Sehr geehrtAntragsteller/in
zu Ihrer Anfrage vom 12. Juli 2016 kann ich Ihnen mitteilen:
Wir haben am 10. Mai 2016 per mail auf eine Anfrage der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz zur Rechtslage folgende Antwort an diese gegeben:
Nach unserer Einschätzung dürfte die beabsichtigte Kooperation zwischen der Hochschule Bremen und dem Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr (BAPersBw) nicht gegen die sog. "Zivilklausel" (§ 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 7b BremHG) verstoßen.
Nach § 4 Abs. 1 S. 2 BremHG verfolgen die Hochschulen in Forschung, Lehre und Studium "ausschließlich friedliche Zwecke" Der Umsetzung dieser Vorschrift dienen die nach § 7b BremHG erlassenen Zivilklauseln der Hochschulen; die Hochschule Bremen hat eine solche Klausel beschlossen.
Rechtliche Kernfrage ist also, was "friedliche Zwecke" bedeutet und ob eine Kooperation die es ermöglicht, dass circa 10 Anwärter/innen für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst der Bundeswehr im Rahmen eines dualen Studiums am Internationalen Frauenstudiengang Informatik der Hochschule Bremen teilnehmen, ein "unfriedlicher Zweck" ist.
Die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 S. 2 und § 7b BremHG (LT-Drs. 18/1736, S. 13) rekurriert zur Begründung der Zivilklausel ausdrücklich auf das verfassungsrechtliche Leitbild des Friedens. Die Abgrenzung zwischen "friedlichen" und "unfriedlichen" Zwecken hat sich also v.a. am Begriff der "Friedlichkeit" im Sinne des Grundgesetzes zu orientieren. Das GG benutzt (vom hier nicht interessierenden Kontext der Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG, abgesehen) den Begriff "friedlich" in drei Vorschriften: Art. 24 Abs. 2 (Wahrung des Friedens und Sicherung einer friedlichen Ordnung durch Beteiligung der Bundesrepublik an Systemen kollektiver Sicherheit), Art. 26 Abs. 1 (Verbot von Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Völker) und in Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG (Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken).
Legt man die Bedeutung des Begriffes "friedlich" in Art. 24 II und 26 I GG zugrunde, kann eine Kooperation mit der Bundeswehr von vornherein keine "unfriedlichen" Zwecke verfolgen. Denn "unfriedlich" in diesem Sinne ist nicht gleichbedeutend mit "militärisch". Die Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit, in die sich die Bundesrepublik nach Art. 24 II GG zur Wahrung des Friedens und zur Sicherung einer friedlichen Ordnung einordnen soll, haben stets auch eine militärische Komponente (kollektive Selbstverteidigung) (Heintschel von Heinegg, in: Epping/ Hillgruber, GG, Art. 24 Rn. 30). Solche Systeme kollektiver Sicherheit sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere UNO, NATO und EU (vgl. Heintschel von Heinegg, aaO., Art. 24 Rn. 33.1 - 33.3. mwN). Auch Art. 26 Abs. 1 GG versteht unter Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Völker nur die völkerrechtswidrige Anwendung militärischer Gewalt (Heintschel von Heinegg, aaO., Art. 26 Rn. 8 - 10; Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 26 Rn. 16). Völkerrechtlich gerechtfertigte Militäreinsätze, zB im Rahmen individueller oder kollektiver Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) oder im Rahmen von durch den UN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Mandaten, stören daher das friedliche Zusammenleben im Sinne des Art. 26 Abs. 1 GG nicht (Heintschel von Heinegg, aaO., Art. 26 Rn. 17 f.; Herdegen, aaO., Art. 26 Rn. 29). Die Bundeswehr darf nach dem GG nur zur Verteidigung oder im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit eingesetzt werden (vgl. Art. 87a Abs. 2, Art. 24 Abs. 2 GG). Der Zweck der Bundeswehr ist daher bei Zugrundelegung des Friedensbegriffes aus Art. 24 Abs. 2, 26 Abs. 1 GG "friedlich".
Ein etwas anderer Begriff der "Friedlichkeit" liegt dagegen Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG zugrunde. Die Nutzung der Kernenergie zu "friedlichen Zwecken" soll dort gerade dazu dienen, die Bundesgesetzgebungskompetenz für das Atomrecht von der Bundesgesetzgebungskompetenz für das Verteidigungswesen (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) abgrenzen. D.h.: Anders als im Rahmen von Art. 24 II, 26 I GG ist im Rahmen von Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG die Verteidigung ein "unfriedlicher Zweck" (vgl. Seiler, in: Epping/ Hillgruber, GG, Art. 73 Rn. 60 und Uhl, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 73 Rn. 298). Es spricht allerdings viel dafür, dass der Friedensbegriff, der § 4 Abs. 1 S. 2, § 7b BremHG zugrunde liegt, nicht derjenige aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, sondern derjenige aus Art. 24 II, 26 I GG ist. Denn das verfassungsrechtliche "Leitbild" des Friedens, auf das LT-Drs. 18/1736, S. 13 zur Begründung der Zivilklausel Bezug nimmt, wird durch die "Grundsatznormen" Art. 24 II und 26 I GG geprägt, nicht durch eine bloße Kompetenzvorschrift zum Kernenergierecht wie Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG. Aber selbst wenn man den Friedensbegriff des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG zugrunde legt, dürfte die vorliegende Kooperation noch "friedlich" sein. Denn vorliegend werden nicht Soldatinnen, sondern Verwaltungsbeamtinnen der Bundeswehr ausgebildet. Auch werden durch das duale Studium (so wie wir den Sachverhalt verstanden haben) keine spezifisch militärischen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Die Beamtenanwärterinnen der Bundeswehr nehmen vielmehr an dem normalen Informatikstudiengang teil, wie ihn auch "zivile" Studierende besuchen und der nach wie vor inhaltlich allein von der Hochschule Bremen verantwortet wird.
Ob diese Rechtsauskunft auch der Hochschule Bremen vorgelegen hat, ist uns nicht bekannt.
Mit freundlichen Grüßen