ 51 GO-BT). Bei einem ,,Hammelsprung" verlassen die Abgeordneten den Sitzungssaal, um ihn dann nach Aufforderung durch den Präsidenten durch eine der drei Türen, die mit ,,Ja", ,,Nein" und ,,Enthaltung" überschrieben sind, wieder zu betreten. Beim Wiederbetreten werden die Abgeordneten durch die Schriftführer gezählt. Bei einer namentlichen Abstimmung erfolgt die Stimmabgabe durch die Abgabe von Abstimmungskarten, die den Namen des Abstimmenden und die Erklärung ,,Ja", ,,Nein" oder ,,Enthalte mich". Das Ergebnis der Zählung der Stimmen wird dann vom amtierenden Präidenten verkündet und findet dadurch Eingang in den Stenografischen Bericht der Plenarsitzung (§ 116 GO-BT). Im Falle einer festgestellten Beschlussunfähigkeit hebt der Präsident gemäß § 45 Abs. 3 GO-BT die Sitzung
sofort auf. In Verbindung mit § 20 Abs. 5 GO-BT kann der Präsident dann für denselben Tag einmal eine weitere Sitzung mit derselben Tagesordnung einberufen.
Die Regelung in § 45 GOBT, wonach der Bundestag ungeachtet der tatsächlich Anwesenden als beschlussfähig gilt, bis seine Beschlussunfähigkeit in den o.g. Verfahren festgestellt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (siehe exemplarisch: Az. 2 BvR 705/75 und Az. 2 BvC 3/07).
Zu Ihrer zweiten Fragen teile ich mit, dass die einzelnen Mitglieder des Bundestages verpflichtet sind, sich an die Regelungen in der Geschäftsordnung, die sie sich auf Grund der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages aus Art. 40 Grundgesetz selbst gegeben haben, zu halten. Gemäß § 126 GO-BT ist es möglich im einzelnen Fall mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder von einer Regelung in der Geschäftsordnung abzuweichen, wenn die Bestimmungen des Grundgesetzes dem nicht entgegenstehen. Im Übrigen obliegt es dem Präsidenten des Deutschen Bundestages die Würde und die Rechte des Bundestags zu wahren und die Ordnung im Hause zu wahren (§ 7 GO-BT). In seiner Funktion als Leiter der Sitzungen des Bundestages haben der Bundestagspräsident und seine Stellvertreter und Stellvertreterinnen während der Leitung der Plenarsitzungen ordnungsrechtliche Befugnisse (§§ 36ff. GO-BT). Darüber hinaus tritt der Präsident den Abgeordneten aber nicht im Sinne e
ines weisungsberechtigten Dienstvorgesetzten gegenüber. Vielmehr üben die Mitglieder des Bundestages ihr Mandat frei aus. Sie sind dabei nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz).
Die genannten geschäftsordnungsrechtlichen Regelungen können Sie auf der Webseite des Deutschen Bundestages unter
https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg/go_btg/197104
herunterladen.
Mit freundlichen Grüßen