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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Informationen zu Neugestaltung "Demokratie Leben"

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Förderaufruf für Modellprojekte im Handlungsfeld „Extremismusprävention“ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangssituation und Zielsetzung des Bundesprogramms ............................................................... 2 1.1 Ausgangssituation ................................................................................................................... 2 1.2 Zielsetzung des Bundesprogramms......................................................................................... 2 2. Gegenstand des Förderaufrufs ............................................................................................................ 3 2.1 Themenfeld Rechtsextremismus ............................................................................................. 4 2.2 Themenfeld islamistischer Extremismus ................................................................................. 6 2.3 Themenfeld linker Extremismus.............................................................................................. 8 2.4 Themenfeld phänomenübergreifende Prävention: Wechselwirkungen einzelner Phänomene, Deeskalationsarbeit ....................................................................................................... 9 3. Fördergrundsätze und Fördervoraussetzungen ................................................................................ 10 4. Bewertungsverfahren ........................................................................................................................ 12 5. Verfahren........................................................................................................................................... 12 5.1 Interessenbekundungsverfahren .......................................................................................... 12 5.2 Antragsverfahren................................................................................................................... 13 5.3 Bewilligungsverfahren ........................................................................................................... 13 5.4 Verwendungsnachweise........................................................................................................ 14 Der Bund gewährt für die in diesem Förderaufruf genannten Zwecke Zuwendungen nach Maßgabe der §§ 23 und 44 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und der dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften. 1
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1. Ausgangssituation und Zielsetzung des Bundesprogramms 1.1 Ausgangssituation Deutschland ist ein demokratisches und weltoffenes Land, das einer vielfältigen Gesellschaft Raum und Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Basis dafür ist das Grundgesetz, dessen Errungenschaften nicht selbstverständlich existieren. Sie sind das Resultat einer langen Entwicklung, bei der sehr viele mutige und engagierte Menschen immer wieder für diese Werte eingetreten sind, die heute das gesellschaftliche Fundament bilden. Für ein friedliches, vielfältiges, gleichberechtigtes Zusammenleben in Deutschland wird – neben sicherheitspolitischen Aufgaben und der Durchsetzung des Rechtsstaats – eine proaktive Demokratieförderung und eine nachhaltige Präventionsarbeit im Zusammenwirken von Kommunen, Ländern und dem Bund mit der Zivilgesellschaft gebraucht. Besonders Rechtsextremismus, islamistischer Extremismus und auch linker Extremismus, so wie Ideologien der Ungleichwertigkeit und darauf bezogene Diskriminierungen gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ wird bereits seit 2015 ein breit angelegter Präventionsansatz verfolgt, der alle demokratiefeindlichen Phänomene und Orte der Prävention in den Blick nimmt. Die wehrhafte Demokratie braucht eine starke Zivilgesellschaft. Das aktive Eintreten für die Werte des Grundgesetzes, die Förderung eines lebendigen, vielfältigen und demokratischen Zusammenlebens sowie die Präventionsarbeit gegen Extremismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Sie können nur gemeinschaftlich und gesamtgesellschaftlich gelöst werden und müssen an den Herausforderungen, Problemen und Bedürfnissen vor Ort ansetzen. 1.2 Zielsetzung des Bundesprogramms Das Bundesprogramm bleibt eine zentrale Säule der Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung und verfolgt weiterhin die dort festgelegten übergreifenden Ziele. Zahlreiche Initiativen, Vereine und engagierte Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland setzen sich für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander ein. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fördert zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, für Vielfalt und gegen Extremismus auf der kommunalen, regionalen und überregionalen Ebene. Die Projektförderung des Bundesprogramms zielt auf die Weiterentwicklung der präventiv- 2
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pädagogischen Fachpraxis ab, unterstützt das Engagement für Demokratie und stärkt zivilgesellschaftliche Strukturen. Für die zweite Förderperiode (2020 bis 2024) werden die Ziele des Bundesprogramms neu justiert und stärker fokussiert – vor allem mit Blick auf die aktuellen, gesellschaftlichen Herausforderungen und auf Grundlage der gewonnenen Erfahrungen aus der ersten Förderperiode (2015 bis 2019). „Demokratie fördern. Vielfalt gestalten. Extremismus vorbeugen.“ sind die Kernziele von „Demokratie leben!“. Dieser inhaltliche Dreiklang ist handlungsleitend. Zielgruppen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sind in erster Linie Kinder und Jugendliche, deren Eltern, Familienangehörige und Bezugspersonen, junge Erwachsene, aber auch ehren-, neben- und hauptamtlich in der Kinder- und Jugendhilfe und an anderen Sozialisationsorten Tätige, Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren sowie staatliche und zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure. Im Bundesprogramm gibt es vier Handlungsbereiche: 1. Kommune: Förderung lokaler „Partnerschaften für Demokratie“; 2. Land: Förderung von Demokratiezentren zur landesweiten Koordinierung und Vernetzung sowie von Mobiler Beratung, Opferberatung, Distanzierungs- und Ausstiegsberatung; 3. Bund: Förderung von Kompetenzzentren und Kompetenznetzwerken auf Bundesebene; 4. Modellprojekte: Förderung von Modellprojekten in den drei Handlungsfeldern Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention. Die Handlungsfelder wiederum gliedern sich in einzelne Themenfelder auf. 2. Gegenstand des Förderaufrufs Gegenstand dieses Förderaufrufs ist die zeitlich begrenzte Förderung von Modellprojekten der Sekundär- und Tertiärprävention im Handlungsfeld Extremismusprävention, a) die Erkenntnisse bringen sollen im Hinblick auf die Entwicklung, Erprobung, Überprüfung und Weiterentwicklung von pädagogischen Methoden und Konzepten (z.B. Zielgruppenzugänge, Arbeitsformen, Verfahren der Qualifizierung und Instrumente der Qualitätsentwicklung) und b) deren Ergebnisse auf andere Träger, Praxisfelder und Kontexte übertragbar sind. 3
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Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Modellprojekte im Handlungsfeld Extremismusprävention in den Themenfeldern - Rechtsextremismus, - Islamistischer Extremismus und - linker Extremismus. Daneben sollen zukünftig noch gezielter phänomenübergreifende Präventions-, wie insbesondere auch Deeskalations- und Distanzierungsansätze entwickelt und erprobt werden. Dabei werden spezifische Zielgruppen in den Blick genommen, die erkennbar mit demokratiefeindlichen Ideologien sympathisieren bzw. sich direkt in deren (sozialem) Umfeld bewegen. Ziel ist es, die präventiv-pädagogische Praxis ausschließlich in der Sekundär- und Tertiärprävention in der Kinder- und Jugendarbeit weiterzuentwickeln. An die einzureichenden Projektvorhaben aller Themenfelder werden folgende Anforderungen gestellt: - Gefährdungs- und Risikoannahmen, die den Projektkonzepten zugrunde liegen, sowie die zu erreichende/n Zielgruppe/n sind konkret und in ihrer sozialräumlichen Verortung zu beschreiben. Zudem sind die geplanten oder bereits vorhandenen Zugangswege zu der/den zu erreichende/n Zielgruppen/n konkret darzustellen. - Instrumente und Mechanismen der Reflexion des pädagogischen Handelns (z.B. Fallberatungen oder Supervision) sind konzeptionell einzuplanen. 2.1 Themenfeld Rechtsextremismus Die Förderung von Modellprojekten im Themenfeld „Rechtsextremismus“ hat das Ziel, neue und innovative Zugänge zu jungen Menschen mit Affinitäten zu rechtsextremen Ideologien und/oder Akteur*innen aus entsprechenden Szenen und Organisationen zu erschließen und gezielt Ansätze der pädagogischen Arbeit mit den genannten Jugendlichen und jungen Erwachsenen (weiter-)zu entwickeln. Dabei ist auch aktuellen Formen des Rechtsextremismus sowie dem veränderten Freizeit- und Gruppenverhalten Jugendlicher Rechnung zu tragen wie z.B. die Quantität und Qualität der Mediennutzung oder die Zugehörigkeit zu wechselnden Peergruppen. Zudem sind Jugendliche z.B. im Umfeld des Sports (z.B. MMA, Free-Fights, Fußball) oder des Natur- und Umweltschutzes mit rechtsextremen Diskursen und Akteuren konfrontiert. Die Projekte sollen modellhafte Ansätze und Methoden zur pädagogischen Arbeit mit der skizzierten Zielgruppe entwickeln und erproben, die eine kritische Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen sowie diskriminierenden Einstellungen und Handlungen wirkungsvoll ermöglichen. 4
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Besonders förderfähig sind Modellprojekte mit folgenden Schwerpunkten: • Entwicklung und Erprobung von Ansätzen und Konzepten zur Arbeit mit Jugendlichen mit Affinitäten zu rechtsextremen Diskursen, Einstellungen und Gruppen: Hier sind insbesondere Jugendliche in den Blick zu nehmen, die weniger (gewalt-)auffällig und/oder strukturell (eher) gut integriert sind und die nicht stereotypen Vorstellungen des „desintegrierten und gewalttätigen rechtsextrem orientierten Jugendlichen“ entsprechen. Im Fokus steht die Erprobung zugangserschließender Aktivitäten und Maßnahmen zu Sympathisant*innen bzw. Angehörigen der heterogenen neuen jugendkulturellen rechten Szenen, die bislang kaum von der pädagogischen Präventionsarbeit mit alternativen Angeboten angesprochen wurden. Wünschenswert ist in diesem Themenschwerpunkt auch die Reflexion und Bearbeitung von Genderaspekten. • Entwicklung und Erprobung von Projekten, die Online- und Offline-Arbeit mit Jugendlichen mit Affinität zu neu-rechten und rechtsextremen Haltungen und Gruppen verbinden: Erwünscht sind insbesondere unterschiedliche Zugangswege im Netz und die Entwicklung entsprechender pädagogischer Vorgehensweisen bzw. medienpädagogischer Ansätze. So können u.a. erfolgsversprechende Wege der aufsuchenden online-Ansprache und einer darauf basierenden Arbeitsbeziehung und pädagogischen Arbeit in offline-Kontexten ausgelotet werden. Von Interesse ist dabei auch die Erprobung von Ansätzen und medienpädagogischen Formaten für Fachkräfte, die mit der Zielgruppe der radikalisierungsgefährdeten Jugendlichen arbeiten und zum Ziel haben, die medienpädagogische Kompetenz der Multiplikator*innen zu erhöhen. • Entwicklung von Ansätzen zur Arbeit mit rechtsextrem gefährdeten bzw. orientierten Jugendlichen in ihren selbst gewählten Vergemeinschaftungs- und Freizeitkontexten: Angesichts der hohen Relevanz von Peergruppen-Kontexten und Gruppendynamiken für Hinwendungs- und Radikalisierungsprozesse Jugendlicher gilt es, neue Wege auszuloten, um gefährdete Jugendliche in ihren selbstgewählten Vergemeinschaftungs- und Freizeitkontexten zu erreichen und mit ihnen zu arbeiten. Dabei kann ein besonderer Fokus auf die Erprobung von Ansätzen gelegt werden, die sozialpädagogische Zugänge und Arbeitssettings mit Zielen und Inhalten politischer Bildung zu verschränken. Zudem sind zugangserschließende Kooperationen mit Akteur*innen aus unterschiedlichen Institutionen förderungswürdig, in denen diese Jugendlichen auffällig werden können (Schule, offene Jugendarbeit, Jugendgerichtshilfe, Polizei, Jugendamt etc.). Zur Unterstützung ideologischer Distanzierungsprozesse und zur Beförderung der kritisch-reflektierten Auseinandersetzung 5
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mit rechtsextremen Angeboten können auch Tandems aus sozialer Arbeit und politischer Bildung gefördert werden. Projekte, die mit langzeitpädagogischen Ansätzen arbeiten, sind besonders förderungswürdig. • Entwicklung und Erprobung von Ansätzen der Zugangserschließung und pädagogischen Arbeit, die sich mit milieuspezifisch ausgeprägten ultranationalistischen Haltungen und ggf. daraus erwachsenden gewaltorientierten Handlungen unter Jugendlichen auseinandersetzen: Dabei ist in migrantisch geprägten Kontexten eine Einbeziehung medialer und anderer Einflüsse aus den „Herkunftsländern“ zu beachten. Die Jugendlichen sollen in ihrer Identitätsentwicklung und ihrer persönlichen gesellschaftlichen Gestaltungskompetenz unterstützt und gegen nationalistische Abgrenzungs- und Abwertungsmuster gestärkt werden. Mögliche Stigmatisierungseffekte, die sich aus der spezifischen ethnisch geprägten Zielgruppenansprache ergeben könnten, sollten durch entsprechende konzeptuelle Berücksichtigung vermieden werden. 2.2 Themenfeld islamistischer Extremismus Die Förderung von Modellvorhaben im Themenfeld „Islamistischer Extremismus“ fokussiert zum einen die Zugangserschließung zu jungen Menschen mit Affinitäten zu demokratiefeindlichen und/oder islamistisch-extremistischen Ideologien und/oder szeneinternen Akteur*innen bzw. entsprechenden Netzwerken und Strukturen. Zum anderen wird die Entwicklung und Erprobung von modellhaften pädagogischen Angeboten zur Auseinandersetzung mit religiös begründeter Demokratiefeindlichkeit, Abwertung von Andersgläubigen und religiös begründeter Gewaltakzeptanz/(ideologisierter) Gewalt bei jungen Menschen angestrebt. Die pädagogische Praxis in diesem Themenfeld steht vor der Herausforderung, das Verhältnis zwischen legitimer Religionsausübung und religiös begründeter Radikalisierung sensibel auszuloten. Allerdings können Äußerungen religiös begründeter Demokratiefeindlichkeit und Abwertung von Andersgläubigen auch Protestverhalten ausdrücken und gezielte Provokation (z.B. in Reaktion auf wahrgenommene Zuschreibungen durch mehrheitsgesellschaftliche Akteur*innen) darstellen. Diese diversen Motivlagen und fachlichen Herausforderungen im Themenfeld, sollten in der Konzeption und Umsetzung von präventiv-pädagogischen Modellprojekten angemessen berücksichtigt werden, um Stigmatisierungen zu vermeiden. Wünschenswert ist die Umsetzung von genderreflektierenden Ansätzen in der Arbeit mit Jugendlichen. Langzeitpädagogische Angebote sind hierbei besonders förderungswürdig. Besonders förderfähig sind Modellprojekte mit folgenden Schwerpunkten: 6
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• Entwicklung und Erprobung neuer Zugänge zu Jugendlichen aus jugendkulturellen Szenen und jugendlichen Subkulturen mit Affinität zu islamistisch-extremistischen Einstellungen und Ideologien: Die Affinitäten und Hinwendungsprozesse in diesen Milieus können auch von gesellschaftsbezogenen oder innerfamilialen Abgrenzungen und Provokationen geprägt sein, die sich insbesondere in jugendspezifischen Entwicklungsphasen der Suche nach Identität und Zugehörigkeit ergeben. Die Erprobung spezifischer präventiv-pädagogischer Zugänge zu diesen jugendlichen Sympathiemilieus können gefördert werden. • (Weiter-)Entwicklung und Erprobung zur Distanzierungsarbeit mit radikalisierungsgefährdeten und islamistisch-extremistisch orientierten Jugendlichen aus muslimisch geprägten Milieus und Sozialkontexten, insbesondere auch aus muslimisch geprägten Familien. Förderungswürdig sind zudem zugangserschließende Kooperationen mit Akteuren aus unterschiedlichen Institutionen, in denen diese Jugendlichen auffällig werden können (Schule, Jugendgerichtshilfe, Polizei, Jugendamt, muslimische Gemeinden, etc.). • Unterstützung muslimischer Milieus und Gemeinden im Umgang mit islamistisch- extremistischer Radikalisierung, die mit präventiv-pädagogischen und/oder (Online-) Beratungsangeboten muslimische Milieus erreichen, indem sie bestehende Zugangsschwellen und Vertrauensdefizite abbauen. Die Erprobung adäquater Zugangswege und die Unterstützung und Qualifizierung von muslimischen Milieus im Umgang mit islamistischem Extremismus können auch in Tandemprojekten erfolgen. Gefördert werden daher bevorzugt Kooperationen zwischen professionellen Akteur*innen der pädagogischen Präventions-, Beratungs- und Distanzierungsarbeit mit Akteur*innen aus muslimischen Milieus, die im Tandem Zugänge zu muslimischen Gemeinschaften und Gruppen erschließen und dabei gegenseitig von dieser Form der Kooperation profitieren und Synergien in Bezug auf Kontextwissen, Fachlichkeit und Handlungskompetenz nutzen. • Entwicklung und Erprobung zur Verschränkung von Online- und Offline-Arbeit mit einstiegsgefährdeten und islamistisch-extremistisch orientierten Jugendlichen: Erwünscht sind die Erprobung unterschiedlicher Zugangswege im Netz sowie die Entwicklung entsprechender pädagogischer Methoden bzw. medienpädagogischer Ansätze. Die Einbindung von und Kooperation mit Internet-Aktivist*innen, die über Erfahrung mit der Zielgruppe und im Arbeitsfeld sowie über eine hohe Authentizität bei Jugendlichen verfügen, ist wünschenswert. 7
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2.3 Themenfeld linker Extremismus Die Förderung von Modellvorhaben im Themenfeld linker Extremismus fokussiert auf die Erprobung indirekter und sozialräumlicher Wege der Zugangserschließung zu jungen Menschen mit Affinität zu linker Militanz und linksextremen Orientierungen, jungen Menschen in entsprechenden Risikokontexten sowie auf die damit zusammenhängende Qualifizierung von Multiplikator*innen. Linksextrem begründete Gewaltanwendung und -legitimierung kann unter anderem Ausdruck radikaler Systemopposition oder auch die Folge eskalierender Konflikte zwischen politischen Gruppen und Protestgeschehen auf Demonstrationen sein. Radikale Systemopposition geht auch mit einer Ablehnung staatlich finanzierter Präventionsarbeit einher. Zentrale Herausforderung für Präventionsarbeit in dem vorliegenden Themenfeld ist daher der Zielgruppenzugang. Im anstehenden Förderzeitraum werden deshalb schwerpunktmäßig Modellprojekte gefördert, die indirekte und sozialräumliche Wege des Zielgruppenzugangs erproben. Multiplikator*innen in Schule, Jugend- und Sozialarbeit sowie im Sportkontext stellen sich situativ primär argumentative Herausforderungen, wenn sie mit gewaltlegitimierenden Weltbildern, Argumentations- und Erklärungsmustern sowie Verschwörungstheorien links-militanter junger Menschen konfrontiert werden. In solchen Situationen sprachfähig zu sein und auf hohem Niveau argumentieren zu können, setzt voraus, sich zuvor mit entsprechenden Narrativen beschäftigt zu haben und Zutrauen in die eigene Argumentationsfähigkeit zu haben. Vor diesem Hintergrund werden die letzten beiden Förderschwerpunkte definiert. Besonders förderfähig sind Modellprojekte mit folgenden Schwerpunkten: • Entwicklung und Erprobung von Konzepten sozialräumlicher Präventionsarbeit im Umfeld von autonomen Zentren: Ziel ist die Zugangserschließung zu den Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Umfeld der Zentren zur Förderung ihrer Ambiguitätstoleranz. Die Arbeit kann beispielsweise die niedrigschwellige Beratung der Zielgruppe bei spezifischem militanten gewaltlegitimierenden Verhalten (z.B. bei Demonstrationen), die Etablierung von Beteiligungsverfahren und demokratischen Prozessen im Sozialraum und die Prävention von sozialräumlichen Eskalationsdynamiken durch die Vermittlung von Konfliktfähigkeit enthalten. Wünschenswert sind Kooperationsprojekte von zwei oder mehr Trägern der (sozial-)pädagogischen Arbeit, die einen gemeinsamen Arbeitsansatz entwickeln und Erfahrungen unmittelbar austauschen. Potenzielle Träger sollten eine Unterstützungserklärung der Kommunen oder Bezirke aufweisen, in denen die sozialräumliche Präventionsarbeit durchgeführt werden kann. 8
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• Entwicklung und Erprobung zur Online- und Offline-Arbeit mit einstiegsgefährdeten Jugendlichen bzw. gewaltbereiten linken extremen Jugendlichen: Es sollen Wege der aufsuchenden online-Ansprache und einer darauf basierenden Arbeitsbeziehung und pädagogischen Arbeit in offline-Kontexten ausgelotet werden. Erwünscht sind insbesondere eine intensivere Erprobung unterschiedlicher Zugangswege im Netz und die Entwicklung entsprechender pädagogischer bzw. medienpädagogischer Ansätze. • Entwicklung und Erprobung von Qualifizierungsformaten für Multiplikator*innen: Gefördert werden zum einen Modellprojekte, die Argumentationshilfen für Multiplikator*innen entwickeln und erproben. Ziel ist es, gewaltlegitimierenden Weltbildern, Argumentations- und Erklärungsmustern sowie Verschwörungstheorien alternative und plausible Argumentationslinien und Erklärungen entgegenzusetzen. Zum anderen werden Modellprojekte gefördert, die Konzepte zur Qualifizierung und Fortbildung von Multiplikator*innen zur Stärkung ihrer Handlungskompetenz entwickeln. Ziel ist es das Zutrauen der Multiplikator*innen in die eigene Argumentationsfähigkeit in entsprechenden Konfrontationen zu stärken. Die Qualifizierungs- bzw. Fortbildungskonzepte sollten sich nach den handlungsfeldspezifischen Bedingungen der adressierten Multiplikator*innen orientieren. 2.4 Themenfeld phänomenübergreifende Prävention: Wechselwirkungen einzelner Phänomene, Deeskalationsarbeit Die Förderung von phänomenübergreifenden Modellvorhaben im Handlungsfeld „Extremismusprävention“ berücksichtigt, dass es zum einem Wechselwirkungen zwischen den oben genannten Phänomenbereichen (Rechtsextremismus, islamistischer Extremismus, linker Extremismus) gibt. Daher zielt das Themenfeld zunächst darauf ab, Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Phänomenbereichen im Sinne von Eskalationen, Konflikten und Gewaltspiralen zwischen verschiedenen radikalisierten Gruppen in den Blick zu nehmen. Die Projekte sollen hier modellhaft Ansätze zur Unterbrechung von Gewaltspiralen bzw. zur Deeskalation entwickeln, die auch in anderen sozialräumlichen Kontexten Anwendung finden können. Darüber hinaus soll die phänomenübergreifende Perspektive auch in die Erprobung von Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Sozialarbeiter*innen, (Sozial-)Pädagog*innen und vergleichbare Fachkräfte einfließen. Zum anderen berücksichtigt das Themenfeld mit einem Fokus auf die Sensibilisierung für und die Bearbeitung von Verschwörungstheorien, dass Verschwörungstheorien integraler Bestandteil von extremistischen Ideologien und Menschenbildern sind. Jenseits der spezifischen Ausprägung von Verschwörungstheorien in den jeweils spezifischen extremistischen 9
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Strukturen und Netzwerken entfalten sie auch zunehmend Attraktivität bei Jugendlichen, die keine klare Affinität oder Zugehörigkeit zu einer spezifischen extremistischen Ideologie aufweisen. Besonders förderfähig sind Modellprojekte mit folgenden Schwerpunkten: • Entwicklung und Erprobung von Ansätzen, Konzepten und Methoden zur phänomenübergreifenden Sensibilisierung für und Bearbeitung von Verschwörungstheorien in der Arbeit mit Jugendlichen: Gefördert werden Modellprojekte, die darauf abzielen, kritisches Reflexionsvermögen und Ambiguitätstoleranz in Bezug auf verschwörungstheoretische Einstellungsmuster zu vermitteln. Dabei sollte nicht nur die inhaltlich-wissensbasierte, sondern auch die emotionale und soziale Dimension von verschwörungstheoretischen Einstellungen und Denkmustern adressiert werden. • Entwicklung und Erprobung von Ansätzen zur Unterbrechung von Eskalationsspiralen zwischen radikalisierten Gruppen, die Zugänge zu Milieus und sozialen Kontexten erschließen, die durch Konfrontationsgewalt zwischen unterschiedlichen ideologisch ausgerichteten Gruppen gekennzeichnet sind: Die genannten Problemlagen können sowohl in der Auseinandersetzung zwischen Rechts- und linksextremistisch ausgerichteten Gruppen, aber auch zwischen rechtsextrem und islamistisch-extremistisch sowie zwischen ultranationalistisch und linksextremistisch ausgerichteten Gruppen vorliegen. Erprobt werden sollen Deeskalationsmechanismen und pädagogische Ansätze zur Unterbrechung von Gewaltspiralen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Berücksichtigung der spezifischen ideologischen Hintergründe sowie der sozialräumlichen Verortung der Konfliktparteien. • Entwicklung und Erprobung von (Online)Schulungen für Sozialarbeiter*innen, (Sozial-) Pädagog*innen und vergleichbare Fachkräfte: Gefördert werden Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention durch erfahrene Träger aus den Themenfeldern Rechts- sowie islamistischem und linkem Extremismus, ggf. in Form eines Kooperationsantrags unterschiedlicher Träger. Dabei soll auf Erkenntnisse und (sozial-)pädagogische Ansätze aufgebaut werden, die in der ersten Förderperiode von „Demokratie leben!“ (2015-2019) sowie in den Vorläuferprogrammen entwickelt und erprobt wurden. 3. Fördergrundsätze und Fördervoraussetzungen Im Rahmen des Bundesprogramms werden maximal zwei Modellprojekte von denselben Zuwendungsempfängerinnen bzw. Zuwendungsempfängern gefördert. Voraussetzung für die Förderung ist die Zusätzlichkeit und der Innovationsgehalt des beantragten Vorhabens. Mit dem Vorhaben darf noch nicht begonnen worden sein. 10
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