Anhang B Policy-Transfer Studie 20200923_konvertiert

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Evaluation des Umweltinformationsgesetzes (UIG)

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Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Forschungskennzahl [3716 17 103 0] UBA-FB-00 [trägt die UBA-Bibliothek ein] Evaluation des Umweltinformationsgesetzes (UIG) – Analyse der Anwendung der Regelungen des UIG und Erschließung von Optimierungspotentialen für einen ungehinderten und einfachen Zugang zu Umweltinformationen Anhang B: Policy-Transfer Studie von Dr. Jan Beermann, Dr. Kerstin Tews Forschungszentrum für Umweltpolitik, FU Berlin für das Unabhängiges Institut für Umweltfragen (UfU) e.V., Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin Berlin, 2019 Im Auftrag des Umweltbundesamtes
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Anhang B: Policy-Transfer Studie Inhaltsverzeichnis 1    Einleitung.............................................................................................................. 3 1.1       Auftrag...................................................................................................... 3 1.2       Hintergrund: Die steuerungspolitischen Ziele des UIG..............................3 1.3       Identifizierte Herausforderungen (exemplarische Auswahl).....................4 1.4       Möglicher Lösungsansatz: Stärkung von Open-Government- Ansätzen................................................................................................... 5 1.5       Zielsetzung und Fragestellungen der Policy-Transfer Studie....................7 1.6       Methodisches Vorgehen............................................................................8 2    Open Government: Lehren aus anderen (Bundes-)Ländern..................................9 2.1       Begriffsbestimmung: Was heißt Open Government?................................9 2.2       Was ist der aktuelle Stand der Umsetzung von Open Government in Deutschland?...................................................................................... 10 2.3       Aus welchen (Bundes-)Ländern kann Deutschland bei der Umsetzung von Open Government lernen?............................................14 2.3.1        Großbritannien: Open- Government-Vorreiter in Europa.....................15 2.3.2        USA: Ein Open-Government-Champion auf dem Scheideweg.............16 2.3.3        Österreich: Open-Government-Kooperation zwischen Bund, Städten und Zivilgesellschaft..............................................................17 2.3.4        Hamburg: Ein deutsches Bundesland experimentiert mit Open Government........................................................................................ 19 2.4       Welche Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bestehen für die Einführung von Open Government?........................................................21 2.4.1        Erfolgsfaktoren für die Einführung von Open Government..................21 2.4.2        Herausforderungen für die Einführung von Open Government...........28 2.4.3        Erfahrungen und Lehren aus der Umsetzung des Open Government Grundsatzes „Open by Default“ (Standardmäßig offene Daten)...................................................................................... 33 2.4.4        Erfahrungen und Lehren aus der Umsetzung des Open- Government-Grundsatzes „Release to one - release to all“ (Veröffentlichung aller erteilten Auskünfte)........................................35 3    Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen..............................................37 4    Quellenangaben.................................................................................................. 39 2
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Anhang B: Policy-Transfer Studie 1 Einleitung 1.1 Auftrag Ziel der vorliegenden Studie ist es, Vorschläge zu unterbreiten, wie erkannte Defizite in der Umsetzung des Umweltinformationsgesetzes (UIG) behoben, Konflikte entschärft und der Zugang zu Umweltinformationen künftig verbessert werden können. Für die sich aus der empirischen Erhebung abzeichnenden Schwachstellen im Vollzug des UIG und für die als kritisch zu bewertenden Folgen sollen Lehren aus guter Regierungs- und Verwaltungspraxis anderer Länder gezogen werden, um Politikempfehlungen zur Hebung von Optimierungspotenzialen zu entwickeln. 1.2 Hintergrund: Die steuerungspolitischen Ziele des UIG Wie in der Vorstudie dieses Forschungsprojektes zur Evaluation des UIG (Schomerus et al., S. 7-8) ausgeführt, verfolgen die Aarhus Konvention (Übereinkommen der Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten) und die zugehörige Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen bzw. das UIG als rechtliche Umsetzung in Deutschland die übergeordneten steuerungspolitischen Ziele, durch Zugang zu Umweltinformationen für die Öffentlichkeit mittelbar mehr Umweltschutz, demokratische Mitbestimmung und die Förderung eines transparenteren Verwaltungshandelns zu erreichen: „Die Konvention folgt der Logik, dass nur die Kombination von drei verschiedenen Elementen der Öffentlichkeitsbeteiligung – nämlich 1 dem Informationszugang, der Öffentlichkeitsbeteiligung in Entscheidungsverfahren und dem Zugang zu Gericht – den Individuen ausreichend gewährleistet, in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben und ihrer Pflicht nachzukommen, die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern. Sie verknüpft damit 2 Umwelt- und Menschenrechtsschutz miteinander.             3 […] So soll – unter anderem – der Umweltinformationszugang dazu dienen, die Umsetzung von Umweltentscheidungen zu verbessern, das öffentliche Bewusstsein in Umweltangelegenheiten zu schärfen und das Verhältnis der Öffentlichkeit und der Behörden positiv zu beeinflussen: Der Öffentlichkeit wird durch den Umweltinformationszugang ermöglicht, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen und den Behörden, diese Anliegen angemessen zu berücksichtigen. So soll die  4 Verantwortlichkeit und Transparenz in Entscheidungsverfahren gefördert und die öffentliche Unterstützung für Entscheidungen über die Umwelt gestärkt werden. Schließlich wird damit insgesamt 5 angestrebt, die Transparenz in allen Bereichen der öffentlichen 1 Vgl. Aarhus Convention Implementation Guide, 2nd edition, S. 30. 2 Aarhus-Konvention, Präambel, Erwägungsgründe Nr. 6 und 7 und Art. 1 AK. 3 Aarhus-Convention Implementation Guide, 2nd edition, S. 3, 9, 15. 4 Aarhus-Konvention, Präambel, Erwägungsgrund Nr. 8. 5 Aarhus-Konvention, Präambel, Erwägungsgrund Nr. 9. 3
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Anhang B: Policy-Transfer Studie Verwaltung und damit die Demokratie selbst zu stärken – quasi 6                              7 indem durch den Umweltbereich ein Vorbild für die öffentliche Verwaltung insgesamt gesetzt wird.“ (ibid.) Die Vorstudie führt weiter aus, dass die Erreichung dieser steuerungspolitischen Ziele des UIG an Voraussetzungen gebunden ist. So benötigen die Akteure (Verwaltungen, Bürger*innen, Umweltverbände, Medien etc.) ausreichend Kenntnis und Wissen über die Existenz und die Reichweite des UIG und über das Vorgehen bei der Antragstellung eines UIG-Antrags. Weiterhin ist eine proaktive Haltung der öffentlichen und privaten auskunftspflichtigen Stellen in Hinblick auf den Zugang und die Verbreitung von Umweltinformationen erforderlich: „Nach Art. 4 AK soll der passive Zugang zu Informationen über die Umwelt ohne den Nachweis eines Interesses, in der vom Antragssteller erwünschten Form, innerhalb eines Monats oder maximal zwei Monate nach Antragsstellung gewährt werden, es sei denn einer der abschließenden Ablehnungsgründe des Art. 4 Abs. 3 und 4 AK greift ausnahmsweise ein; und das öffentliche Interesse an der Ablehnung überwiegt nicht. Zudem haben die Behörden den Antragssteller bei der Wahl der zuständigen Behörde zu unterstützen, nicht von einem Ablehnungsgrund betroffene Daten eines Antrages möglichst auszusondern, Ablehnungen des Informationszugangs zu begründen und etwaige Gebühren nur in angemessenem Umfang zu erheben. Gemäß Art. 5 AK soll schließlich der kostenfreie aktive Zugang zu Umweltinformationen gewährleistet werden, indem die Behörden zunächst die internen Voraussetzungen dafür schaffen, über die Informationen zu verfügen, die für sie relevant sind und diese in transparenter Art und Weise zur Verfügung stellen und allgemein zugänglich machen. Dabei sollen insbesondere elektronische Datenbanken genutzt werden und ein landesweit einheitliches System von Verzeichnissen und Datenbanken erstellt werden. Bestimmte in Art. 5 Abs. 4 bis 8 AK genannte Umweltinformationen sind dabei stets zu veröffentlichen. Schließlich sind im Fall einer bevorstehenden, durch menschliche Tätigkeiten oder natürliche Ursachen hervorgerufenen Gefahr unverzüglich alle diesbezüglichen Umweltdaten zu übermitteln.“ (Schomerus et al., S. 8-9) Zivilgesellschaftliche Akteure sollen die Behörden bei der Umsetzung des UIG unterstützen, kontrollieren und entlasten: „als Vollzugshelfer für Umweltbehörden bei der Überwachung der Umsetzung von Umweltstandards – instrumentelle Rolle für die vollziehende Verwaltungstätigkeit staatlicher Behörden; als Kontrollinstanz der Vollzugstätigkeit der Behörden – sanktionierende Rolle für vollziehende Verwaltungstätigkeit staatlicher Behörden; als Verhandlungspartner in nicht-hierarchischen Verhandlungsarenen bei Interessenkonflikten mit anderen Stakeholdern - entlastende Rolle für staatliche Behörden.“ (ibid., S. 18) 6 Aarhus-Konvention, Präambel, Erwägungsgrund Nr. 10. 7 Aarhus-Konvention, Präambel, Erwägungsgrund Nr. 11. 4
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Anhang B: Policy-Transfer Studie 1.3 Identifizierte Herausforderungen (exemplarische Auswahl) In der empirischen Untersuchung und auf der Tagung „Die Praxis und aktuelle rechtliche Fragen des Umweltinformationsrechts“ (22./23.02.2018) wurden verschiedene Herausforderungen und Defizite für die Erreichung der steuerungspolitischen Ziele des UIG identifiziert, von denen exemplarisch einige im Folgenden genannt werden: ► Teilweise mangelt es in der Öffentlichkeit an Kenntnis und Wissen über das UIG. Bei den befragten Akteurs-Gruppen zeigte sich beispielsweise das folgende Bild: Die Mitarbeiter*innen der Naturschutz- und Umweltverbände, die im Erhebungszeitraum keine UIG Anfrage gestellt haben, gaben zu einem großen Teil an, dass dies auf Unkenntnis über die Möglichkeit zur Informationserlangung über das UIG zurückzuführen sei. Bei den privaten             8 Antragssteller*innen war die überwiegende Anzahl, die während des Erhebungszeitraumes keine UIG Anträge gestellt hatte, in Unkenntnis über die Möglichkeit zur Informationserlangung über das UIG. ► Ein Teil der Behördenmitarbeiter*innen äußert Überforderung aufgrund von Arbeitsüberlastung bei der Bearbeitung von UIG Anträgen.                               9 ► Die Herausforderungen bei der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen lassen sich bspw. wie folgt zusammenfassen: Der quantitative Umfang von verbreiteten Umweltinformationen ist enorm: Allein das Umweltbundesamt betreibt bspw. ca. 20 unterschiedliche Internetpräsenzen zu verschiedenen umweltrelevanten Themenbereichen. Die Form der Verbreitung erfasst dabei sowohl Printerzeugnisse wie auch Veranstaltungen, Social Media und Broschüren. Von den an der Umfrage teilnehmenden Behörden wurde dabei die Verbreitung 10 über die Internetpräsenzen als das häufigste Verbreitungsmedium angegeben. Die in die Evaluation einbezogenen 423 Bundesbehörden verfügen im absoluten Regelfall über (mindestens) eine eigene Internetpräsenz, die auch Umweltinformationen enthalten kann. Allerdings existiert keine zentrale Plattform, welche diese Informationen zusammenführt und auch keine Suchmaschine, welche die einzelnen Umweltinformationen zielgerichtet durchsucht. Es existiert auch kein Bundesverzeichnis, welches die verschiedenen Umweltinformationsangebote - online oder print - der Behörden auflistet und für Nutzer*innen erfassbar macht. Die an der Umfrage teilnehmenden Behörden führen Verzeichnisse über verbreitete Umweltinformationen Ihrer Behörden 11 zudem nur in wenigen Ausnahmefällen. Die Auswahl der zu verbreitenden Informationen erfolgt nicht nach einer vereinheitlichten Strategie, welche von 8 Auf die Frage „Was sind die Gründe, dass von Ihnen im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 1. Juli 2017 keine UIG-Anträge gestellt wurden? bejahten aus der Gruppe der Naturschutzvereinigungen (16 Teilnehmer*innen) 6, dass dies aus Unkenntnis über die Möglichkeit der Informationserlangung über das UIG geschehen sei. Aus der Gruppe der der Privaten Nutzer*innen bejahten dies aus einer Teilnehmer*innenzahl von 40, 28 Teilnehmer*innen. 9 Auf die Frage „In welchem Verhältnis steht der Arbeitsaufwand zur Bearbeitung von Anfragen, die in den Anwendungsbereich des UIG fallen, zu den Personalressourcen Ihrer Behörde“ beantworteten aus einer Teilnehmer*innenzahl von 44 Behördenmitarbeiter*innen 13 auf die Antwortoption, dass „Existierende Personalressourcen ausreihend sind, weil kaum zusätzlicher Arbeitsaufwand durch die Bearbeitung von UIG Anfragen auftritt mit „nein.“ 10 Auf die Frage „Welche Formen der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen verfolgt Ihre Behörde? Bitte machen Sie aus technischen Gründen Angaben zu allen möglichen Antwortoptionen“ wurde die Informationsbereitstellung über die Internetseite der Behörde von 21 Behörden als Form der Verbreitung angegeben, gefolgt von Broschüren (16 Behörden). Allerdings gab nur die Hälfte der in der Umfrage befragten Verwaltungen an, dass sie überhaupt Umweltinformationen aktiv auf ihrer Webseite bereitstellen. 5
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Anhang B: Policy-Transfer Studie einer Behörde koordiniert wird. Auch innerhalb der Behörden existieren ebenfalls nur in einer Minderheit der an der Umfrage teilnehmenden Behörden Standards 12 und Richtlinien, welche Informationen verbreitet werden sollen, ebenso wie zentrale Organisationseinheiten in den Behörden, die für die Verbreitung der 13 Informationen zuständig sind. 1.4 Möglicher Lösungsansatz: Stärkung von Open- Government-Ansätzen In der vorliegenden Studie wird untersucht, inwiefern die Stärkung von übergreifenden Open-Government- bzw. Open-Data-Ansätzen einen Lösungsansatz darstellt, um bestehende Herausforderungen für die Erreichung der steuerungspolitischen Ziele des UIG zu adressieren. Die Grundidee von Open Government, die Öffentlichkeit durch Politik- und Verwaltungstransparenz umfassend zu informieren und dadurch zu befähigen, sich politisch einzubringen, ist ganz im Sinne der steuerungspolitischen Ziele der Aarhus- Konvention und des Umweltinformationsgesetzes (UIG). Die Aarhus-Konvention und Open-Government-Ansätze ähneln sich auch in ihren Umsetzungsformen des passiven 14 (Auskunft) und aktiven Zugangs (Verbreitung) . Die Studie möchte damit für die verbesserte Umsetzung der Zielvorgaben des UIG auch aktuelle Entwicklungen, die der Verabschiedung des UIG nachfolgten, berücksichtigen und für die Implementierung der Umsetzungsziele des UIG fruchtbar machen. Die Unterschiedlichkeit der exemplarisch identifizierten Herausforderungen für die Umsetzung der Zielvorgaben des UIG (s. Kapitel 1.3) spricht dafür, dass eine nähere Untersuchung der durch den Open Governement angestrebten systematischen Öffnung der Verwaltungen nach außen anstelle von punktuellen Korrekturen in den internen Prozessabläufen einen besonders zukunftsträchtigen Ansatz zur verbesserten Umsetzung der Zielvorgaben des UIG in Deutschland versprechen kann. Die Vorstudie weist bereits auf die Sinnhaftigkeit hin, Ansätze offener Verwaltungsdaten und der Verbreitung von Umweltinformationen integriert zu denken und zu realisieren: „Sachlich ist § 10 UIG ein Vorläufer zum Open-Data-Prinzip, der sich in der Zielsetzung, den zu veröffentlichenden Daten, Hinderungs- bzw. Ausnahmegründen und anderem überschneidet. Es darf vermutet werden, dass auch viele Umweltbehörden dazu gehören, wenn der Gesetzentwurf formuliert, dass die überwiegende Mehrzahl der Bundesbehörden mit der Umsetzung einer Open-Data-Strategie noch nicht begonnen und deshalb keinerlei Erfahrung in diesem Bereich hat. 11 Auf die Frage: Erfolgt im Rahmen der Verbreitung der Umweltinformationen Ihrer Behörde eine Veröffentlichung von Verzeichnissen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UIG über verfügbare Umweltinformationen? antworteten von den 44 teilnehmenden Behörden nur 3 Behörden mit „ja“, 41 Behörden verneinten dies. 12 Auf die Frage: Gibt es behördeninterne Standards/Richtlinien wie und welche Umweltinformationen gemäß § 10 Abs. 1 UIG verbreitet werden sollen? antworteten nur fünf der 44 teilnehmenden Behörden mit „ja“, 39 verneinten dies. 13 Auf die Frage „Wer ist für die aktive Verbreitung von Umweltinformationen gemäß § 10 UIG in Ihrer Behörde zuständig?“ wurde geantwortet, dass nur in fünf der 44 teilnehmenden Behörden eine zentrale Auskunftsperson existiert und in 9 der teilnehmenden eine zentrale Stelle, welche für die aktive Verbreitung von Umweltinformationen zuständig ist. 14 s. Kapitel 1.2. 6
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Anhang B: Policy-Transfer Studie Wenn § 10 UIG erfordert, bearbeitete Daten zu verbreiten, sollte dies nicht unabgestimmt zum Open-Data-Prinzip erfolgen, um wiederum Widersprüche in der aktiven Bereitstellung behördlichen Daten und Informationen entstehen zu lassen. Die Kerngrundsätze des Open- Data-Prinzips wie strukturierter Datenzugang, Erschließung über Metadaten, Nutzung anhand einer offenen Lizenz kommen auch den Zielen der Verbreitung von Umweltinformationen zugute. Insofern ist ein gemeinsamer Aufbau von Open Data und Verbreitung von Umweltinformationen naheliegend.“              15 Dieser Ansatz wird durch die Literatur zu Open Government unterstützt. Dies wird insbesondere deutlich in Bezug auf die Ausführungen zu den Herausforderungen zur Umsetzung einer proaktiven Informationspolitik: Danach sei ein Wandel in der deutschen Verwaltungskultur mit ihrer „historisch gewachsenen, von Hierarchie und Regeln geprägten Verwaltungstradition“ erforderlich. Die Autor*innen zeigen auf, 16 dass die legalistische Verankerung des Verwaltungshandelns in Deutschland mit einem reaktiv funktionierenden Rechtsregime „nicht zu einem Impuls der proaktiven Bereitstellung“ von Informationen und Daten führe. 17                                                18 Die nationalen Aktionspläne zur Umsetzung der G8 Open-Data-Charta (2014) und zur Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP) 2017-19 verweisen ebenfalls auf die Notwendigkeit eines Kulturwandels innerhalb der Verwaltungen: „Mit Blick auf traditionelle Verwaltungsstrukturen bedarf es eines weiter voranschreitenden Wandels im Denken und Handeln, um den Prinzipien eines offenen, transparenten Staates zu genügen.“                   19 Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass aufgrund der zunehmenden Anzahl und Komplexität gesellschaftlicher Herausforderungen neue Konzepte zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Handlungsfähigkeit öffentlicher Stellen notwendig sind. Insbesondere in Deutschland würden diese aber bisher vor allem „in der (internen) Optimierung von Prozessen im Sinne der Verbesserung der Ablauforganisation und weniger in der nachhaltigen Ausweitung auf Dritte außerhalb der eigenen Organisation gesucht.“                20 15 Klessmann, Denker, Schiederdecker, Schulz (2012): Open Government Data Deutschland. Eine Studie zu Open Government in Deutschland im Auftrag des Bundesministerium des Innern. Berlin, https://www.verwaltung- innovativ.de/SharedDocs/Publikationen/eGovernment/open_government_data_deutschland_langfassung.pdf? __blob=publicationFile&v=5 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 55. 16 Klessmann, Denker, Schiederdecker, Schulz (2012): Open Government Data Deutschland. Eine Studie zu Open Government in Deutschland im Auftrag des Bundesministerium des Innern. Berlin, https://www.verwaltung- innovativ.de/SharedDocs/Publikationen/eGovernment/open_government_data_deutschland_langfassung.pdf? __blob=publicationFile&v=5 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 327. 17 ibid., S. 155 18 Kuhlmann und Wollmann (2013) erläutern die Unterschiede zwischen der anglo-amerikanischen Civic-Culture- Verwaltungstradition und der legalistischen Verwaltungskultur in Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern. So ist für das kontinentaleuropäische Verwaltungsverständnis die Trennung zwischen öffentlicher und privater Rechtssphäre wesentlich. Im Gegensatz dazu ist die anglo-amerikanische Verwaltung durch ein instrumentelles Staatsverständnis geprägt, die kaum zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre unterscheide (ibid., S. 27). Kuhlmann und Wollmann erklären, dass in anglo-amerikanischen Gesellschaften „Konzept und Ideentransfer zwischen öffentlicher und gesellschaftlich-marktlicher Sphäre reibungsloser [ist], so dass beispielsweise managerielle Handlungsprinzipien des New Public Management (NPM) tief in der Verwaltungskultur verankert sind.“ (ibid.). In kontinentaleuropäischen Verwaltungen versteht sich Verwaltungshandeln hingegen „zu allererst [als] Gesetzesvollzug im Wege der Rechtskonkretisierung“ (ibid.). 19 Die Bundesregierung (2017): Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP). Erster Nationaler Aktionsplan 2017-2019. Grundsteine für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln. Berlin, https://www.opengovpartnership.org/sites/default/files/Germany_NAP_2017-2019_DE.pdf (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 3. 20 Kuhlmann, S.; Wollmann, H. (2013): Verwaltung und Verwaltungsreformen in Europa. Einführung in die vergleichende Verwaltungswissenschaft. Wiesbaden: Springer VS (Grundwissen Politik, 51), http://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-00173-5 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 30. 7
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Anhang B: Policy-Transfer Studie 1.5 Zielsetzung und Fragestellungen der Policy-Transfer Studie Die vorliegende Studie verfolgt das Ziel, aus internationalen und subnationalen (Bundesländer) good-practice-Beispielen Lehren für die Förderung und Umsetzung von Open Government und Umweltinformationsgesetzen in Deutschland zu ziehen. Dabei zielt die Studie darauf ab folgende Fragestellungen zu beantworten: ► Welche Open-Government-Ansätze nutzen andere Staaten (bzw. Bundesländer) zur Umsetzung von Informationsfreiheitsregelungen? ► Welche Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bestehen in Vorreiter(- bundes-)ländern für die Umsetzung von Open Government? ► Welche Lehren können aus der Umsetzung von Open Government in anderen (Bundes-)Ländern für die identifizierten Herausforderungen in der Umsetzung des Umweltinformationsgesetzes in Deutschland gezogen werden? Ein besonderer Fokus wird dabei auf Erfahrungen zur Umsetzung der beiden Open- Government-Grundprinzipien „Open by Default“ und „Release to one - release to all“ gelegt. Die Implementierung dieser beiden Grundprinzipien wird unter anderem in den zivilgesellschaftlichen Empfehlungen des Arbeitskreises Open 21 Government Partnership Deutschland gefordert. Das Open-by-Default-Prinzip ist der erste der fünf Grundsätze der Open-Data- Charta der G8. Es beschreibt den Grundsatz, dass Daten und Informationen aller 22 öffentlichen Verwaltungen standardmäßig offen und zur freien Nutzung zur Verfügung gestellt werden, wobei bestehendes Recht zum Schutz der 23 Privatsphäre, geistigen Eigentums und anderer sensibler Daten eingehalten wird. Das Open-by-Default-Prinzip wird (neben der Verfolgung steuerungspolitischer Ziele 24 wie der Stärkung von Transparenz und Demokratie ) dadurch begründet, dass Daten öffentlicher Verwaltungen im Auftrag der Bürger*innen erhoben (und durch sie finanziert) werden. Bürger*innen sollten daher auch die Möglichkeit haben, auf die 25 Daten zuzugreifen und diese zu nutzen. Das „Release to one - release to all“-Prinzip beschreibt den Grundsatz, dass alle Informationen und Daten der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, die eine 21 Arbeitskreis Open Government Partnership Deutschland (2017): Zivilgesellschaftliche Empfehlungen für den nationalen Aktionsplan Open Government Partnership. Grundlagenpapier für die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen der Open Government Partnership (OGP) mit inhaltlichen Empfehlungen der Zivilgesellschaft für den ersten nationalen Aktionsplan der Bundesregierung 2017-19. Berlin, https://opengovpartnership.de/files/2017/05/170323_Zivilgesellschaftliche_Empfehlungen_NAP_OGP.pdf (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 21. 22 https://www.gov.uk/government/publications/open-data-charter/g8-open-data-charter-and-technical- annex#principle-1-open-data-by-default (letzter Zugriff am 25.09.2018). 23 Kuzev (2016): Open Data. Die wichtigsten Fakten zu offenen Daten. Hg. v. Konrad Adenauer Stiftung. Berlin, http:// www.kas.de/wf/doc/kas_44530-544-1-30.pdf?160315122244 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S.4; Klessmann, Denker, Schiederdecker, Schulz (2012): Open Government Data Deutschland. Eine Studie zu Open Government in Deutschland im Auftrag des Bundesministerium des Innern. Berlin, https://www.verwaltung-innovativ.de/SharedDocs/ Publikationen/eGovernment/open_government_data_deutschland_langfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 53. 24 s. Kapitel 1.2. 25 Wangermann (Hg.) (2016): Open Data aus internationaler Perspektive. Länderberichte aus Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Japan, Österreich, den Philippinen, Polen und den USA zum Stand von Open Data. Sankt Augustin, Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V (Eine Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V), http://www.kas.de/wf/doc/kas_45742-544-1-30.pdf?160630133043 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 6 8
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Anhang B: Policy-Transfer Studie 26 einzelne Person bei einer Informationsfreiheitsanfrage erhält. Die Grundidee hinter dem „Release to one - release to all“-Prinzip ist es, durch die aktive Veröffentlichung von einmal nachgefragten Informationen die Notwendigkeit weiterer Anfragen zu vermeiden. Das Prinzip ist damit eine Antwort auf Ineffizienzen, die daraus resultieren können, dass auskunftspflichtige Stellen bei wiederholten Anfragen mehrfach dieselben Informationen herausgeben müssen und soll sowohl Anfrager*innen als auch auskunftspflichtige Stellen entlasten. 1.6 Methodisches Vorgehen Die Studie basiert auf einer Literatur- und Dokumentenanalyse. Es wurden diverse deutschsprachige und internationale wissenschaftliche Publikationen ausgewertet. Weiterhin wurden Evaluationen und nationale Umsetzungsberichte zur Aarhus-Konvention, nationale und subnationale Open-Government-Aktionspläne, Handbücher sowie Gesetzestexte und -kommentare analysiert. Die Analyse erfolgt in drei Grundschritten: ► Identifizierung von Vorreiterländern bzw. -bundesländern in der Umsetzung von Open-Government-Ansätzen, Fokus auf die Grundsätze „Open by Default“ und “Release to one - Release to all” ► Analyse der Umsetzungsprozesse und der politischen und gesellschaftlichen Erfolgsfaktoren und Herausforderungen für die Umsetzung von Open Government in den Vorreiter(-bundes-)ländern ► Schlussfolgerungen für die Umsetzung von Open Government in Deutschland und Formulierung von Handlungsempfehlungen In Politiktransferprozessen ist dabei generell zu beachten, dass eine 1:1- Übertragung von good-practice-Maßnahmen aus anderen (Bundes-)Ländern aufgrund der unterschiedlichen Kontextbedingungen (u. a. Politik- und Verwaltungssysteme, -strukturen und -kulturen, zur Verfügung stehende finanzielle und personelle Ressourcen, etc.) in der Regel weder umsetzbar noch sinnvoll ist. Dennoch können wichtige Lehren aus anderen Kontexten darüber gezogen werden, welche politischen, rechtlichen oder institutionellen Bedingungen und Prozesse die erfolgreiche Umsetzung von Open-Government-Strategien in anderen 27 Ländern begünstigt oder auch erschwert haben. 26 Krabina; Lutz (2016): Open-Government-Vorgehensmodell. Umsetzung von Open Government. Version 3.0. Wien, http://www.kdz.eu/de/open-government-vorgehensmodell (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 18. 27 vgl. Rose (1993): Lesson-drawing in public policy. A guide to learning across time and space. Chatham, N.J: Chatham House Publishers; Tews (2008): Vom Erfolg anderer lernen. Policy-Transfer und seine Voraussetzungen. In: C. (Ed.) Fischer (Hg.): Stromsparen im Haushalt. Trends, Einsparpotenziale und neue Instrumente für eine nachhaltige Energiewirtschaft, S. 79–89. 9
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Anhang B: Policy-Transfer Studie 2 Open Government: Lehren aus anderen (Bundes-)Ländern Nach einer Begriffsbestimmung stellt das folgende Kapitel den aktuellen Stand der Umsetzung von Open Government in Deutschland vor und zeigt dann auf, welche Lehren aus guter Praxis in anderen (Bundes-)Ländern gezogen werden können, um die Umsetzung in Deutschland weiter zu beschleunigen bzw. zu optimieren. 2.1 Begriffsbestimmung: Was heißt Open Government? Open Government beschreibt den „Prozess der Öffnung von Regierungs- und Verwaltungshandeln“ gegenüber der Öffentlichkeit durch eine „umfassende 28 Neugestaltung von Politik- und Verwaltungshandeln im Sinne eines modernen Public Managements bzw. von Public Governance“ . Typischerweise wird Open 29 Government als Dreischritt aus Transparenz, Partizipation und Kooperation 30 dargestellt. Im ersten Nationalen Aktionsplan 2017-2019 zur Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP) definiert die Bundesregierung Open Government entsprechend als „offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln, insbesondere durch Transparenz (z.B. über Verfahren und Entscheidungen, sowie den Zugang zu Informationen), Partizipation (z.B. Bürgerdialoge, Konsultationen) und Zusammenarbeit (z.B. zwischen Regierung und Nicht-Regierungsorganisationen, sowie ressort- und Ebenen übergreifend).“                              31 Der erste Schritt „Transparenz“ umfasst den Themenkomplex, der auch als Open Data bzw. Open Government Data bezeichnet wird. Barnickel und Klessmann weisen darauf hin, dass keine einheitliche Definition von Open Government Data existiert und ziehen Lucke und Geigers Definition des deutschen Begriffes der 32 „Offenen Verwaltungsdaten“‘ heran: „Offene Verwaltungsdaten sind jene Datenbestände des öffentlichen Sektors, die von Staat und Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit ohne jedwede Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung frei zugänglich gemacht werden“         33 Open (Government) Data zielt darauf ab, das Handeln von Politik und Verwaltung nachvollziehbarer zu gestalten und es der Öffentlichkeit zu ermöglichen, Regierungs- und Verwaltungsaktivitäten zu kontrollieren und selbst aktiv 28 Kuzev (2016): Open Data. Die wichtigsten Fakten zu offenen Daten. Hg. v. Konrad Adenauer Stiftung. Berlin, http:// www.kas.de/wf/doc/kas_44530-544-1-30.pdf?160315122244 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 2. 29 Krabina; Lutz (2016): Open-Government-Vorgehensmodell. Umsetzung von Open Government. Version 3.0. Wien, http://www.kdz.eu/de/open-government-vorgehensmodell (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 4. 30 ibid., Klessmann, Denker, Schiederdecker, Schulz (2012): Open Government Data Deutschland. Eine Studie zu Open Government in Deutschland im Auftrag des Bundesministerium des Innern. Berlin, https://www.verwaltung- innovativ.de/SharedDocs/Publikationen/eGovernment/open_government_data_deutschland_langfassung.pdf? __blob=publicationFile&v=5 (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 26-27. 31 Die Bundesregierung (2017): Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP). Erster Nationaler Aktionsplan 2017-2019. Grundsteine für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln. Berlin, https://www.opengovpartnership.org/sites/default/files/Germany_NAP_2017-2019_DE.pdf (letzter Zugriff am 25.09.2018), S. 4. 32 Barnickel, Klessmann (2012): Open Data – Am Beispiel von Informationen des öffentlichen Sektors. In: Herb (Hg.): Open Initiatives: Offenheit in der digitalen Welt und Wissenschaft. Saarbrücken, S. 127–158. 33 Lucke, Geiger (2010): Open Government Data - Frei verfügbare Daten des öffentlichen Sektors (Gutachten für die Deutsche Telekom AG zur T-City Friedrichshafen). Friedrichshafen, S. 6, zitiert in: Barnickel, Klessmann (2012): Open Data – Am Beispiel von Informationen des öffentlichen Sektors. In: Herb (Hg.): Open Initiatives: Offenheit in der digitalen Welt und Wissenschaft. Saarbrücken, S. 130. 10
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