Sehr geehrte Frau Windmeier,
Sie haben sich mit E-Mail vom 5. Mai 2020 mit einem Antrag auf Aktenauskunft an das Kultusministerium gewandt und um die Beantwortung der beiden nachfolgenden Fragen gebeten:
- Darf ein Internat in privater Trägerschaft aktuell (Corona-Krise) den Schülern Spaziergänge im Ort untersagen?
- Darf das Internat Pärchen dazu zwingen, sich aktuell nicht zu sehen (auch nicht am Wochenende bzw. in den Ferien)?
Sie weisen darauf hin, dass sich das Internat in Baden-Württemberg befinde.
Aufgrund der nur wenigen Angaben zu den näheren Umständen in Ihrem Antrag kann an dieser Stelle nur eine allgemeine Auskunft gegeben werden.
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Internat bzw. dessen privaten Träger und der Schülerin bzw. dem Schüler bestimmt sich zunächst nach dem jeweils zugrunde liegenden Aufnahme- bzw. Schulvertrag. Darin werden die Rechte und Pflichten der Schülerinnen und Schüler vereinbart.
Zu beachten ist allerdings, dass die Grundrechte, die in erster Linie "Abwehrrechte" gegen den Staat sind, auch im Verhältnis zwischen dem privaten Träger eines Internats und der dortigen Schülerin oder dem dortigen Schüler zur Anwendung gelangen können. Die Grundrechte sind insofern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ausdruck einer "objektiven Werteordnung", die zumindest mittelbar Wirkung auch für Privatrechtsverhältnisse entfaltet. Bezüglich der beiden von Ihnen angesprochenen Fragestellungen betrifft dies etwa die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Treffen eines Pärchens) oder die körperliche Bewegungsfreiheit (Spaziergänge im Ort). Spricht die Internatsleitung gegenüber der Schülerin oder dem Schüler entsprechende Verbote aus, müssen diese auch nach einer Abwägung mit den jeweils betroffenen Grundrechten Bestand haben.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass seit dem 17. März 2020 in Baden-Württemberg landesweit Regelungen zur Eindämmung des Coronavirus bestehen. In den entsprechenden Fassungen der Corona-Verordnung der Landesregierung wurden in den vergangenen Monaten, in Abhängigkeit zur Entwicklung des Infektionsgeschehens, Einschränkungen des öffentlichen Lebens vorgesehen. Diese Regelungen zielen im Kern auf die Unterbrechung von Infektionsketten ab, in dem der Kontakt von Mensch zu Mensch minimiert wird. Auf der Ebene dieser Verordnungen wurden jedoch zu keiner Zeit Ausgangsverbote ausgesprochen oder der Aufenthalt im öffentlichen Raum mit dem Lebenspartner untersagt. Diese Gesichtspunkte sind bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung ebenfalls zu berücksichtigen. Der Infektionsschutz verlangte in der Bundesrepublik selbst in den Zeiten einer exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus keine darüber hinausgehenden Einschränkungen. Aktuell kann zudem festgestellt werden, dass sich die Ansteckungszahlen auf niedrigem Niveau stabilisiert haben und Infektionsherde vor Ort von den Gesundheitsämtern nachvollzogen werden können.
Der gemeinsame Aufenthalt mit dem jeweiligen Lebenspartner in den Räumlichkeiten des Internats kann demgegenüber - soweit nicht in den Grundzügen im Aufnahmevertrag geregelt - aufgrund des Hausrechts der Internatsleitung grundsätzlich untersagt werden. Aber auch hier ist eine entsprechende Abwägungsentscheidung zu treffen.
Zudem ist zu beachten, dass die jeweils geltenden Fassungen der Corona-Verordnung für Schülerinnen und Schüler teilweise auch Betretungsverbote enthielten und die aktuelle Fassung der Verordnung diese weiterhin vorsieht. Sollte in dem von Ihnen angesprochenen Fall der jeweilige Lebenspartner selbst Schülerin oder Schüler am Internat, aber bisher noch nicht in den Unterricht zurückgekehrt sein, kann der Aufenthalt im Internat bereits aus diesem Grund ausgeschlossen sein.
Mit freundlichen Grüßen