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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Gutachten zu Rissen in Dampferzeugerheizrohren des AKW Neckarwestheim“
Prof. Dr. A. Erhard Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Leiter des Referats 33 Kernerplatz 9 70182 Stuttgart Berlin, 12.07.2020 Verteiler UM BW TÜV Nord █████ ███████████████ Gutachten Nachweise zur Integrität der Dampferzeuger-Heizrohre ME 04/2018 „Lineare Anzeigen an Dampferzeugerheizrohren“ im GKN II Ich versichere, dass die Bewertung der Nachweiskonzepte zur Integrität der Dampferzeuger- Heizrohre im GKN II zum ME04/2018 unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen von mir erstellt wurde. Prof. Dr. A. Erhard Er_2020_GKNII_2 Seite 1 | 18
Prof. Dr. A. Erhard Inhaltsverzeichnis 1. Anlass .............................................................................................................................................. 3 2. Bemerkungen zu den ZfP Verfahren für die Dampferzeuger-Heizrohrprüfung ................................. 3 3. Bewertung der Aussagen im Bericht von Herrn Prof Mertins ........................................................... 5 3.1 Bedeutung intakter DE-Heizrohre .......................................................................................................... 5 3.2 Besondere Bedeutung der Spannungsrisskorrosion unter Sicherheitsaspekten..................................... 7 3.3 Auslegungsstörfall und auslegungsüberschreitender Störfall .............................................................. 10 3.4 Sicht der Reaktorsicherheitskommission ............................................................................................. 11 4. Zusammenfassung der Bewertung ................................................................................................. 12 5. Verwendete Unterlagen................................................................................................................. 15 6. Literatur ......................................................................................................................................... 15 Anlage 1: Auflistung der in /U 2/, Kapitel 3, aufgelisteten Spiegelpunkte nach PhB ................................... 17 Er_2020_GKNII_2 Seite 2 | 18
Prof. Dr. A. Erhard 1. Anlass Im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg vom 24.06.2020 werden die im Bericht von Prof. Mertins vom Juni 2020 „Bewertung zu Schä- den durch Spannungsrisskorrosion an Dampferzeuger-Heizrohren im KKW Neckarwestheim 2 (GKN-II)“ /Mer/, dargestellten Sachverhalte zum Nachweis der Integrität begutachtet. Dabei soll auch bewertet werden, ob bei der vorgelegten Nachweisführung der Stand von Wissen- schaft und Technik berücksichtigt wurde. Basis für die Bewertung sind die in den Jahren 2018 bis 2019 durchgeführten Untersuchungen zu den Schadensmechanismen, zu den betrieblichen Belastungen, den Ergebnissen der zer- störungsfreien Prüfungen sowie die daraus abzuleitenden Maßnahmen für den weiteren Be- trieb. Mit einbezogen werden in die Bewertung die in den Jahren 2018 bis 2019 erstellten Berichte zum meldepflichtigen Ereignis (ME 04/2018) „Lineare Anzeigen an Dampferzeuger- heizrohren“ im Kernkraftwerk GKN II sowie Stellungnahmen der RSK und nationale und inter- nationale Veröffentlichungen zum genannten Themenkomplex. 2. Bemerkungen zu den ZfP Verfahren für die Dampferzeuger-Heizrohrprüfung Zur Einführung in die Thematik werden die Ergebnisse der wiederkehrenden zerstörungsfreien Prüfung (ZfP) der Dampferzeuger mit dem Wirbelstromverfahren bis zum Jahre 2017 wie folgt zusammengefasst: Bis zu diesem Zeitpunkt konnten keine Hinweise aus den ZfP Messergeb- nissen auf linienhafte Anzeigen, verursacht durch Spannungsrisskorrosion (SpRK) im Bereich Prüfumfang 2017: DE10: 100% CL 20% HL, DE20: keine Prüfung, DE30: 20% CL 20% HL, DE40: keine Prüfung Prüfumfang 2018: DE10: 100% CL 100% HL, DE20: 100 CL, 100% HL, DE30: 100% CL 100% HL, DE40: 100% CL 100% HL *) Anzeige mit Array-Sonde detektiert, Anzeigentiefe mit Bobbin-Sonde nicht bestimmbar, was auf eine sehr kleine Anzeigentiefe schließen lässt Bemerkung: Alle Korrosionsbefunde 2017/2018 liegen unterhalb des 1. Abstandshalters (1.AH). Die 20%-Prüfumfänge umfassen die gesamte Heizrohrlänge (Bobbin). Die 100%-Prüfumfänge umfassen die Rohrhöhe bis zum 1.AH (Arraysonde). Tabelle 1: Ergebnisse der Wirbelstromprüfung an den Dampferzeugern 2017 und 2018 Er_2020_GKNII_2 Seite 3 | 18
Prof. Dr. A. Erhard des Rohrbodens, festgestellt werden. Tabelle 1 zeigt, dass auch 2017 in den geprüften Dampf- erzeugern keine linienhaften Anzeigen festgestellt wurden. Die ersten linearen Anzeigen wur- den bei den Wirbelstromprüfungen 2018 festgestellt. Im Jahre 2017 sind an 32 Heizrohren des Dampferzeugers 10 (DE 10) auf der kalten Seite vo- lumenhafte Fehler als Einzelanzeige (Single Volume Indication (SVI) und als Mehrfachanzeige (Multiple Volume Indication (MVI)) nachgewiesen worden, mit einer maximalen Wanddicken- schwächung (WDS) von 60%. Davon wurden 14 verschlossen, wobei 2 der nicht verschlosse- nen Rohre mit Anzeigen von 33% und 36% WDS als Referenzrohre für die Messungen 2018 herangezogen wurden. Somit konnte man bis zum Jahr 2017 davon ausgehen, dass Fehler, z.B. auch verursacht durch SpRK, unterhalb der Nachweisgrenze des ZfP Verfahrens blieben. Für die Bewertung von/Mer/ werden die Ergebnisse der wiederkehrenden zerstörungsfreien Prüfung (ZfP) der Dampferzeuger von 2018 und 2019 diskutiert. Zu diesem Sachverhalt wird in /Mer/ ausgeführt: „Durch Reinigungsmaßnahmen und eine geänderte chemische Fahrweise im Sekundär- kreislauf sollte das Auftreten von Spannungsrisskorrosion reduziert werden (/UM 2018/). Trotz dieser Gegenmaßnahmen wurden dann 2019 weitere 191 DE-Heizrohre mit rissartigen Befunden festgestellt, von denen nach Angaben des Betreibers etwa die Hälfte bei den Untersuchungen 2018 übersehen wurde, und die andere Hälfte im Laufe des neunmonatigen Betriebszyklus 2018/2019 neu hinzugekommen sein soll (/UM 2019/, /RSK 2019/)“. Insbesondere interessieren in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung der Messtech- nik und die Verbesserung der Auswertung der Messdaten. Letzteres hat in Bezug auf die An- zahl der Anzeigen zwischen den Messwertauswertungen im Jahr 2018 und den Nachauswer- tungen dieser Messdaten im Jahr 2019 Änderungen in der Anzahl der Anzeigen ergeben. Die Prüftechnik wurde erweitert durch den Einsatz der Rotier-Sonde (Motorized Rotating Pancake Coil MRPC) und der Ultraschallprüfung mit USAS (Ultraschall Analyse Sonde). Die Ultraschall- prüfung wurde gewählt in Übereinstimmung mit der KTA 3201.4. Dort wird ausgesagt, dass zur Klärung von Anzeigen weitere ZfP-Verfahren mit anderer physikalischer Wechselwirkung als die, die zu mehrdeutigen Anzeigen geführt haben, eingesetzt werden sollen. Der Prüfumfang wurde vom Betreiber für alle 4 Dampferzeuger wie folgt festgelegt: Alle un- verschlossenen Dampferzeuger-Heizrohre werden jeweils auf der heißen und der kalten Seite, mit der Arraysonde im Bereich vom Rohrbodeneintritt bis zum 1. Abstandshalter geprüft. Die Analyse von linearen Anzeigen, die mit der Arraysonde aufgefunden wurden, werden dann mit der MRPC Sonde näher geprüft. Die MPRC Sonde hat eine höhere Auflösung in Axial- als auch in Umfangsrichtung. Damit lässt sich der Charakter der Anzeige, CI (Circumferential Indi- cation, lineare umfangsorientierte Anzeige) oder Volumetric Indication (lokale volumetrische Anzeige), eindeutiger bestimmen. Tabelle 2 zeigt die Prüftechniken, wie sie an den 4 Dampf- erzeugern zum Einsatz kamen. Tabelle 2: Prüfumfang (Anzahl Rohre) der DE-Heizrohrprüfung GKN II in der Revision 2019 Er_2020_GKNII_2 Seite 4 | 18
Prof. Dr. A. Erhard Durch die stetige Weiterentwicklung der Prüftechnik für den Einsatz in der Prüfpraxis, ent- sprechend der Forderung im Atomgesetz (AtG § 7) die nach Stand von Wissenschaft und Tech- nik (W&T) erforderliche Vorsorge gegen Schäden zu gewährleisten, wurden die Verfahren empfindlicher für den Nachweis von Fehlern, deren Charakterisierung und Ortung. Insofern ist es verständlich, dass die Anzahl von nachgewiesenen Anzeigen bei der WKP(n), verglichen mit der WKP(n-1) unterschiedlich sein kann, insbesondere, wenn bei der letzten Prüfung (WKP(n)) eine verbesserte Prüftechnik oder -auswertung zur Anwendung kam. Dies macht die Aus- und Bewertung der Messergebnisse im Vergleich der WKP’s für die Prüfer nicht einfacher, weswegen gerade in diesen Fällen jedes Ergebnis kritisch betrachtet wird. Von Übersehen von Anzeigen zu sprechen, ist fachlich und technisch nicht korrekt. Vielmehr ist es geboten/vom kerntechnischen Regelwerk gefordert, verbesserte Techniken und Methoden auch zu nutzen, wenn sie zur Verfügung stehen. Eine sehr gute Übersicht der ZfP Messergebnisse von 2019 zeigt Tabelle 3 /U1-U2/. In der Tabelle sind die durch Nachauswertung der Wirbelstrom-Messdaten von 2018 mit dem für 2019 optimierten Auswertesystem gefundenen Anzeigen mit aufgeführt. Tabelle 3: Übersicht zu den Anzeigen in den DE GKN II, Revision 2019 3. Bewertung der Aussagen im Bericht von Herrn Prof Mertins In diesem Abschnitt werden die im Bericht /Mer/ gemachten Aussagen bezüglich des Fehler- nachweises und der Integrität der Dampferzeugerheizrohre bewertet. Die Einteilung der Ab- schnitte lehnt sich an die in /Mer/ dargestellte Unterteilung in Abschnitt 1 an. In Absprache mit dem Physikerbüro Bremen (PhB) wurde die Bewertung der in Abschnitt 3 dargestellten Spiegelstriche, die in Anlage 1 aufgelistet sind (vom PhB fortlaufend nummeriert) aufgeteilt. Bewertet werden in diesem Gutachten die Punkte 7, 8 und 10. 3.1 Bedeutung intakter DE-Heizrohre In vielen Berichten und Veröffentlichungen wird auf die Bedeutung von intakten Dampferzeu- ger-Heizrohren hingewiesen, z.B. die RSK in ihren Stellungnahmen /U3, U6/ aus den Jahren 2010 und 2012 Dampferzeuger-Heizrohre sind Bestandteil der Druckführenden Umschließung (DFU) und sind somit sicherheitstechnisch relevant. Dies bedeutet, die Integrität der Rohrlei- tung muss gewährleistet sein. In /U3, Er1/ sind Kriterien aufgeführt, unter welchen Er_2020_GKNII_2 Seite 5 | 18
Prof. Dr. A. Erhard Voraussetzungen die Integrität der Heizrohre gewährleistet ist, auch bei Vorhandensein von SpRK, wie im GKN II vorhanden, und welche Möglichkeiten während des Betriebes für eine rechtzeitige Erkennung von Kleinstleckagen gegeben sind. Nachfolgend soll eine Antwort auf den im gleichlautenden Abschnitt 1.3 in /Mer/ dargestellten Sachverhalt gegeben werden, der auch unter Punkt 7 (Anlage 1) angesprochen wird. Zur Sicherstellung der Integrität sind vorbeugende Maßnahmen für alle sicherheitstechnisch relevanten Komponenten im kerntechnischen Regelwerk vorgegeben. Nach KTA 1403 „Alte- rungsmanagement“ sind das die Komponenten der Gruppe M1 und M2, wobei die Dampfer- zeuger-Heizrohre der Gruppe M2 zugeordnet sind /U10, VGB/. Die wesentlichen Bestandteile dieser vorbeugenden Maßnahmen sind: o Die WKP mit den ZfP Verfahren, wie sie unter Kapitel 2 beschrieben sind. o Die Definition der Zulässigkeitsgrenzen von Anzeigen, woraus sich die Größe der noch nachzuweisenden Fehler mit ZfP ableitet. o Die Verschließung von Dampferzeuger-Heizrohren. o Die betriebliche Überwachung, z.B. durch sogenannte Hide-Out-Return Analysen . 1 o Die Reinigung der Dampferzeuger und somit Reduzierung des Korrosionspotentials. Die festgelegte Zulässigkeitsgrenze liegt bei 30% WDS die von dem eingesetzten ZfP-Verfahren sicher nachgewiesen werden muss. Bild 1 zeigt die in den Revisionen 2018 und 2019 gemes- senen Fehlergrößenverteilungen /U2/. Fehlerlängen von 3 mm bei einer Wanddickenschwä- chung (WDS) von 10% wurden sicher nachgewiesen, womit obige Forderung erfüllt ist. Bild 1: Verteilung der linearen Anzeigen (CL) gemessen mit der MRPC-Sonde in Bezug auf Länge und Tiefe, vgl. Revision 2018/2019 1 Anhand der gewonnenen Chemiedaten (Kationen: Na, K, Mg, Ca; und Anionen: Cl, PO4, SO4 in Abhängigkeit von der Betriebstemperatur) werden die pH-Werte in den Spalten berechnet und die Korrosionsanfälligkeit be- wertet. Die in GKN II angewandten Methoden zur Detektion und Bestimmung der Leckageraten über die zur Verfügung stehenden Aktivitätsmessstellen und ihrer Nachweisgrenze wurden im Gutachten des TÜV NORD dargelegt und bewertet. In /Er1/ wird für einen 8 mm langen Durchriss mit einer angenommenen Oberflächenrauhigkeit der Rissfläche von 50 µm eine Leckagenrate von 40 kg d-1 berechnet, ein Wert mit großem Abstand zu der minimal nachweis- baren Leckagenrate. Er_2020_GKNII_2 Seite 6 | 18
Prof. Dr. A. Erhard Bewertung: Die Bedeutung intakter Heizrohre und damit der Erhalt der Barriere zwischen Primär- und Se- kundärkreislauf ist das wichtigste Sicherheitskriterium und braucht keine weitere Erklärung. Es wird davon ausgegangen, dass nach Umsetzung der obigen Maßnahmen ein Zustand ohne Risse oberhalb der Zulässigkeitsgrenze vorliegt. Aus den Ergebnissen der ZfP und den nationa- len und internationalen Erfahrungen zur Charakteristik des Schädigungsverlaufs ist nicht mit einem gleichmäßigen Rissverlauf über den Umfang zu rechnen, wodurch das Auftreten eines nicht wanddurchdringen-den Risses, der die Grenzen der Traglast erreichen würde binnen ei- nes Prüfintervalls nicht zu unterstellen ist. 3.2 Besondere Bedeutung der Spannungsrisskorrosion unter Sicherheitsaspekten Das Thema Korrosion an Dampferzeuger-Heizrohren und die daraus resultierenden Risiken für den Betrieb beherrscht seit mehreren Jahrzehnten die Fachwelt und wird auch in /Mer/ unter Abschnitt 1.4 aufgegriffen und Punkt 8 (Anlage 1). Die Korrosionsmechanismen, die hauptsächlich diskutiert werden, sind Lochfraß, Primärwas- serinduzierte Spannungsrisskorrosion (Primary Water Stress Corrosion Cracking, PWSCC) und Sekundärseitige Spannungsrisskorrosion (Outer Diameter Stress Corrosion Cracking, ODSCC). In den Übersichtsbeiträgen /Mac, Wad/ werden noch andere Mechanismen genannt, die je- doch das ME(04/2018) nicht tangieren. In /Wad/ ist in einer Übersicht dargestellt, welche Schädigungen auftreten können und deren Ursache (Tabelle 4). Ein Teil dieser Übersicht über betriebsbedingte Fehler finden sich in /Mer/, wobei angemerkt werden muss, dass einige die- ser Fehlermechanismen nicht mit dem ME in Übereinstimmung zu bringen sind. Tabelle 4: Ursachen für die Schädigung von Dampferzeuger-Heizrohren /Wad/ Alle drei genannten Mechanismen können die Rohre schädigen, so dass ein Übergang von Pri- märkühlmittel auf den sekundärseitigen Wasser-Dampfkreislauf erfolgt. Seit Beginn des Be- triebes von Leichtwasserreaktoren auf der Basis von Druckwasser sind Fehler bekannt gewor- den. Er_2020_GKNII_2 Seite 7 | 18
Prof. Dr. A. Erhard Die Randbedingungen für diese Korrosionsmechanismen sind in Bild 2 eindrucksvoll darge- stellt und zeigen den komplexen Zusammenhang und die Wechselwirkung der einzelnen Pa- rameter /U4, U5/, wobei alle drei Größen, das chemische Potential, die Zugspannungen und die Werkstoffeigenschaften, als variabel angenommen werden müssen. Der für die Dampferzeuger-Heizrohre in GKN II verwendete Werkstoff Alloy 800 mod ist durch seinen Nickelgehalt von 32-35% unempfindlicher gegenüber SpRK im Vergleich zu dem auch Bild 2: Korrosionsmechanismen und Zusammenhänge häufig verwendeten Werkstoff Allay 600 mit einem Nickelgehalt von < 70%. Dies wird in /Reb/ wie folgt ausgeführt: Alloy 800 is also used in nuclear power generation. In steam generator applications, Alloy 800 is generally more resistant to cracking than Alloy 600, probably because of the intermediate Ni composition in Alloy 800. Bild 3 zeigt diesen Sachverhalt, auch im Vergleich zu den anderen in der Kerntechnik einge- setzten Werkstoffen, in übersichtlicher Form /VGB/. Bild 3: Austenitic Stainless Steels and Ni-Base Alloys in HT-Water; Transgranular/Intergranular Stress Corrosion Cracking (TGSCC/IGSCC) Durch Kondensatorleckagen seit 2013 und den damit verbundenen Ablagerungen in den Dampferzeugern, verbunden mit hohem Eintrag von Eisen, Kupfer, Chloride, aber vor allem Er_2020_GKNII_2 Seite 8 | 18
Prof. Dr. A. Erhard Sulfate, kann sich korrosives Potential in dem Bereich des Rohrbodens ausbilden. Eine Anrei- cherung des korrosiven Potentials in den Spalten zwischen den Heizrohren und dem Rohrbo- den, z.B. durch Kapillarwirkung, und die damit verbundene Absenkung des pH-Wertes führte zu dem beobachteten Mechanismus der SpRK. Dies wird durch den Vergleich mit anderen An- lagen /Ki1, Ki2/, sowie durch Literaturauswertung /Ber, Die, Kim/ gestützt. Siehe dazu auch die Ausführungen in /U8/. Die treibende „Kraft“ ist in dem für GKN II zu betrachtenden Scha- densmechanismus das Sulfat, welches in ausreichender Menge in den Ablagerungen vorhan- den war, und welches sich somit in den Spalten zwischen Dampferzeuger-Rohrboden und Dampferzeuger-Heizrohren anreichern konnte, so dass mit einer stark sauren Umgebung (≤ pH 3) zu rechnen ist. Durch diesen niedrigen pH-Wert kam es auch zur Korrosion des Rohrbo- dens im Einwalzbereich, was zur Folge hatte, dass der Spalt mit der Zeit in die Breite und Tiefe wächst und den Bereich der Einwalzung erreicht. Zu der weiteren „variablen“ Größe in diesem Zusammenhang, Zugspannungen im Einwalzbe- reich, kann folgendes ausgeführt werden: Die Orientierung der Anzeigen ist in Umfangsrich- tung, weswegen axiale Zugspannungen in diesem Bereich vorgelegen haben müssen. Die Frage, wie es zur Ausbildung solcher Zugspannungen kommen kann, ist von zentraler Bedeu- tung. Dies insbesondere, da die Außenoberflächen der Rohre Druckspannungen aufweisen, was bei der Fertigung der Rohre durch Bestrahlen mit Glasperlen erzielt wird, um dem Schä- digungsmechanismus „Spannungsrisskorrosion“ vorzubeugen /U5, U7, Er2/. Diese Druckspan- nungen können durch den Einwalzprozess der Rohre aufgehoben werden. Somit muss davon ausgegangen werden, dass im Einwalzbereich der Rohre, d.h. im Bereich der Oberkante des Rohrbodens, Zugspannungen vorliegen. Aufgrund der Spannungsverteilung und der Schwankungen der pH-Werte am Umfang ist nicht mit einem homogenen Rissverlauf über den Umfang zu rechnen, sondern mit lokalen Wand- dickenschwächungen bis hin zur Leckage, wobei gezeigt wurde, dass ein Abriss für einen der- artigen Fall nicht zu unterstellen ist. Der Nachweis der Integrität erfolgt durch Leck-vor-Bruch Rechnungen der DE-Heizrohre wie in /U2/ beschrieben. In Bezug auf die Bedeutung für den Betrieb bei Dampferzeuger-Heizrohren mit Leckagen be- schreibt die RSK in ihrer Stellungname /U6/ den Sachverhalt zu Schäden an Dampferzeuger- Heizrohren wie folgt: Wanddurchdringende Schäden an einzelnen Heizrohren im Leistungsbetrieb führen auf Grund der unterschiedlichen Druckverhältnisse zum Übertritt von Primärkühlmittel in den Wasser-Dampf-Kreislauf und sind somit sicherheitstechnisch relevant. Je nach An- stieg der Aktivität im Sekundärkreislauf können betriebliche Systeme oder diejenigen Systeme, die zur Störfallbeherrschung (Sicherheitsebene 3) erforderlich sind, angefor- dert werden. Eine besondere sicherheitstechnische Bedeutung ergibt sich daraus, dass Lecks an Dampferzeuger-Heizrohren bei Störfällen zu einer Freisetzung von Primärkühl- mittelaktivität in die Umgebung unter Umgehung des Sicherheitsbehälters führen kön- nen. Mit diesem Zitat aus der RSK Stellungnahme ist die Bedeutung von Leckagen bei den Dampf- erzeugerheizrohren hinreichend beschrieben. Die Empfehlung der RSK, in Bezug auf die Si- cherheit, lautet wie folgt: Es wird empfohlen, in das BHB aufzunehmen, dass bei einer Leckage von > 40 kgd-1 die Anlage abgefahren wird und zur Unterstützung der Ursachenklärung des Eintrages Hide- Out-Return-Analysen vorgenommen werden. Bewertung: Die Ursachenklärung der Schädigung der Dampferzeuger-Heizrohre ist plausibel, auch im Ver- gleich mit den in der Literatur gefundenen Ausführungen zu dieser Thematik. Die Maßnahmen Er_2020_GKNII_2 Seite 9 | 18
Prof. Dr. A. Erhard zur zukünftigen Vermeidung von SpRK wurden dargelegt und sind zielführend. Somit kann da- von ausgegangen werden, dass die Korrosion nahezu zum Erliegen kommt. 3.3 Auslegungsstörfall und auslegungsüberschreitender Störfall In dem gleichlautenden Abschnitt 1.5 (Punkt 10 der Anlage 1) in /Mer/ werden Schäden an Dampferzeuger-Heizrohren wie Leckage an mehreren Rohren, Lösen von mehreren Ver- schlussstopfen und Folgeschäden an Nachbarrohren betrachtet. Die nachfolgenden Ausfüh- rungen sollen den Sachverhalt auf Basis der derzeit vorliegenden Erkenntnisse umreißen. Mehrfachleckage an Dampferzeuger-Heizrohren wurden bei der Diskussion zur RSK- Stellung- nahme mit betrachtet, was schon dem Titel der Stellungnahme entnommen werden kann /U6/. Auch die in /Mer/ genannten Punkte, die eine Auflistung von möglichen Schädigungen an Dampferzeuger-Heizrohren darstellt, sind in der Stellungnahme enthalten. In /U6/ wird in Bezug auf die Mehrfachleckage ausgeführt: Um in die Nähe der nach den RSK-Leitlinien (Fassung 11/96) zu unterstellenden Leck- annahmen (≤ 2F) für die dabei zu unterstellenden Störfallszenarien zu kommen, müss- ten theoretisch somit ca. 20 unterkritische Risse gleichzeitig auftreten, was unter Um- setzung der in /U3/ genannten Empfehlungen zur Überwachung der DE-Heizrohre als unwahrscheinlich eingestuft werden kann. Die in /U3/ genannten Empfehlungen betrifft die ZfP mit Wirbelstrom, die zwischenzeitlich weiterentwickelt und für den Nach- weis von SpRK an Dampferzeuger-Heizrohren im Bereich der Oberkante Rohrboden optimiert wurde. Die Hide-Out-Return-Analyse, die in das BHB aufgenommen wurde und die routine- mäßig durchgeführt wird. und die Vorgehensweise beim Auftreten von betriebsbedingter SpRK. Beim ME 04/2018 werden die Schäden der Dampferzeuger-Heizrohre im Bereich der Ober- kante Rohrboden betrachtet und deren Ursache geklärt. Die anderen in /Mer/ aufgeführten Punkte haben keine Bedeutung für das Ereignis. Unabhängig davon, soll der Punkt „gleichzei- tiges Lösen mehrerer Verschlussstopfen“ angerissen werden, wobei die Ausführungen der Li- teratur entnommen wurden. In /USNRC/ wird am Beispiel der Anlage North Anna Unit 1 fol- gendes ausgeführt: ln February 25 ,1989, North Anna Unit 1 (Va.) underwent a failure of a steam generator tube plug following a reactor trip during feedwater isolation transient. The failed plug was a mechanical type plug, supplied by Westinghouse. The plug failure caused a 75 gallon per minute primary secondary leak. A post-event examination established that primary water corrosion cracking (PWSCC) was the mechanism leading to the plug fail- ure. Numerous plants have experienced PWSCC and leaks of Westinghouse mechanical plugs although the plug failure at North Anna Unit 1 is, to date a unique event. Westinghouse hat bei den Untersuchungen zu dem oben zitierten Ereignis festgestellt, dass das verwendete Material aus Inconel 600 anfällig für PWSCC ist. Die Nuclear Regulatory Com- mission (NRC) hat die Betreiber aufgefordert zu prüfen, ob bestimmte Typen von Westing- house Stopfen in ihren Anlagen installiert sind. Es werden Maßnahmen gefordert um, sicher- zustellen, dass diese Stopfen unter normalen Betriebsbedingungen und postulierten Störfall- bedingungen weiterhin eine ausreichende Sicherheit für die Integrität der Druckführenden Umschließung bieten /NRC/. Er_2020_GKNII_2 Seite 10 | 18