Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Ihren Widerspruch vom 03 .05.2019, der sich gegen den Ablehnungsbescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin, Abteilung Bürgerdienste, Ordnung und Jugend, Veterinär- und Lebensmittelaufsicht (Geschäftszeichen Ord Vetleb 21-19-L-200) vom 26.04.2019 richtet, ergeht nach Prüfung durch das bezirkliehe Rechtsamt folgender
Widerspruchsbescheid
1. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Das Widerspruchsverfahren ist gebührenfrei.
3. Dem Widerspruchsführer werden die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt.
Begründung
Zu 1.
Am 24.04.2019 haben Sie elektronisch per E-Mail unter dem Zeichen [#133001] nach § 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz - VIG) den Zugang zu Informationen über die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Überprüfungen des Betriebes "Rewe", Nonnendammallee 120 in 13629 Berlin und im Falle von Beanstandungen die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte beantragt. Da der Antrag in automatisierter Form über die vom Verein Foodwatch e.V. in Zusammenarbeit mit der Transparenz-Initiative FragDenStaat eingerichteten Online-Plattform "Topf Secret" gestellt wurde, deren Ziel die Sammlung und Veröffentlichung von Kontrollberichten für die Schaffung eines umfassenden Registers aller lebensmittelverarbeitenden Betriebe ist und deshalb als Motiv für die Antragstellung vorliegend kein individuelles Informationsbedürfnis im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes, sondern die Unterstützung der Sammlungs- und Veröffentlichungsabsicht angenommen wurde, wurde der Antrag mit Bescheid vom 26.04.2019 gemäß§ 4 Absatz 4 VIG als rechtsmissbräuchlich abgelehnt.
Gegen die Ablehnung richtet sich Ihr Widerspruch vom 03.05.2019, der am 03.05.2019 zunächst per EMail und dann am 08.05.2019 noch einmal schriftlich per Brief im Bezirksamt Spandau von Berlin einging.
Der Widerspruch erfolgte form- und fristgerecht und ist somit zulässig.
ln Ihrer Widerspruchsbegründung, die wortgleich noch von vielen anderen Widerspruchsführern, die ihren Antrag ebenfalls über die Online-Piattform "Topf Secret" gestellt haben, verwendet wird, widersprechen Sie einer Missbräuchlichkeit Ihrer lnformationsanfrage, weil sie Ihrer Auffassung nach weder querulatorisch noch überflüssig ist. Sie distanzieren sich nicht von der Veröffentlichungsabsicht und argumentieren, dass der Gesetzgeber die Weitergabe der erhaltenen Informationen nicht beschränkt und eine Publizierung der Informationen im Internet sogar das Ziel des Verbraucherinformationsgesetzes, den Markt transparenter zu gestalten, fördert. Weiterhin führen Sie aus, dass eine Veröffentlichung auf der Online-Piattform "Topf Secret" nicht mit einer Veröffentlichung nach § 40 Absatz 1 a Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) vergleichbar ist.
Der Widerspruch ist nach dem Ergebnis der Überprüfung sachlich nicht begründet.
Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Antrags kann nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen. Durch die Nutzung der im Rahmen der Aktion "Topf Secret" zur Verfügung gestellten Antragsformulare spricht der Anschein mangels anderweitiger Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag zur Unterstützung der Aktion "Topf Secret" dient. Dabei begründet nicht die Verwendung eines vorgefertigten Antrages die Missbräuchlichkeit, sondern die erkennbar mit der Antragstellung verfolgten Ziele. Angesichts der öffentlichkeitswirksam verbreiteten Absicht der Aktion "Topf Secret", mit dem vordergründig bezweckten Aufbau einer öffentlich zugänglichen Datenbank, kann gerade nicht auf ein individuelles Informationsinteresse geschlossen werden. Ein individuelles Informationsinteresse wurde erst im Widerspruchsverfahren behauptet. Diese Behauptung steht vorliegend jedoch im Widerspruch zu der Verwendung einer Widerspruchsbegründung, die massenhaft auch durch andere Widerspruchsführer verwendet wird und deren Anträge ebenfalls im Rahmen der Aktion "Topf Secret" gestellt wurden.
Aufgrund dessen spricht bereits der Anschein dafür, dass auch im Widerspruchsverfahren die Ziele der Aktion "Topf Secret" weiterverfolgt werden. Dieser Anschein wird zudem auch durch die Widerspruchsbegründung
selber bestätigt, da dort gerade keine Distanzierung von der Veröffentlichungsabsicht erfolgt, sondern diese sogar noch bekräftigt und gerechtfertigt wird. Nach den bisher aus Sicht der Behörde vorliegenden Erkenntnissen aus dem Antrags- und dem Widerspruchsverfahren dient die Antragstellung der Unterstützung der Aktion "Topf Secret". Dass keine
automatisierte Veröffentlichung der begehrten Kontrollberichte erfolgt, führt nicht zu einer anderen Betrachtung. Denn der im Rahmen der Aktion "Topf Secret" erforderliche Veröffentlichungsaufwand ist nicht größer als der Aufwand für die bereits vorgenommenen Tätigkeiten zur Antragstellung und für die Erhebung des Widerspruchs.
Unabhängig davon, ob das Verbraucherinformationsgesetz eine Veröffentlichung durch Privatpersonen, die selber nicht in gleicher Weise wie die öffentliche Verwaltung an die Grundrechte gebunden sind, gestattet, müssen seitens der öffentlichen Stellen auch die Grundrechte derjenigen Personen beachtet werden, die von einer Veröffentlichung betroffen sein können. Der Gesetzgeber hat hierzu in § 40 LFGB Regelungen vorgesehen, wonach die öffentlichen Stellen Vorkehrungen zu treffen haben, die eine Prangerwirkung, und zudem auch noch langfristig, verhindern sollen. Diese Beschränkungen dürfen nicht aktiv umgangen werden, indem beispielsweise eine öffentliche Stelle, statt eine eigene Veröffentlichung vorzunehmen, private Dritte mit der Veröffentlichung beauftragt. Im Falle der Aktion "Topf Secret" liegt eine vergleichbare Situation vor, nur dass hier die Veröffentlichung nicht von der Behörde initiiert wird. Dennoch ist der Mitwirkungsbeitrag der Behörde die wesentliche Voraussetzung für die mit
der Veröffentlichung eintretende Grundrechtsbeeinträchtigung, so dass aus Sicht der Behörde kein Unterschied besteht, ob sie selber eine rechtswidrige Veröffentlichung vornimmt oder ob sie die Daten für eine Veröffentlichung bereitstellt, die sie selber nicht vornehmen dürfte. Das Verbraucherinformationsgesetz kann nicht als Rechtfertigung für eine Informationspreisgabe dienen, denn nach 4 Absatz 4 Satz 1 der Vorschrift müssen rechtsmissbräuchliche Anträge abgelehnt werden. Der in § 4 Absatz 4 Satz 2 VIG genannte Fall, dass eine Missbräuchlichkeit anzunehmen ist, wenn die Information beim Antragsteller bereits vorliegt, stellt nur ein Beispiel für einen missbräuchlich gestellten Antrag dar. Dies wird an dem Wort "insbesondere" zu Beginn von § 4 Absatz 4 Satz 2 VIG deutlich. Somit umfasst § 4 Absatz 4 Satz 1 VIG weitere, im Gesetz nicht näher beschriebene Missbrauchsmöglichkeiten.
Diese sind auch nicht auf überflüssige Anfragen und querulatorische Begehren
beschränkt, wie sie in der Gesetzesbegründung genannt werden (BT-Drs. 16/5404, S. 12). Denn wenn der Gesetzgeber tatsächlich eine Ablehnung des Antrags nur in diesen Fällen bezweckt hätte, dann hätte er auch genau diese Fälle im Gesetzestext verankert und diesen nicht im Vergleich zur Gesetzesbegründung weitergehend formuliert. Außerdem sind auch die in der Gesetzesbegründung gewählten "überflüssigen Anfragen" und "querulatorischen Begehren" selber unbestimmte und auslegungsbedürftige Begriffe. Aus Sicht des Gesetzgebers kann auch eine Antragstellung eine unerwünschte und damit überflüssige Anfrage darstellen, die dem Ziel dient, unter Umgehung der den Behörden auferlegten Beschränkung Fakten zu schaffen, den Handlungsspielraum des Gesetzgebers zu beschränken und diesen zu einem Handeln zu zwingen. Nach den Veröffentlichungen im Rahmen der Aktion "Topf Secret" werden genau diese Ziele verfolgt: "[. . .]Je mehr Menschen bei Topf Secret mitmachen, umso mehr Informationen kommen ans Licht. Damit wollen wir erreichen, dass die Bundesregierung endlich eine gesetzliche Grundlage schafft, die Transparenz zur Regel macht. Ziel ist, dass die Behörden von sich aus alle Kontrollergebnisse veröffentlichen müssen, ohne dass Bürgerinnen und Bürger Anfragen stellen müssen. " (
www.foodwatch .org/de/informieren/topf-secretlfragen-und-antworten, abgerufen am 05.02.2019 und am 03.05.2019)
Aufgrund dieser Erwägungen wird Ihr Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Nach § 7 Absatz 1 Satz 2 VIG ist der Zugang zu Informationen nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis zu einem Verwaltungsaufwand von 1000 Euro gebühren- und auslagenfrei, der Zugang zu sonstigen Informationen bis zu einem Verwaltungsaufwand von 250 Euro. Nach § 16 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG BE) werden für das Widerspruchsverfahren keine Gebühren erhoben, wenn die angefochtene Amtshandlung, wie im vorl iegenden Fall , nicht gebührenpflichtig war.
Die Entscheidung über die Erstattung von Kosten im Vorverfahren beruht auf § 73 Absatz 3 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 80 Absatz 1 Satz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) in Verbindung mit § 1 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in der Berliner Verwaltung (VwVfG Bin).
Der Fundstellennachweis ist Bestandteil des Bescheides.
Rechtsbehelfsbelehrung
Sowohl gegen den Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin, Abteilung Bürgerdienste, Ordnung und Jugend, Veterinär- und Lebensmittelaufsicht (Geschäftszeichen: Ord VetLeb 21-19-L- 20~ vom "Zb .04.2019 in Gestalt dieses Widerspruchsbescheides als auch gegen die in diesem Widerspruchsbescheid enthaltene Kostenentscheidung kann die Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden.
Die Klage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides beim Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstr. 7, 10557 Berlin (Mitte) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen (Informationen hierzu unter
www.berlin .de/erv) zu erheben; der Klageschrift sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Die Klage ist zu richten gegen das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Spandau von Berlin, Abt. Bürgerdienste, Ordnung und Jugend, Veterinär- und Lebensmittelaufsicht Es wird darauf hingewiesen, dass bei schriftlicher Klageerhebung die Klagefrist nur dann gewahrt ist, wenn die Klage innerhalb dieser Frist beim Verwaltungsgericht eingegangen ist.