=== via Fax ===
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich gegen Ihren Bescheid vom 14.02.2020
Widerspruch
ein, soweit die Informationserteilung per Akteneinsicht erfolgen soll.
Zur Begründung wird Folgendes vorgetragen:
Zwar geben Sie meinem Antrag auf Informationszugang nach dem VIG statt. Sie stellen jedoch den Zugang zu den Kontrollberichten lediglich durch Einsichtnahme in den Räu-men Ihres Amtes in Aussicht. Dies entspricht nicht meinem Antrag. Bei den über „Topf Secret“ gestellten Informationsanträgen wird um eine Antwort in elektronischer Form (E-Mail) gebeten.
Gem. § 6 Abs. 1 S. 2 VIG ist die Behörde grundsätzlich an die vom Antragsteller erbe-tene Form des Informationszugangs gebunden. Die Abweichung von der beantragten Zugangsart ist als Ablehnung zu qualifizieren (BeckOK InfoMedienR/Rossi, 26. Ed. 1.5.2019, VIG § 6 Rn. 5). Diese Ablehnung ist rechtswidrig und verletzt mich in meinen Rechten.
Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1, 2 VIG ist der Informationszugang vorrangig auf die Art zu ge-währen, die der Antragsteller in seinem Antrag begehrt hat. Eine Informationserteilung auf andere Art darf nur aus wichtigem Grund erfolgen. Wie das Bundesverwaltungsge-richt zur vergleichbaren Vorschrift des § 4 Abs. 1 UIG a.F. festgestellt hat, sind an das Vorliegen eines gewichtigen Grundes strenge Anforderungen zu stellen: So müssen bei der Ermessensentscheidung über die Art der Informationsgewährung die Ziele des In-formationsgesetzes berücksichtigt werden. Mit Blick auf den Zweck der Umweltinforma-tionsrichtlinie – die, ebenso wie das hier in Frage stehende VIG, möglichst ungehinder-ten Informationszugang ermöglichen will – komme den Wünschen des Antragstellers besondere Bedeutung zu. (BVerwG, Urteil vom 06. Dezember 1996 – 7 C 64/95, juris Rn. 14-16 zu § 4 Abs. 1 UIG a.F.).
1.
Sie behaupten, ein solcher wichtiger Grund im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 2 VIG liege vor. Zur Begründung führen Sie aus, dass Sie gem. Art. 20 GG verpflichtet seien, die Grundrechte der betroffenen Betriebe zu beachten (dazu unter a.). Außerdem könnten Sie die Unterlagen mangels technischer Möglichkeiten der verschlüsselten Versendung i.S. des Art. 32 DS-GVO nicht elektronisch zur Verfügung stellen (dazu unter b.). Sie verweisen auf die mögliche Veröffentlichung der Unterlagen und konstatieren, dass ein möglicher zivilrechtlicher Schutz des Unternehmens zu spät kommen könnte (dazu unter c.). Außerdem habe eine solche Veröffentlichung im Ergebnis eine mit aktiver staatlicher Information der Öffentlichkeit vergleichbare Breitenwirkung, die zu verhin-dern sei (dazu unter d.).
a.
Ihre Ausführungen sind insofern richtig, als Sie gem. Art. 20 GG an Gesetz und Recht gebunden sind. Gerade diese Gesetzesbindung hindert Sie daran, meine Rechte als Verbraucher willkürlich zu beschneiden. Genau dies tun Sie jedoch, wenn Sie meinen umfassend gewährten Informationsanspruch entgegen höchstrichterlicher Rechtspre-chung verkürzen. Ihre Einwände bezüglich der Grundrechte betroffener Betriebe wur-den unter anderem durch das Bundesverwaltungsgericht längst entkräftet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Grundsatzurteil im Sommer 2019 (BVerwG, Urteil vom 29.08.2019, Az: 7 C 29.17) den Informationszugangsanspruch nach dem VIG grundlegend gestärkt und dabei auch zu dessen Verfassungsmäßigkeit Stellung genommen.
Zwar ist nach dem Bundesverwaltungsgericht die Information nach dem VIG als Eingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren, wobei dieser Grundrechtseingriff dadurch relativiert wird, dass die betroffenen Unternehmen die negativen Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst haben. Allerdings ist der Eingriff ge-rechtfertigt. Die Verbraucherinformation dient legitimen Zwecken des Verbraucher-schutzes, ist erforderlich und auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Es ist angemes-sen, die Interessen des Unternehmens im Fall eines im Raum stehenden Rechtsver-stoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucher und Verbrauche-rinnen zurücktreten zu lassen. Die Schutzvorkehrungen des VIG, insbesondere die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Zweifeln an der Richtigkeit aus § 6 Abs. 3 S. 2 VIG, sind zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ausreichend (BVerwG, a.a.O., Rn. 48-53).
Es folgten Entscheidungen mehrerer Oberverwaltungsgerichte zu „Topf Secret“, die den umfassenden Informationsanspruch der Antragstellerinnen und Antragsteller eben-falls eindeutig bejahten (vgl. VGH Baden-Württemberg, 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19, 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19; ; OVG NRW, 15 B 1000/19 und 15 B 814/19; Niedersächsisches OVG, 2 ME 707/19).
Auch der VGH Baden-Württemberg fand eindeutige Worte zur Frage der Grundrechte betroffener Betriebe:
„Das Grundrecht der Berufsfreiheit vermittelt kein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht.“
b.
Art. 32 DS-GVO verpflichtet Sie nicht, mir amtliche Dokumente mittels verschlüsselter E-Mail zugänglich zu machen. Dem Schutz personenbezogener Daten wird schon dadurch Rechnung getragen, dass diese in den mir zur Verfügung gestellten Dokumen-ten ohnehin geschwärzt werden.
c.
Auch Ihr Argument, dass bei Herausgabe per E-Mail die Veröffentlichung der Unterla-gen erfolgen und ein zivilrechtlicher Schutz zu spät kommen könnte, überzeugt nicht.
Die oben angeführte Rechtsprechung bestätigt einen umfassenden Informationsan-spruch nach dem VIG. Aus den genannten Entscheidungen geht klar hervor, dass auch eine anschließende Veröffentlichung der herausgegebenen Informationen durch die privaten Antragsteller, selbst wenn eine entsprechende Veröffentlichungsabsicht sicher angenommen werden könnte (die bloße Inanspruchnahme des auf „Topf Secret“ zur Verfügung gestellten Formulars reicht hierfür nicht aus) nicht zur Beschränkung des Anspruchs führt (vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19, 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19; OVG NRW, 15 B 1000/19 und 15 B 814/19; Niedersächsisches OVG, 2 ME 707/19).
Das Bundesverwaltungsgericht macht in seinem Grundsatzurteil deutlich, dass auch eine Weitergabe der Informationen an eine Verbraucherschutzorganisation und eine Veröffentlichung durch diese nicht zur Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Be-rufsfreiheit führt. In einem solchen Fall kann die auskunftspflichtige Stelle zwar verpflich-tet sein, Zweifel an der Richtigkeit von Informationen öffentlich bekannt zu machen (Rn. 52). An der Verhältnismäßigkeit der Informationsherausgabe ändert die Veröffentlichung der Informationen jedoch nichts. Eine solche Öffentlichkeitsarbeit ist, solange sie mit Mitteln des geistigen Meinungskampfes erfolgt und nicht auf der Grundlage falscher, verfälschter oder sonst wie manipulierter Informationen geführt wird, mit Rücksicht auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG grundsätzlich zulässig (BVerwG, a.a.O., Rn. 21-22). Dabei erachtet das Bundesverwaltungsgericht sogar die Verwen-dung der Informationen zur Unterstützung einer gezielt gegen einen spezifischen Be-trieb gerichteten Kampagne für unbedenklich. Erst recht kann dann aber die Unterstüt-zung einer Initiative wie „Topf Secret“, die sich ohne Fokussierung auf einen bestimm-ten Betrieb allgemein für die Stärkung der Transparenz des Lebensmittelmarktes ein-setzt, nicht zur Beschränkung des Informationsanspruchs führen.
Entsprechend hat auch der VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 13.12.2019 – VGH 10 S 1891/19) in Bezug auf über „Topf Secret“ gestellte Anträge ausgeführt:
„Schließlich läge eine derartige Internetveröffentlichung keineswegs außerhalb der Zwecke des VIG. Im Gegenteil, es entspricht der ausdrücklichen Zwecksetzung des § 1 VIG, den Markt transparenter zu gestalten, sodass in einer Internetpublikation eine Stärkung des Verbraucherschutzes gesehen werden kann.“
Auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat kürzlich entschieden (Be-schluss vom 16.01.2020 - Az. 2 ME 707/19), dass es mit der Zielsetzung des VIG – eine umfängliche Information der Marktteilnehmer zu gewährleisten – vereinbar ist, dass Verbraucher die Informationen im Internet veröffentlichen. Das Interesse des betroffe-nen Betriebes, dass den Verbrauchern Hygienemängel und andere Rechtsverstöße verborgen bleiben, sei demgegenüber weniger schutzwürdig.
Der umfassende Informationsanspruch wurde somit durchaus in Kenntnis der Möglich-keit von Veröffentlichungen bestätigt. Die informationspflichtige Stelle hat nach dem VIG keine Befugnis eine eventuelle Weiterverwendungsabsicht des Antragstellers zu er-gründen oder gar dagegen zu intervenieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.). Eine mutmaßliche Weiterverwendung der erlangten Informationen ist daher für die Frage des Anspruchs nach dem VIG völlig unerheblich. Unabhängig davon dürfen die einem Zugangsanspruch unterliegenden Informationen gem. § 2a IWG grundsätzlich weiterverwendet werden – es handelt sich dabei um ein subjektives Recht auf Weiter-verwendung (vgl. auch Richter, IWG, § 2a Rn. 52).
Selbst wenn dem betroffenen Unternehmen im Falle der Veröffentlichung der streitge-genständlichen Informationen zivilrechtliche Ansprüche zustehen würden, wäre es Sa-che des Unternehmens selbst, diese durchzusetzen.
d.
Auch das Argument, die Veröffentlichung durch Private komme einer staatlichen Veröf-fentlichung gleich und müsse daher verhindert werden, hat einer höchstrichterlichen Überprüfung nicht standgehalten. Sie beziehen Ihre Ausführungen in völliger Verken-nung der Rechtslage ausschließlich auf einen Beschluss des VG Ansbach im einstwei-ligen Rechtsschutzverfahren. Die herrschende Rechtsprechung sieht die Rechtslage deutlich anders als das VG Ansbach.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, a.a.O. und BVerwG, Beschluss vom 15.06.2015, Az: 7 B 22/14 – NVwZ 2015, 1297) hat mehrfach klargestellt, dass zwi-schen beiden Arten der Information große Unterschiede bestehen, die es ausschließen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 40 Abs. 1a LFGB ohne Wei-teres auf die antragsgebundene Informationsgewährung zu übertragen. Das aktive In-formationsverhalten des Staates an alle Marktteilnehmer verschaffe den übermittelten Informationen breite Beachtung und gesteigerte Wirkkraft auf das wettbewerbliche Ver-halten der Marktteilnehmer. Die Auswirkungen einer antragsgebundenen Informations-gewährung auf das Wettbewerbsgeschehen blieben dahinter qualitativ und quantitativ weit zurück. Einer anschließend erfolgenden Veröffentlichung Privater mit einer gewis-sen Breitenwirkung fehle die Autorität einer staatlichen Publikation (VGH Baden-Württemberg, a.a.O. unter Verweis auf BVerwG, NVwZ 2015, 1297).
2.
Im Lichte dieser Rechtsprechung kann das Argument, einer Informationsübermittlung per E-Mail stünde die damit verbundene Veröffentlichung entgegen, keinen Bestand haben. Denn wenn der Informationsanspruch nach dem VIG unbeschränkt besteht, darf er auch nicht dadurch, dass Informationen nur auf eine bestimmte Art und Weise erteilt werden, faktisch eingeschränkt werden. Eine solche faktische Einschränkung des Informationsanspruchs wäre aber mit einer Akteneinsicht vor Ort verbunden, zumal insbesondere weiter entfernt wohnende Antragsteller wegen des damit verbundenen Aufwands von einer Einsichtnahme absehen könnten.
Nach alledem ist der angegriffene Bescheid rechtswidrig, soweit der Zugang zu den beantragten Informationen nicht per E-Mail gewährt werden soll. Dem Widerspruch ist unverzüglich abzuhelfen und die beantragten Informationen per E-Mail an mich zu übermitteln.
Mit freundlichen Grüßen