Sehr
Antragsteller/in
mit E-Mail vom 11. Februar 2021 beantragten Sie u.a. auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) die Zusendung der:
„Kommunikation mit dem Bundeswirtschaftsministerium, dem Auswärtigem Amt und dem Bundesfinanzministerium bezüglich des Vorschlags an die USA, dass diese ihren Widerstand gegen Nord Stream 2 aufgäben und Deutschland im Gegenzug seine LNG-Infrastruktur ausbaue. Der Vorschlag mündete in ein Non-Paper, das die DUH veröffentlicht hat:
https:/Awww.duh.de/projekte/geheimdea... “
Auf Ihren Antrag ergehen folgende Entscheidungen:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Bescheid ergeht kostenfrei.
Gründe:
I.
§ 1 Abs. 1 IFG sowie § 3 Abs. 1 UIG eröffnen jedermann gegenüber den informationspflichtigen Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, wenn und soweit keine der in §§ 3 ff. IFG bzw. in §§ 8 ff UIG normierten oder ungeschriebene Versagungsgründe entgegen stehen
Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob überhaupt Informationen im Sinne Ihrer Anfrage vorhanden sind, da der Herausgabe solcher Informationen jedenfalls der Schutz behördlicher Beratungen bzw. des behördlichen Entscheidungsprozesses (§§ 3 Nr. 3b, 4 Abs. 1 IFG bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG) sowie der Schutz internatio- naler Beziehungen (§ 3 Nr. 1a IFG bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG) entgegenstünde.
Im Einzelnen:
Nach beiden Vorschriften – § 3 Nr. 3b i.V.m. 4 Abs. 1 IFG sowie § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG – besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn und solange die Beratungen von Behörden durch eine Offenlegung der begehrten Informationen beeinträchtigt werden. Geschützt ist dabei nicht nur der Prozess der Willensbildung zwischen verschiedenen Behörden, sondern auch innerhalb einer Behörde (vgl. u.a. VG Berlin, Urteil vom 09.06.2011, Az. VG 2 K 46/11). Zweck dieser Vorschriften ist es, eine ungestörte Willensbildung zu gewährleisten. Unterschiedliche Auffassungen und Meinungsverschiedenheiten müssen intern geäußert werden können, ohne dass die öffentlich befassten Stellen befürchten müssen, dass ihr interner Abstimmungsprozess öffentlich wird (vgl. Schoch, IFG, 84 Rn. 11 ff, 2. Auflage 2016).
In zeitlicher Hinsicht kann der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2011, Az.: 7 B 14.11), denn die durch § 3 Nr. 3b IFG geschützten innerbehördlichen Beratungen, die auf die offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind, können wegen des Wissens um eine – auch nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens – Offenlegung etwa der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess beeinträchtigt werden.
Die Offenlegung der von Ihnen begehrten Informationen hätte nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit von Beratungsprozessen. Die Vertraulichkeit sichert die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung als Verfassungsorgan und muss teil- weise auch nach Abschluss solcher Abstimmungsprozesse gewahrt bleiben, um auch zukünftig eine offene und umfassend abwägende Meinungsbildung in der Bundesregierung zu gewährleisten. Nur wenn auch nach Abschluss der Entscheidungsfindung mit der Vertraulichkeit gerechnet werden kann, ist die Freiheit der Willensbildung der Regierung auch für die Zukunft hinreichend sichergestellt. Ein schrankenloser Informationszugang wäre durch die damit verbundene einengende Vorwirkung geeignet, zukünftige Meinungsbildungsprozesse zu beeinträchtigen.
Ihr Antrag ist auf Informationen zu Abstimmungsprozessen innerhalb der Bundesregierung gerichtet. Dieser Abstimmungsprozess berührt Belange internationaler Beziehungen in Bezug auf das Vorhaben Nord Stream 2 sowie die in diesem Zusammenhang bestehenden Verhandlungspositionen. Diese beinhalten Überlegungen und Strategien mit Blick auf – auch – wirtschaftliche Beziehungen mit den USA. Wirtschaftliche Beziehungen mit anderen Staaten beinhalten jedoch auch immer diplomatische Belange zu diesen Staaten, im vorliegenden Fall die diplomatischen Beziehungen mit den USA.
Aus diesem Grunde stünde der Herausgabe auch der Schutz der internationalen Beziehungen (§ 3 Nr. 1a IFG bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG) entgegen.
Danach besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann. Geschützt sind hierdurch die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen. Damit hat der Gesetzgeber der Sensibilität und hohen Schutzbedürftigkeit internationaler Beziehungen Rechnung getragen.
Ob ein Nachteil für die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einem auswärtigen Staat bzw. für internationale Verhandlungen eintreten kann, hängt davon ab, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik im Verhältnis zu diesem Staat verfolgt (BVerwG, Urteil vom 29.10.2009, Az.: 7 C 22/08).
Die Entscheidung, ob die Freigabe der begehrten Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann, erfordert eine prognostische Einschätzung, die grundlegende politische Fragen, insbesondere die (außen-)politische Strategie der Bundesregierung betrifft. Dabei steht der zuständigen Behörde eine Einschätzungsprärogative zu.
Ein Informationsaustausch zwischen dem Bundeskanzleramt mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dem Auswärtigen Amt sowie dem Bundesministerium der Finanzen im Zusammenhang mit Nord Stream 2 und dem diesbezüglichen Vorschlag an die USA wäre vertraulich. Die Bundesregierung möchte die diplomatischen Beziehungen zu den USA möglichst frei von Belastungen halten. Es kann daher offenbleiben, ob die antragsgegenständlichen Informationen hier vorliegen. Denn in Ausübung der beschriebenen Einschätzungsprärogative wäre der Informationszugang im oben dargelegten Umfang selbst dann zu versagen, wenn die beantragten. Informationen hier vorlägen.
II.
Gemäß 8 10 IFG bzw. S 12 UIG in Verbindung mit der Anlage Teil A, Ziffer 1.1. der Informationsgebührenverordnung bzw. der Anlage Teil A, Ziffer 1.1 der Umweltinformationsgebührenverordnung fallen keine Kosten an.
Mit freundlichen Grüßen