2017-10-09-auslegungsrundschreiben-zur-frderung-von-fl3chtlingen-sept-2017-endg-fassung.pdf

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Erlasse des BMBF zum BAföG

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POSTANSCHRIFT Bundesministerium für Bildung und Forschung, 11055 Berlin HAUSANSCHRIFT POSTANSCHRIFT Oberste Landesbehörden für Ausbildungsförderung TEL FAX BEARBEITET VON Landesämter für Ausbildungsförderung E-MAIL HOMEPAGE - per E-Mail - DATUM GZ Kapelle-Ufer 1, 10117 Berlin 11055 Berlin +49 (0)30 18 57-5131 +49 (0)30 18 57-8-5131 Elke Albrecht Elke.Albrecht@bmbf.bund.de www.bmbf.de Berlin, 9.10. 2017 415-42531-§7 (Bitte stets angeben) BETREFF BEZUG BAföG; hier: Rechts- und Auslegungsfragen bei der Förderung von Flüchtlingen Sitzung der OBLBAfö am 29.-30.11.2016, TOP 5 Bei der Förderung nach BAföG für Flüchtlinge sind bei und im Nachgang der letzten Sitzung der Obersten Bundes- und Landesbehörden für Ausbildungsförderung aus der Praxis einige Rechts-und Auslegungsfragen an das BAföG-Vollzugsreferat des BMBF herangetragen worden. Dazu gebe ich folgende Hinweise: Rechtsgrundlagen der Förderung: § 8 BAföG: Die Förderungsberechtigung von Flüchtlingen nach dem BAföG setzt eine gewisse Bleibe- perspektive voraus und knüpft insoweit grundsätzlich an den jeweiligen Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz an. Hierbei ist im Wesentlichen zwischen zwei Gruppen zu unterscheiden: Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BAföG sind anerkannte Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge i. S. der Genfer Flüchtlingskonvention1 oder Flüchtlinge, die diesen als sog. subsidiär Schutzberech- tigte vom BAMF gleichgestellt wurden2, ohne Wartezeit BAföG-berechtigt. Flüchtlinge nach der Genfer Konvention und subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge gem. § 25 Abs. 2 AufenthG stellen dabei zahlenmäßig die größte Gruppe dar. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG Flüchtlinge, die aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ihren Heimatstaat verlassen haben 2 Flüchtlinge, die stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht haben, dass ihnen in im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wie etwa Todesstrafe, Folter u. ä. 1 TELEFONZENTRALE FAX-ZENTRALE E-MAIL-ZENTRALE +49 (0)228 99 57-0 oder +49 (0)30 18 57-0 +49 (0)228 99 57-83601 oder +49 (0)30 18 57-83601 bmbf@bmbf.bund.de
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SEITE 2 sind Geduldete sowie Personen mit bestimmten humanitären Aufenthaltstiteln, deren Rechtsstellung und damit verbundene Bleibeperspektive ähnlich ist wie die von Geduldeten, erst nach 15 Monaten des ununterbrochen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalts persönlich förderungsberechtigt (s. dazu auch meine Rundschreiben vom 28.11.2013, Gz 414-42531-§8, und vom 11.10.2016, Gz 414-42531). § 7 BAföG Im BAföG gilt der Grundsatz, dass Ausbildungsförderung für eine zumindest drei Schul-oder Studienjahre dauernde berufsbildende Ausbildung mit berufsqualifizierendem Abschluss geleistet wird, § 7 Abs.1 Satz 1 BAföG. Berufsqualifizierend ist ein Ausbildungsabschluss auch dann, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausübung befähigt, § 7 Abs.1 Satz 2 BAföG. Eine weitere Förderung im Inland ist damit grundsätzlich ausgeschlossen. Für bestimmte Personengruppen gelten bei Auslandsausbildungen jedoch besondere Regeln im BAföG, die durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Eingang in die Verwaltungsvorschriften zum BAföG (Tz 7.1.15, 7.2.22., 7.3.19) gefunden haben. Die Rechtsprechung des BVerwG bezog sich dabei ursprünglich vor allem auf Aussiedler und ausländische, insbesondere sowjetische Ehegatten von Deutschen, ist aber schon damals auf anerkannte Asylberechtigte erstreckt worden. Sie gelten inzwischen auch für die zahlenmäßig besonders relevante Gruppe der Flüchtlinge mit Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs. 2 AufenthG (Flüchtlinge nach der Genfer Konvention und subsidiär Schutzberechtigte, Rundschreiben 414 vom 17.1.2014). Das BVerwG hat § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG einschränkend dahingehend ausgelegt, dass dieser nur für Auszubildende gilt, die sich bei offener Wahlmöglichkeit für eine Ausbildung im Ausland (statt im Inland) entschieden haben. Bestand keine offene Wahlmöglichkeit, kann die Fortsetzung der im Ausland aufgenommenen Ausbildung im Inland unter den folgenden weiteren Voraussetzungen gefördert werden, auch wenn bereits ein ausländischer Abschluss erreicht war: – Die Ausbildung im Ausland ist nicht materiell gleichwertig mit einer Ausbildung im Inland und – die Rückkehr ins Heimatland ist dem Auszubildenden nicht zumutbar. Dabei geht das BVerwG davon aus, dass eine offene Wahlmöglichkeit u. a. bei Asylberech- tigten und Flüchtlingen mit bestimmten Aufenthaltstiteln grundsätzlich nicht gegeben ist. Das bedeutet für diese Flüchtlinge, dass ihre im Ausland abgeschlossene, nicht materiell gleichwertige Ausbildung im Inland als noch nicht abgeschlossen betrachtet wird und sie – möglichst unter Anrechnung ihrer bereits im Ausland erbrachten Ausbildungsleistungen - die Ausbildung im Inland mit Förderung bis zu einem inländischen Abschluss fortsetzen können. Dies gilt erst recht, wenn die Ausbildung im Ausland noch nicht abgeschlossen war und hier in der gleichen Fachrichtung fortgesetzt werden soll. Für den Vollzug ergeben sich daraus insbesondere folgende Konstellationen:
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SEITE 3 a. Fortsetzung einer im Ausland abgeschlossenen, aber nicht materiell gleichwertigen Hoch- schulausbildung oder einer im Ausland noch nicht abgeschlossenen Hochschulausbildung Die Zahl von im Ausland – oder an einer anderen Ausbildungsstätte im Inland - bereits erbrachten Studiensemestern ist grundsätzlich von erheblicher Bedeutung, wenn es um die Förderung der Fortsetzung der Ausbildung geht. Die fachliche Einstufung der Hochschule in ein bestimmtes Fachsemester und die Einstufung des BAföG-Amtes allein anhand der Zahl der im Ausland studierten Semester können dabei auseinanderfallen. Im Regelfall muss sich der Auszubildende bereits absolvierte Semester im In- und Ausland (s. aber auch § 5a BAföG ) förderrechtlich voll entgegenhalten lassen. Bei Flüchtlingen, die im Heimatland die Ausbildung bereits abgeschlossen oder jedenfalls mehrere Semester absolviert hatten, werden in vielen Fällen jedoch wenig bis gar keine der im Ausland bereits erbrachten Leistungen von der inländischen Hochschule angerechnet werden. Dies gilt vor allem für geisteswissenschaftliche Fächer, aber auch im MINT-Bereich. Hier gelten dann gem. Tz 7.3.19 Satz 1 BAföGVwV besondere Bestimmungen. Es kann zu förderrechtlichen Problemen kommen, wenn diese Auszubildenden zunächst ohne jede Prüfung der individuellen Vorkenntnisse ins erste Fachsemester eingestuft und immatrikuliert werden und erst später durch eine Fachprüfung o. ä. von der Hochschule über die endgültige Semestereinstufung entschieden wird. Wird die Immatrikulation ohne Bedingung vorgenommen, ist dies grundsätzlich auch für das Amt für Ausbildung verbindlich. Die Hochschule sollte jedoch unverzüglich eine Bewertung der bereits erbrachten Ausbildungsleistungen vornehmen und dann eine entsprechende Semestereinstufung vornehmen, an die dann die weitere Ausbildungsförderung anknüpft. Wie dies in der Praxis von den Hochschulen gehandhabt wird, ist zu beobachten. Ich bitte um Unterrichtung, wenn hier gehäuft Probleme auftreten, also insbesondere erhebliche zeitliche Verzögerungen seitens der Hochschulen bei der Bewertung auftreten oder die Auszubildenden ihren entsprechenden Nachweis- und Kooperationspflichten nicht nachkommen. Ist die Immatrikulation vorläufig und unter den Vorbehalt einer verbindlichen Einstu- fungsentscheidung der Hochschule gestellt, kann für die Zeit vor dieser Anrechnungs- und Einstufungsentscheidung allenfalls für maximal 4 Monate Förderung nach BAföG geleistet werden (Vorschusszahlung gemäß § 51 Abs. 2 BAföG). Die verbindliche fachliche Einstufungsentscheidung der Hochschule ist maßgeblich für die verbleibende Förderdauer, da die Nichtanrechnung von ausländischen Ausbildungsleistungen als unverschuldete Verzögerung der Ausbildung und damit als schwerwiegender Grund für eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer anzusehen ist, § 15 Abs. 3 Nr.1 BAföG i.V. mit Tz 7.3.19 Satz 1 BAföGVwV. Die Zahl der im Ausland tatsächlich schon studierten Semester ist jedoch im BAföG nicht völlig ohne Bedeutung. Hat ein auszubildender Flüchtling seine Ausbildung im Inland zunächst fortgesetzt, möchte dann aber die Fachrichtung wechseln, ist dann auf die förderrechtliche Zählung der bereits tatsächlich erbrachten Hochschulsemester abzustellen, nicht auf die Einstufung durch die aufnehmende Hochschule.
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SEITE 4 Hat der Auszubildende bereits im Ausland und vor seiner Anerkennung als Flüchtling die Fachrichtung gewechselt, so ist bei allen Förderfragen auf die zuletzt gewählte Fachrichtung abzustellen. b. Förderrechtliche Einordnung eines Wechsels der Fachrichtung Wird im Inland eine Hochschulausbildung in einer anderen Fachrichtung aufgenommen, so muss dafür – je nach Zeitpunkt des Wechsels - ein wichtiger oder unabweisbarer Grund vorliegen, § 7 Abs. 3 BAföG. Zur Bestimmung dieses Zeitpunkts für die in der Tz 7.1.15 genannten Personengruppen, gelten die besonderen Regelungen in Tz 7.3.19. Insbesondere Tz 7.3.19 letzter Satz ist zu beachten. Im Übrigen sollen aber für diese Personengruppen die gleichen allgemeinen Regeln wie für Inländer und für Ausländer, die nicht unter die genannten Verwaltungsvorschriften fallen, gelten. Die Flucht als solche ist dabei, für sich allein betrachtet, kein unabweisbarer Grund für einen Fachrichtungswechsel bei Wiederaufnahme eines Studiums in Deutschland. Die Anerkennung als Flüchtling führt zur Anwendbarkeit der privilegierenden Regelungen in den Verwaltungsvorschriften, weil mit der Anerkennung als festgestellt gilt, dass dem Auszubildenden ein Verweis auf eine Berufsausübung im Ausland nach dort abgeschlossenem Studium oder auch auf die Fortsetzung einer noch nicht abgeschlossenen Ausbildung im Herkunftsland durch Rückkehr dorthin nicht zumutbar ist. Der Auszubildende muss sich dann aber auch grundsätzlich an seiner im Ausland getroffenen Ausbildungswahl festhalten lassen. Wäre die Flucht allein ein unabweisbarer Grund, so wäre dies ein Freibrief, im Inland jede gewünschte Ausbildung auch bei im Ausland bereits erreich- tem weit fortgeschrittenen Studienstand oder sogar bereits erworbenem Abschluss in einer anderen Fachrichtung aufnehmen zu können, ohne an die im Ausland ursprünglich getroffene Fachrichtungswahl gebunden zu sein. Das ist weder mit dem Gesetzeswortlaut - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerwG - zu vereinbaren noch ist ein ausbildungsförderungspolitischer Grund erkennbar, insoweit Flüchtlinge besserzustellen als andere auf BAföG angewiesene Studierende. Im Flüchtlingszusammenhang ist ein unabweisbarer Grund für einen Wechsel – neben den für alle Auszubildenden geltenden Kriterien anzunehmen, , wenn der im Ausland begonnene Studiengang nicht in einer der bisherigen Ausbildung ggfs. auch nur in Teilen vergleichbaren Ausbildung in Deutschland angeboten wird, Tz 7.3.19, so dass es dann eben keine Wahl mehr zwischen Fortsetzung des begonnenen Studiengangs und der Aufnahme eines anderen Studiengangs gibt. Existiert ein Studiengang jedoch grundsätzlich im In- und Ausland, hat aber zumindest in Teilen andere Inhalte, so kann er grundsätzlich im Inland fortgesetzt werden – und muss dies im Interesse sparsamer Verwendung öffentlicher Fördermittel auch, wenn eine Förderung nach dem BAföG erfolgen soll. Kann der im Ausland begonnene Studiengang im Inland wegen dessen Zulassungs- voraussetzungen, insb. eines numerus clausus, nicht fortgesetzt werden, so kann darin ein unabweisbarer Grund liegen. Ein bloßer Neigungswandel, die Aussicht auf bessere Arbeitsmarktchancen oder auch die
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SEITE 5 Nicht-Zulassung zum Wunschstudium im Heimatland allein sind keine unabweisbaren Gründe für einen Fachrichtungswechsel. Das sollte auch dann gelten, wenn die aufnehmende Hochschule trotz grundsätzlich gleicher Studienfachrichtung nach Einzelfallprüfung keinerlei im Ausland erbrachte Leistungen als einschlägige Hochschulstudienleistung anerkennt und den Auszubildenden ins erste Fachsemester einstuft. Der Auszubildende kann nicht einwen- den, dass in diesem Fall für die andere, jetzt gewünschte Ausbildung, Ausbildungsförderung auch nur mit gleicher oder ggf. sogar noch kürzerer Förderhöchstdauer geleistet würde. Dieses Argument ist auch Inländern verwehrt. Grundsätzlich gilt: Die Regelungen im BAföG für Flüchtlinge dienen allein dem Nach- teilsausgleich, nicht aber einer Begünstigung gegenüber anderen Auszubildenden. Schlussbemerkung: Die Gewährung von Ausbildungsförderung an Flüchtlinge und die Anwendung der Tz 7.1.15, 7.2.22 und 7.3.19 BAföGVwV auf eine Vielzahl von individuell unterschiedlichen Ausbil- dungswegen wird mit Sicherheit zu weiteren Fragen und zu entsprechendem Rege- lungsbedarf führen. Der Bitte des BMBF an die Länder um Unterrichtung über die Ver- waltungspraxis bei den Ämtern und über relevante gerichtliche Entscheidung wurde bisher eher sporadisch gefolgt. Diese Informationen sind jedoch notwendig, um bei Problemen und Rechts- und Auslegungsfragen, die gehäuft auftreten, eine verbindliche Klärung herbeizuführen und einen einheitlichen Gesetzesvollzug zu gewährleisten. Ich bitte daher nochmals um entsprechende fortlaufende Unterrichtung. Im Auftrag Albrecht
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