Forderung der Vorlage von Mietbescheinigungen beim Jobcenter Märkischer Kreis
Das Bundessozialgericht hat bereits in seiner Entscheidung B 14 AS 65/11 R vom 25.01.2012 eine Feststellungsklage zum Thema Sozialdatenmissbrauch als begründet zugelassen. Die Richter führen in der Urteilsbegründung aus:
„Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ist § 35 Abs 1 Satz 1 SGB I, der lautet: „Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs 1 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis)." Die Vorschrift gilt ebenso wie für alle anderen Sozialleistungsbereiche auch für das SGB II (§ 37 Satz 1, 2 SGB I).“
Ausdrücklich verweisen die Richter auf die Freiwilligkeit, wenn über das zwingend erforderliche Maß hinaus weiterführende Informationen eingefordert werden.
„Denn die Verarbeitung von Sozialdaten ist nur zulässig, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder soweit der Betroffene eingewilligt hat (§ 67b Abs 1 Satz 1 SGB X). Die Norm ist ein typisches "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" (Bieresborn in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 67a RdNr 3; Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Loseblatt, Stand Dezember 2011, § 67a RdNr 1 ff; Stähler in Krahmer, Sozialdatenschutz nach dem SGB I und X, 3. Aufl 2011, § 67b SGB X RdNr 5).“
Gemäß § 67a Abs 2 SGB X gilt: „Sozialdaten sind beim Betroffenen zu erheben.“
Die wenigen Ausnahmen werden im Gesetz näher bestimmt.
„Schon aus dem Wortlaut der Norm folgt der Vorrang der Datenerhebung beim Betroffenen und eine Datenerhebung bei anderen Personen und Stellen als Ausnahme (vgl "nur" in Satz 2). Hintergrund für die Regelung ist das sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergebende Prinzip, dass der Betroffene "Herr seiner Daten" bleiben soll und entsprechend dem Grundsatz der Transparenz in der Regel keine Datenerhebung und -übermittlung hinter seinem Rücken erfolgen soll (BVerfGE 65, 1, 43 f; Bieresborn in von Wulffen, SGB X, § 67a RdNr 6 f; Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, § 67a RdNr 64 ff; vgl auch die vorliegend einschlägige Pflicht, den Betroffenen über eine Datenerhebung bei einer nicht in § 35 SGB I genannten Stelle im Regelfall zu unterrichten nach § 67a Abs 5 SGB X).“
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=152514&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Die für die Berechnung der Kosten der Unterkunft erforderlichen Daten sind alle in Mietverträgen einzusehen. Die abschließenden Heizkosten ergeben sich aus den Jahresabrechnungen der Energieversorger.
Trotzdem fordert das Jobcenter Märkischer Kreis bis heute von allen Ihren Kunden die Vorlage einer zusätzlichen Mietbescheinigung des jeweiligen Vermieters (s. Muster)
http://www.beispielklagen.de/IFG042/Mietbescheinigung_ARGE_07_2008.pdf
und zwingt die Erwerbslosen dadurch sich ihren Vermietern als bedürftig zu offenbaren.
1. Bitte benennen Sie mir anhand der von Ihnen verwendeten Mietbescheinigung diejenigen Informationen, die nach Auffassung des Jobcenters Märkischer Kreis für die abschließende Bearbeitung der Bescheide erforderlich sind, die aber in den vorzulegenden Mietverträgen nicht einsehbar sind.
2. Bitte übersenden Sie mir die entsprechende Dienstanweisung, nach der Ihre Mitarbeiter regelmäßig die Mietbescheinigung einfordern sollen.
3. Bitte benennen Sie mir die Rechtsgrundlage auf der Sie die Antragsbearbeitung von der Vorlage der Mietbescheinigung abhängig machen.
Ergebnis der Anfrage
Die Anfrage vom 01.11.2014 wurde am 18.01.2016 beantwortet.
Die gesetzliche Pflicht zur Beantwortung war bereits am 04.12.2014 abgelaufen.
Nach der 4. Erinnerung erfolgte am 22.03.2015 eine Eingangsbestätigung.
Erst nachdem der Fragesteller am 10.12.2015 Klage auf Beantwortung dieser IFG-Anfrage beim zuständigen Verwaltungsgericht Arnsberg eingereicht hatte und das Verwaltungsgericht die Geschäftsführung des Jobcenter Märkischer Kreis zur Stellungnahme aufgefordert hatte, kam das Jobcenter dem Informationsfreiheitsgesetz endlich nach.
Der Grund der Verweigerungsabsicht liegt in der Antwort. Die Vorlage von Mietbescheinigungen beim Jobcenter Märkischer Kreis sind unnötig und verstoßen gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit (Bundesdatenschutzgesetz § 3a).
In der Antwort heißt es:
"Zu Punkt 1) wird mitgeteilt, dass in der Mietbescheinigung vermerkt wird, wie die Warmwasseraufbereitung in der Wohnung erfolgt. In Mietverträgen ist diese Angabe nicht zwingend enthalten. Nur wenn diese Information vorliegt, kann entschieden werden, ob ein Mehrbedarf nach § 21 Absatz 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt werden kann.
Nun, die Antwort kann jeder Kunde beantworten, wenn er die sanitären Anlagen in der Wohnung ansieht. Diese Einzelinformation rechtfertigt es nicht, den Vermieter auf die Abhängigkeit von einer Sozialbehörde hinweisen zu müssen.
Die Forderung der Vorlage von Mietbescheinigungen stellt somit eine Verletzung des Datenschutzes dar.
Anfrage erfolgreich
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Datum1. November 2014
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5. Dezember 2014
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