Sehr geehrter Herr Mayer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die wir gerne als Bürgeranfrage beantworten, da die Voraussetzungen des IFG nicht erfüllt sind.
Sie erkundigen sich, wie die Bundesregierung plant, durch den kommenden Winter zu kommen und die Stromversorgungssicherheit sicherzustellen. Die Bundesregierung beobachtet sehr genau, wie sich die Situation der Energieversorgung aktuell darstellt und sich zukünftig entwickeln wird. Derzeit ist die Stromversorgung gesichert.
Um auch mögliche Extremfälle in den Planungen zu berücksichtigen, haben wir in Zusammenarbeit mit den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) von Mitte Juli bis Anfang September 2022 in einer Sonderanalyse die Sicherheit des Stromnetzes für diesen Winter unter verschärften äußeren Bedingungen untersucht (sog. „Stresstest“). In diesem wurden aus Vorsorgegründen deutlich verschärfte Annahmen zu den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf den Energiemarkt getroffen und stufenweise hochskaliert. Zusätzlich berücksichtigen die Berechnungen weitere mögliche Engpässe in der Kraftwerksverfügbarkeit (z. B. aufgrund einer schwierigen Versorgungslage mit Brennstoffen durch niedrige Flusspegel oder einem Ausfall von Krafwerkskapazitäten im Ausland). Zusammen mit zwei Szenarien aus einem ersten Stresstest im Frühjahr 2022 liegen damit insgesamt fünf Szenarien vor, die die Bandbreite zwischen einem Basis- und mehreren Extremszenarien abdecken und so eine umfassende Risikoanalyse der Versorgungssicherheit erlauben. Folgend geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Ergebnisse des Stresstestes sowie die Schlussfolgerungen, die die Bundesregierung daraus zieht.
Der aktuelle Netzstresstest kommt zu dem Ergebnis, dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Daher werden eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen empfohlen, damit es auch in diesen sehr unwahrscheinlichen Szenarien nicht zu einer kurzzeitigen Lastunterdeckung oder Stromausfällen aufgrund von Netz-Stresssituationen kommt. Eine Maßnahme allein reicht dabei nicht aus. Wichtige Beiträge zur Netzsicherheit sind eine höhere Auslastung der bestehenden Netze durch eine Beschleunigung des geplanten witterungsabhängigen Freileitungsbetriebs, eine bessere Nutzung verschiedener Kraftwerke und Kraftwerksreserven sowie vertragliches Lastmanagement. Die im Stresstest empfohlen Maßnahmen sind zum Teil bereits umgesetzt oder in Umsetzung, z.B. die Nutzung von Kraftwerksreserven und die Marktrückkehr von Kohlekraftwerken. Weitere Maßnahmen sind in der unmittelbaren Vorbereitung und werden mit einer dritten Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG 3.0) umgesetzt, u.a. die zusätzliche Stromproduktion in Biogasanlagen sowie Maßnahmen zur Höherauslastung der Stromnetze/Verbesserung der Transportkapazitäten.
Zur Frage der Weiternutzung der Atomkraftwerke hat der Stresstest den möglichen Effekt einer Verfügbarkeit der drei Atomkraftwerke Emsland, Isar und Neckarwestheim im Stromnetz untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Wenn man die drei Atomkraftwerke verfügbar hält, kann dies in Stresssituationen im Stromnetz nur einen begrenzten Beitrag leisten. Zur Stabilisierung des Stromnetzes würden die drei AKW in einem sehr kritischen Szenario den Bedarf an Redispatchkraftwerken im Ausland (d.h. Kraftwerke, die dem deutschen Markt kurzfristig Strom zum Ausgleich von Netzengpässen zur Verfügung stellen können) von 5,1 GW nur um 0,5 GW senken. Es würde zudem - gemessen am Gesamtgasverbrauch - nur minimal Gas eingespart. Insgesamt besitzt Atomenergie im Vergleich zu den anderen dringenden Maßnahmen eine untergeordnete Rolle, um in kritischen Situationen die Netzsicherheit zu gewährleisten. Es bleiben auch bei einer Nutzung der drei verbleibenden Atomkraftwerke andere deutliche Eingriffe nötig, um die Netzsicherheit zu gewährleisten.
Da der mögliche Beitrag der Atomenergie in Stresssituationen nach den Berechnungen des zweiten Stresstests begrenzt ist und Atomenergie weiterhin eine Hochrisikotechnologie ist, muss eine besonders sorgfältige und zielgenaue Ausgestaltung erfolgen. Daher spricht sich Minister Habeck für eine AKW-Einsatzreserve aus. Der Anwendungsbereich ist inhaltlich begrenzt auf die südlichen Kraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim und befristet bis Mitte April 2023. Nur für diesen Zeitraum und nur für die zwei süddeutschen AKWs ist ein eng konditionierter Notfalleinsatz der AKWs zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die Versorgungssicherheit erforderlich und damit im Rahmen der Verfassung eine noch vertretbare Entscheidung des Gesetzgebers.
Eine von Ihnen erwähnte kurzfristige starke Zunahme des Stromverbrauchs ist im Fall von Wärmepumpen oder ladenden E-Fahrzeuge aufgrund der zu erwartenden Produktions- und/oder Installationsdauern nicht zu erwarten. Gleichwohl ist ein Anstieg dieser neuen Stromverbraucher gegenüber dem letzten Jahr berücksichtigt. Im Stresstest wurde zudem eine kurzfristige Zunahme der Leistungsspitze durch den Betrieb von Heizlüftern angenommen, womit auch diese für das Stromversorgungssystem kritische Entwicklung berücksichtig ist.
Weitergehende Informationen finden sich auf den betreffenden Seiten des BMWK:
* * Sichere und verlässliche Energieversorgung:
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Doss...
* * Stresstest zum Stromsystem: BMWK stärkt Vorsorge zur Sicherung der Stromnetz-Stabilität im Winter 22/23:
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pres...
* * FAQ-Liste Zweiter Stresstest und Maßnahmen zur Sicherung der Stromnetz-Stabilität im Winter 22/23:
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/FAQ/...
Wir wünschen Ihnen alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen