Widerspruch zu Bescheid vom 18.03.2020
Mein Antrag vom 05.03.2019
Ihr Zeichen: 532-4283/Nr. 135/19, Ga
Sehr geehrteAntragsteller/in
hiermit lege ich Widerspruch ein gegen Ihren Bescheid vom 18.03.2020 (Poststempel vom 14.4.2020), soweit die Informationserteilung per Akteneinsicht erfolgen soll.
Zur Begründung wird Folgendes vorgetragen:
Zwar geben Sie meinem Antrag auf Informationszugang nach dem VIG statt. Sie stellen jedoch den Zugang zu den Kontrollberichten lediglich durch Einsichtnahme in den Räumen Ihres Amtes in Aussicht. Dies entspricht nicht meinem Antrag. Bei den über „Topf Secret“ gestellten Informationsanträgen wird um eine Antwort in elektronischer Form (E-Mail) gebeten. Gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 VIG ist die Behörde grundsätzlich an die vom Antragsteller erbetene Form des Informationszugangs gebunden. Die Abweichung von der beantragten Zugangsart ist als Ablehnung zu qualifizieren (BeckOK InfoMedienR/Rossi, 26. Ed. 1.5.2019, VIG § 6 Rn. 5). Diese Ablehnung ist rechtswidrig und verletzt mich in meinen Rechten.
Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1, 2 VIG ist der Informationszugang vorrangig auf die Art zu gewähren, die der Antragsteller in seinem Antrag begehrt hat. Eine Informationserteilung auf andere Art darf nur aus wichtigem Grund erfolgen. Wie das Bundesverwaltungsgericht zur vergleichbaren Vorschrift des § 4 Abs. 1 UIG a.F. festgestellt hat, sind an das Vorliegen eines gewichtigen Grundes strenge Anforderungen zu stellen: So müssen bei der Ermessensentscheidung über die Art der Informationsgewährung die Ziele des Informationsgesetzes berücksichtigt werden. Mit Blick auf den Zweck der Umweltinformationsrichtlinie – die, ebenso wie das hier in Frage stehende VIG, möglichst ungehinderten Informationszugang ermöglichen will – komme den Wünschen des Antragstellers besondere Bedeutung zu. (BVerwG, Urteil vom 06. Dezember 1996 – 7 C 64/95, juris Rn. 14-16 zu § 4 Abs. 1 UIG a.F.).
Sie behaupten, ein solcher wichtiger Grund im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 2 VIG liege vor. Zur Begründung führen Sie aus, dass
(1) die von mir begehrten Informationen auch den Betreibern der Plattform „FragDenStaat“ bekannt würden, gegebenenfalls auch einer unbestimmbaren Anzahl an Personen, die hierzu keinen Antrag gestellt haben.
und
(2) eine interne Dienstanweisung den Versand von Bescheiden, insbesondere mit personenbezogenen Daten auf elektronsichem Weg nicht zulasse.
Zu (1):
Generell sei angemerkt, dass das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil im Sommer 2019 (BVerwG, Urteil vom 29.08.2019, Az: 7 C 29.17) den Informationszugangsanspruch nach dem VIG grundlegend gestärkt und dabei auch zu dessen Verfassungsmäßigkeit Stellung genommen hat. Es folgten Entscheidungen mehrerer Oberverwaltungsgerichte zu „Topf Secret“, die den umfassenden Informationsanspruch der Antragstellerinnen und Antragsteller ebenfalls eindeutig bejahten (vgl. VGH Baden-Württemberg, 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19, 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19; ; OVG NRW, 15 B 1000/19 und 15 B 814/19; Niedersächsisches OVG, 2 ME 707/19).
Die oben angeführte Rechtsprechung bestätigt einen umfassenden Informationsanspruch nach dem VIG. Aus den genannten Entscheidungen geht klar hervor, dass auch eine anschließende Veröffentlichung der herausgegebenen Informationen durch die privaten Antragsteller, selbst wenn eine entsprechende Veröffentlichungsabsicht sicher angenommen werden könnte (die bloße Inanspruchnahme des auf „Topf Secret“ zur Verfügung gestellten Formulars reicht hierfür nicht aus) nicht zur Beschränkung des Anspruchs führt (vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19, 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19; OVG NRW, 15 B 1000/19 und 15 B 814/19; Niedersächsisches OVG, 2 ME 707/19).
Das Bundesverwaltungsgericht macht in seinem Grundsatzurteil deutlich, dass auch eine Weitergabe der Informationen an eine Verbraucherschutzorganisation und eine Veröffentlichung durch diese nicht zur Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit führt. In einem solchen Fall kann die auskunftspflichtige Stelle zwar verpflichtet sein, Zweifel an der Richtigkeit von Informationen öffentlich bekannt zu machen (Rn. 52). An der Verhältnismäßigkeit der Informationsherausgabe ändert die Veröffentlichung der Informationen jedoch nichts. Eine solche Öffentlichkeitsarbeit ist, solange sie mit Mitteln des geistigen Meinungskampfes erfolgt und nicht auf der Grundlage falscher, verfälschter oder sonst wie manipulierter Informationen geführt wird, mit Rücksicht auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG grundsätzlich zulässig (BVerwG, a.a.O., Rn. 21-22). Dabei erachtet das Bundesverwaltungsgericht sogar die Verwendung der Informationen zur Unterstützung einer gezielt gegen einen spezifischen Betrieb gerichteten Kampagne für unbedenklich. Erst recht kann dann aber die Unterstützung einer Initiative wie „Topf Secret“, die sich ohne Fokussierung auf einen bestimmten Betrieb allgemein für die Stärkung der Transparenz des Lebensmittelmarktes einsetzt, nicht zur Beschränkung des Informationsanspruchs führen.
Entsprechend hat auch der VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 13.12.2019 – VGH 10 S 1891/19) in Bezug auf über „Topf Secret“ gestellte Anträge ausgeführt:
„Schließlich läge eine derartige Internetveröffentlichung keineswegs außerhalb der Zwecke des VIG. Im Gegenteil, es entspricht der ausdrücklichen Zwecksetzung des § 1 VIG, den Markt transparenter zu gestalten, sodass in einer Internetpublikation eine Stärkung des Verbraucherschutzes gesehen werden kann.“
Auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat kürzlich entschieden (Beschluss vom 16.01.2020 - Az. 2 ME 707/19), dass es mit der Zielsetzung des VIG – eine umfängliche Information der Marktteilnehmer zu gewährleisten – vereinbar ist, dass Verbraucher die Informationen im Internet veröffentlichen. Das Interesse des betroffenen Betriebes, dass den Verbrauchern Hygienemängel und andere Rechtsverstöße verborgen bleiben, sei demgegenüber weniger schutzwürdig.
Der umfassende Informationsanspruch wurde somit durchaus in Kenntnis der Möglichkeit von Veröffentlichungen bestätigt. Die informationspflichtige Stelle hat nach dem VIG keine Befugnis eine eventuelle Weiterverwendungsabsicht des Antragstellers zu ergründen oder gar dagegen zu intervenieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.). Eine mutmaßliche Weiterverwendung der erlangten Informationen ist daher für die Frage des Anspruchs nach dem VIG völlig unerheblich. Unabhängig davon dürfen die einem Zugangsanspruch unterliegenden Informationen gem. § 2a IWG grundsätzlich weiterverwendet werden – es handelt sich dabei um ein subjektives Recht auf Weiterverwendung (vgl. auch Richter, IWG, § 2a Rn. 52).
Selbst wenn dem betroffenen Unternehmen im Falle der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen zivilrechtliche Ansprüche zustehen würden, wäre es Sache des Unternehmens selbst, diese durchzusetzen.
Zu (2):
Die von Ihnen genannte Dienstanweisung könnte sich in einer Begründung allenfalls auf Art. 32 DSGVO beziehen. Aber selbst dies ist gänzlich fernliegend. Zunächst ist bereits fraglich, inwieweit Art. 32 DSGVO überhaupt auf die öffentliche Verwaltung Anwendung findet. Art. 32 DSGVO ist in jedem Fall nur im Falle der Verarbeitung personenbezogener Daten anwendbar. „Personenbezogene Daten“ sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Die Kontrollberichte – und um die Übermittlung dieser geht es – beziehen sich indes regelmäßig auf juristische Personen, sodass gesetzliche Regeln zum Schutz personenbezogener Daten nicht betroffen sind. Soweit im Einzelfall personenbezogene Daten in den Unterlagen enthalten sind, die dem Antragssteller nicht ohnehin bereits bekannt sind oder an denen kein überwiegendes berechtigtes Informationsinteresse besteht, haben Sie darum Sorge zu tragen, dass diese personenbezogenen Daten vor Offenlegung der Kontrollberichte gegenüber Dritten geschwärzt oder die angefragten Unterlagen anderweitig anonymisiert werden. Hier unterscheidet sich im Übrigen die Offenlegung im Wege der Einsichtnahme vor Ort nicht von der Übermittlung auf elektronischem Wege, sodass ohnehin davon auszugehen ist, dass Sie die Unterlagen ggf. entsprechend bearbeiten.
Schließlich sei angemerkt, dass es schon denklogisch unerklärlich ist, welche Person auf die auf elektronischem Wege übermittelten Informationen Zugriff nehmen können sollte, die nicht ohnehin den Anspruch und die Möglichkeit hätte, die Unterlagen ihrerseits im Rahmen eines VIG-Anspruchs zu erhalten oder im Falle einer rechtlich jedenfalls möglichen Veröffentlichung (siehe oben) diese einsehen könnte, sodass eine solche Schutzmaßnahme mit Blick auf die Inhalte der versendeten Unterlagen insgesamt leer liefe.
Insgesamt:
Im Lichte dieser Rechtsprechung kann das Argument, einer Informationsübermittlung per E-Mail stünde die damit verbundene Veröffentlichung entgegen, keinen Bestand haben. Denn wenn der Informationsanspruch nach dem VIG unbeschränkt besteht, darf er auch nicht dadurch, dass Informationen nur auf eine bestimmte Art und Weise erteilt werden, faktisch eingeschränkt werden. Eine solche faktische Einschränkung des Informationsanspruchs wäre aber mit einer Akteneinsicht vor Ort verbunden, zumal insbesondere weiter entfernt wohnende Antragsteller wegen des damit verbundenen Aufwands von einer Einsichtnahme absehen könnten.
Nach alledem ist der angegriffene Bescheid rechtswidrig, soweit der Zugang zu den beantragten Informationen nicht per E-Mail gewährt werden soll. Dem Widerspruch ist unverzüglich abzuhelfen und die beantragten Informationen per E-Mail an mich zu übermitteln.
Mit freundlichen Grüßen