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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Erlasse zu Corona

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1 Abschrift Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation, Singerstr. 109, 10179 Berlin Verwaltungsgericht Hannover 22.04.2020 Leonhardtstraße 15 30175 Hannover EILT! Per Telefax Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz In der Verwaltungsstreitsache des Herrn Arne Semsrott, c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstraße 109, 10179 Berlin gegen das N i e d e r s ä c h s i s c h e J u s t i z m i n i s t e r i u m , vertreten durch die Landesjustizministerin Barbara Havliza, Am Waterlooplatz 1, 30169 Hannover wegen: Anspruch auf Informationserteilung nach dem NUIG vorläufiger Streitwert: 2.500,- EUR beantragt der Antragsteller, 1. die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17.04.2020 zu verpflichten, dem Antragsteller die Erlasse zum Umgang der Justiz mit der Corona-Pandemie zugänglich zu machen, 2. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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2 Begründung: Der Antragsteller Antragsgegnerin, wendet die von sich ihr gegen gegenüber die Weigerung der der Niedersächsischen Gerichtsbarkeit verfügten Erlasse zum Umgang der Justiz mit der Corona- Pandemie zugänglich zu machen. I. Beteiligte Der Antragsteller lebt und arbeitet in Berlin. Er ist Journalist und Projektleiter der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., die sich für Transparenz einsetzt und unter anderem die Seite www.fragdenstaat.de betreibt, die der Antragsteller verantwortet. Die Antragsgegnerin ist unter anderem für Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land Niedersachen zuständig und übt über diese die Dienstaufsicht aus. Am 14.04.2020 ist bekannt geworden, dass sie mehrere Erlasse zum Umgang mit dem Corona-Virus in der Niedersächsischen Justiz herausgegeben (Hygieneschutz, Verhalten nach Urlaubsrückkehr, Meldewege, Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes, Sonderurlaub, Kinderbetreuung, Umgang mit Verdachtsfällen, Umgang mit Publikumsverkehr, Absagen von Besuchergruppen, Sicherstellung von Bereitschaftsdienst und Eilmaßnahmen, etc., vgl. Anlage AS 4). II. Sachverhalt Am 14.04.2020 fragdenstaat.de machte die der Antragsteller Herausgabe sämtlicher über die Erlasse, Plattform die die Antragsgegnerin in Bezug auf den Umgang mit der Corona-Epidemie verfasst habe, auf Basis von § 2 Abs. 3 des Niedersächsischen Umweltinformationsgesetzes (NUIG) sowie § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (VIG) geltend. Glaubhaftmachung: Antrag vom 1 4 .04.2020, anbei als Anlage AS 1. Mit Schreiben vom 17.04.2020 wies die Antragsgegnerin den Antrag auf
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3 Zugang zu den Erlassen zurück. Zur Begründung verwies die Antragsgegnerin darauf, dass es sich um innerdienstliche Vorgänge handele, die nur zum Gebrauch der Niedersächsischen Justiz bestimmt seien. Zudem handele es sich bei den betreffenden Erlassen weder um Umweltinformationen nach §2 Abs. 3 UIG noch um Verbraucherinformationen nach § 1 VIG, sodass die geltend gemachten Anspruchsgrundlagen nach § 3 Abs. 1 NUIG und § 2 Abs. 1 VIG nicht einschlägig seien. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Bescheid nicht beigefügt. Glaubhaftmachung: Bescheid vom 1 7 .04.2020, anbei als Anlage AS 2. Der Antragsteller legte am 17.04.2020 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Zur Begründung führt er aus, dass es sich den Erlassen zum Umgang mit der Corona-Pandemie um Umweltinformationen im Sinne des § 3 Abs. 3 UIG handele. Da sich das Coronavirus SARS-CoV-2 hauptsächlich über Tröpfcheninfektion und damit über direkten Kontakt sowie über die Luft ausbreite, wirkten sich Maßnahmen im Umgang damit auch auf Umweltbestandteile sowie die Gesundheit von Menschen aus (§ 3 Abs. 3 Nr. 1/6 UIG). Etwaige Ausnahmetatbestände seien nicht ersichtlich. Das hohe öffentliche Interesse am Umgang der Justizverwaltung mit der Corona-Pandemie sei zudem offensichtlich. Glaubhaftmachung: Widerspruch vom 1 7 .04.2020, anbei als Anlage AS 3. Dem Antragsteller ist ein weiteres Zuwarten angesichts des akuten Fortschreitens der Pandemie und der Versuche der Niedersächsischen Regierung, diese auf Basis von temporär begrenzten Verordnungen und Maßnahmen nicht zuzumuten. Mit Blick auf die an die Verordnungen anknüpfenden Erlassen besteht insbesondere das dringende Bedürfnis, einen vollständigen Überblick über die in den Erlassen enthaltenen Maßnahmen und Empfehlungen zum Schutz vor Neuinfektionen in Zusammenhang mit der Tätigkeit der Gerichte und die damit einher gehenden Auswirkungen auf Rechtspflege und ggf. Rechtsstaatlichkeit zu erhalten. Daher ist nun ein Vorgehen im Wege des Eilrechtsschutzes
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4 geboten. III. Rechtliche Würdigung Der Antrag nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist zulässig und begründet. 1. Zulässigkeit Der Antrag nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller aufgrund der behördlichen Vorbefassung rechtsschutzbedürftig (vgl. BeckOK VwGO/Kuhla, 52. Ed. 1.7.2019, VwGO § 123 Rn. 37b). 2. Begründetheit Der Antrag nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist auch begründet. Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2, 294 ZPO). a) Anordnungsgrund Der nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO erforderliche Anordnungsgrund in Form der besonderen Eilbedürftigkeit liegt vor. Voraussetzung hierfür ist, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner aber auch der öffentlichen Interessen und den Interessen Dritter nicht zumutbar ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn 26). Dies ist insbesondere der Fall, wenn dem Antragsteller durch Abwarten des Hauptsacheverfahrens schwere und unzumutbare Nachteile drohen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 27.6.2007, – 8 B 920/07, NVwZ 2007, 1212 Rdnr. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.5.2014, – 12 S 26.14, juris Rdnr. 8). Das ist hier der Fall. Die Antragsgegnerin betont in ihrem Bescheid, dass die “aktuelle
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5 Pandemielage” den Staat und die Gesellschaft vor große Herausforderungen stelle und sich alle Beteiligten “auf das dynamische Infektionsgeschehen ausgerichteten der vergangenen Anordnungen […] Wochen [f]ür und die Niedersachsen danach […] die Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 07.04.2020 (Nds. GVBl. 8/2020) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 09.04.2020 (Nds. GVBl. 9/2020) [einstellen mussten].” Hieran knüpfen die besagten Erlasse unmittelbar an: “Die danach erforderlichen Maßnahmen führen auch in der Justiz zu Einschränkungen […] . Alle Maßnahmen müssen, worauf ich die Gerichte in meinen Erlassen hingewiesen habe, den Erfordernissen der Pandemiesituation genügen, den Kontaktsperremaßnahmen der oben genannten Verordnung entsprechen und es dennoch ermöglichen, den Dienstbetrieb in weitest möglichem Umfang aufrecht zu erhalten.” Glaubhaftmachung: Bescheid vom 1 7 .04.2020, bereits vorgelegt als Anlage AS 2. Die Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie (Nds. GVBl. Nr. 8/2020) ist am 19.4.2020 außer Kraft getreten (§ 13 Abs. 1). Seit dem 20.4.2020 gilt die Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17.04.2020 (Nds. GVBl. Nr. 10/202). Auch sie trifft weitreichende Einschränkungen des sozialen Lebens und physischer Kontakte im öffentlichen Raum. Wie die vorherige Verordnung erklärt sie unter Beachtung gewisser Verhaltensregeln insbesondere den Besuch von Gerichten für zulässig (§ 3 Nr. 15). Laut der Webseite der Antragsgegnerin komme es dabei jedoch zu “ganz erhebliche[n] Einschränkungen” im “Arbeitsalltag der niedersächsischen Gerichte”. Die Absage von Gerichtsverhandlungen sei die Regel. Glaubhaftmachung: Auszug Corona-Webseite der Antragsgegnerin vom 1 7 .04.2020, anbei als Anlage AS 4. Die aktuelle Verordnung wird mit Ablauf des 06.05.2020 außer Kraft treten. Bis dahin wird es bedingt durch die aktuelle Situation der Corona- Pandemie und in den Erlassenen vorgesehene Schutzmaßnahmen gegen
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6 Neuinfektionen offenbar zu massiven Einschränkungen des gewöhnlichen Betriebs im Niedersächsischen Gerichtswesen kommen. Vor diesem Hintergrund ist ein akutes Bedürfnis zur inhaltlichen Kenntnisnahme der Erlasse, welche die Regeln und Ausnahmen zur Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum aus den Verordnungen, für die Justizverwaltung und Gerichte offenbar näher ausgestalten, Empfehlungen geben und Maßnahmen anordnen, offensichtlich. Der Antragsteller hat nicht zuletzt als Journalist ein durch die Pressefreiheit aus Art. 5 GG gestärktes Recht, die Regelungen der Erlasse erfahren, verbreiten und sich inhaltlich mit ihnen auseinandersetzen zu können, um so seiner Kontroll- und Vermittlungsfunktion nachzukommen. Dieses Bedürfnis ergibt sich zum einen aus der Notwendigkeit zur Kontrolle des Regierungshandelns mit Blick auf die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz, das Grundrecht auf Zugang zu Gerichten und effektiven Rechtschutz sowie den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen. Die Vielzahl dieser wesentlichen Punkte sind durch die Erlasse in ihrer zu erwartenden Regelungswirkung unmittelbar und akut berührt. Daneben gibt es insbesondere unter den Organen der Rechtspflege, insbesondere den Anwält*innen ein dringendes Informationsbedürfnis, über die Kriterien und Maßnahmen für die anscheinend gegebene Anpassung der Durchführung von anhängigen Gerichtsverfahren im Detail informiert zu werden. Der aktuellen Medienberichterstattung lässt sich entnehmen, dass derzeit unter Anwält*innen erhebliche Unsicherheit herrscht, inwieweit die sie betreffenden Verfahren von den Beschränkungen betroffen sind. Glaubhaftmachung: Artikel aus der taz vom 14.04.2020, anbei als Anlage AS 5. Nicht zuletzt haben auch Menschen, die auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Schutzes angewiesen sind, ein Recht zu erfahren, welche Schutzmaßnahmen durch die Justiz ergriffen werden, um Infektionen möglichst zu vermeiden. All diese Dynamiken Antragsgegnerin spielen angeführten sich entsprechend “dynamische[n] dem von der Infektionsgeschehen”
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7 (Anlage AS 2) und dem damit verbundenden schnellen und durchgreifenden Regierungshandeln in engstem zeitlichen Rahmen ab. Verordnungen und Erlasse, die heute erlassen werden, können morgen schon wieder überholt sein. Umso wichtiger ist es, durch zügige und vollständige Transparenz zu ermöglichen, dass öffentliche Information und öffentliche Kontrolle, nicht zulettzt durch Journalist*innen wie den Antragsteller, mit diesen Entwicklungen, die wie dargestellt wesentliche Verfahrensabläufe, Rechtspositionen, staatorganisationsrechtliche und rechtstaatliche Strukturprinzipien berühen, Schritt halten können. Entsprechend hat der Antragsteller ein nicht-aufschiebbares Bedürfnis, die durch die Erlasse berührten Aspekte durch dere Veröffentlichung auf der Transparenzplattform fragdenstaat.de und deren Analyse im Rahmen der journalistischen Auseinandersetzung zu kommunizieren und zu bewerten. Hierbei liegt auf der Hand, dass dies kaum mehr relevant ist, sobald die Verordnungen wegen des Fortschreitens des dynamischen Infektionsgeschehens aufgehoben und/oder überholt sind, insbesondere die niedersächsischen Gerichte den “Normalbetrieb” wieder aufgenommen haben. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich der getroffenen Schutzmaßnahmen für die Gesundheit sowie das der Anwält*innen hinsichtlich der Ausgestaltung der anhängigen Verfahren wäre gänzlich nicht mehr zu erfüllen. Auch eine Rechtmäßigkeitskontrolle der durch die Erlasse akut gefährdeten Staatsstruktur- und Rechtsstaatsprinzipien würde nur mit erheblicher Verzögerung erfolgen können, was jede öffentliche Kontrolle der aktuellen und daran anknüpfender Maßnahmen unmöglich machen würde. Mit Blick auf die Bedeutung der Rechtsgüter ist dies vollkommen unangemessen. Diese Einschränkungen, die durch die Erlasse veranlasst bzw. empfohlen werden, müssen noch während ihres Akutwerdens der journalistischen und öffentlichen rechtsstaatlicher Kontrolle Garantien eröffnet muss sein. zumindest Eine der Einschränkung unmittelbaren rechtsstaatlichen Kontrolle offen stehen. Hierfür ist Transparenz die wesentliche Grundvoraussetzung. Ohne Kenntnis der Erlasse ist dies im konkreten Fall nicht denkbar. Eilbedürftigkeit ist daher dringend gegeben.
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8 b) Anordnungsanspruch Auch der Anordnungsanspruch ist gegeben. Dem Antragsteller kommt ein subjektiv-öffentliches Recht nach § 3 Abs. 1 NUIG iVm § 3 UIG auf Zugang zu den betreffenden Erlassen gegenüber der Antragsgegnerin als informationsverpflichtete Stelle gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 NUIG zu. aa) Umweltinformationen Bei den Erlassen handelt es sich um Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 5 iVm § 2 Abs. 3 UIG. Hierzu zählen unter anderem alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG), Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf die Umweltbestandteile auswirken oder den Schutz von Umweltbestandteilen bezwecken, wobei zu diesen Maßnahmen auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Pläne und Programme zählen (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG) sowie Daten über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen von Menschen, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile oder den Maßnahmen betroffen sind oder sein können (§ 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG). Diese Voraussetzungen liegen hier eindeutig vor. Das Coronavirus SARS- CoV-2 breitet sich hauptsächlich über Tröpfcheninfektion, beim Husten und Niesen, aber auch beim gewöhnlichen Sprechen aus. Glaubhaftmachung: Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 19.04.2020, anbei als Anlage AS 6. Hierbei sind die Viren in den entstehenden Tröpfchen enthalten. Die besonders beim Sprechen entstehenden “Aerosole” (mit besonders kleinen, Tröpfchen angereicherte Atemluft) bleiben besonders lange in der Luft stehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein solches virales Aerosol mehrere Stunden infektiös ist. Über die Atmung der viral belasteten Luft kann daher eine Infektion mit dem Coronavirus erfolgen (vgl. auch https://www.ndr.de/nachrichten/info/28-Coronavirus-Update-Auch-die- Atemluft-spielt-eine-Rolle,podcastcoronavirus174.html). Nach eigenem Bekunden der Antragsgegnerin behandeln die Erlasse
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9 unter anderem Themen wie “Hygieneschutz”, “Verhalten nach Urlaubsrückkehr”, “Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs”, “Umgang mit Verdachtsfällen”, “Umgang mit Publikumsverkehr”, “Absagen von Besuchergruppen”; “[v]iele dieser Vorschriften laufen darauf hinaus, den Kontakt der Öffentlichkeit mit der Justiz auf ein Minimum zu reduzieren - […]”. Glaubhaftmachung: Auszug Corona-Webseite der Antragsgegnerin vom 1 7 .04.2020, bereits vorgelegt als Anlage AS 4. Die Erlasse setzen mit ihren Maßnahmen daher offenkundig an dem den Verbreitungsweg des Virus über zwischenmenschlichen Kontakt und Luftaustausch an und bezwecken nicht zuletzt, die Luft von entsprechenden Bestandteilen möglichst frei zu halten. Hierbei handelt es sich daher zweifellos um Maßnahmen, die sich auf die Umweltbestandteile (den Virusgehalt der Atemluft) unmittelbar auswirken (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG). Dementsprechend liegt auf der Hand, dass der Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit und die Lebensbedingungen von Menschen, darunter von Parteien bzw. Beteiligten, Richter*innen, Anwält*innen, Personal in der Justizverwaltung Gebäudemanagement sowie Journalist*innen, und im unmittelbar von den betreffenden Maßnahmen betroffen sind (§ 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG). bb) Keine Ablehnungsgründe Ablehnungsgründe nach § 3 S. 2 NUIG iVm § § 8, 9 UIG bestehen nicht. Soweit die Antragsgegnerin ablehnend darauf verweist, bei den Erlassen handele es sich um “innerdienstliche Vorgänge, die nur zum Gebrauch in der niedersächsischen Justiz bestimmt sind”, so beschreibt dies schon begrifflich keinen Ausschlussgrund nach § 3 NUIG iVm §§ 8, 9 UIG. Insbesondere handelt es sich bei den Erlassen auch nicht um interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stelle gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG. Zu den internen Mitteilungen zählen nur Mitteilungen innerhalb einer informationspflichtigen Stelle, also solche, die den Binnenbereich einer informationspflichtigen Stelle nicht verlassen (BVerwG, Urt. v. 2. 8. 2012 – 7 C 7/12, NJW 2012, 1619). Die Antragsgegnerin ist übergreifend für die
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10 Schaffung der organisatorischen, haushaltsmäßigen, personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen der fachlich unabhängigen Gerichte zuständig. Gleichzeitig übt sie die Dienstaufsicht über die Gerichte auf. Daher kann sie schon staatsorganisationsrechtlich insoweit nicht dieselbe, sondern nur eine insoweit ranghöhere Stelle sein (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Dienstaufsicht). Dies deckt sich im Übrigen mit der hier in Rede stehenden Erlasstätigkeit der Antragsgegnerin, die so staatsrechtlich nicht denkbar wäre, wären die Antragsgegnerin und die Gerichte eine identische öffentliche Stelle. Ob die Antragsgegnerin indes mit den Erlassen Kompetenzen im und den Rahmen darin der enthaltenen Dienstaufsicht Maßnahmen mit Blick auf ihre die Unabhängigkeit der Gerichte überschreitet, ist eine andere Frage, deren Erörterung die Veröfffentlichung der Erlasse dienen kann. cc) Hilfsweise: Überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe Im Übrigen wären ohnehin auch deshalb keine Ablehnungsgründe nach §§ 8, 9 UIG durchgreifend, da das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Überwiegen bedeutet, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe größer sein muss als das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe (Landmann/Rohmer UmweltR/Reidt/Schiller, 91. EL September 2019, UIG § 8 Rn. 4 unter Verweis auf den 16. Erwägungsgrund zur UIRL). Ein Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe ist abgesehen von dem apodiktischen Verweis auf die Erlasse als “Interna” nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Demgegenüber besteht ein erhebliches Informationsinteresse mit Blick auf die durch die Erlasse bedingten Beschränkungen der Gerichtstätigkeit und der öffentlichen Zugänglichkeit der Gerichte wie auch der getroffenen Schutzmaßnahmen gegen eine Verbreitung des Virus bei Kontakt zwischen den Personen, die notwendig die Gerichte aufsuchen müssen. Wie aus den sporadischen Informationen der Antragsgegnerin im Ausgangsbescheid und auf Ihrer Website deutlich wird, unterliegt die Arbeit der niedesächsischen Justiz in Anbetracht der Corona-Epidemie
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